Schattenblick →INFOPOOL →PANNWITZBLICK → PRESSE

WERKSTATT/273: Neues Bildungsangebot in proWerk (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
September 2014

Alltagshelferinnen erhalten das nötige Rüstzeug
Neues Bildungsangebot in proWerk

Von Petra Wilkening



Es hört sich so einfach an: einmal in der Woche in der Mittagspause für die Kollegen ein Spielangebot gestalten. Aber Saja Otto, in der Werkstatt Hiram in Bielefeld-Bethel beschäftigt, muss ganz unterschiedlichen Menschen gerecht werden: Die einen haben eine psychische Erkrankung, die anderen eine komplexe Behinderung. Saja Otto bewältigt die anspruchsvolle Aufgabe gut; nicht nur, weil sie behutsam und entspannt mit anderen Menschen umgeht - die 40-Jährige hat auch eine Qualifizierung für Alltagshelfer absolviert.


Die einjährige Bildungsmaßnahme im Stiftungsbereich proWerk haben elf Beschäftigte im Juli zum ersten Mal abgeschlossen. Sie waren schon zuvor in Betheler Werkstätten oder auf ausgelagerten Arbeitsplätzen als Alltagshelferinnen im Einsatz, haben andere Menschen mit größeren Einschränkungen unterstützt oder hauswirtschaftliche Arbeiten übernommen. Jetzt gibt es für sie ein spezifisches Bildungsangebot. Es führt zwar nicht zu einem Berufsabschluss, gibt Alltagshelferinnen und -helfern aber das nötige Rüstzeug an die Hand und macht sie bei ihrer Tätigkeit sicherer.


Mit Menschen arbeiten

Saja Otto wollte schon immer mit Menschen arbeiten. Sie machte Praktika im Kinderkrankenhaus und in der Altenhilfe, konnte dann aber wegen einer psychischen Erkrankung diesen Weg nicht weiterverfolgen. In der Werkstatt Hiram in Bielefeld-Bethel hat sie seit zwei Jahren einen "geteilten" Werkstattarbeitsplatz: Zum einen ist sie in der Eigenproduktion im Holzbereich tätig, zum anderen unterstützt sie andere Beschäftigte, die im Arbeitsalltag auf Hilfe angewiesen sind.

Wie an jedem Morgen begleitet Saja Otto auch heute eine Kollegin mit Epilepsie und einer komplexen Behinderung zum Frühstück. Vorsichtig führt sie sie an der Hand durch den Flur und hilft ihr, sich in der Kantine auf ihren Platz zu setzen. Aufmerksam nimmt Saja Otto der Kollegin den Kinnbügel des Helms ab, bindet ihr einen Kleidungsschutz um und achtet darauf, dass sie isst und trinkt. Auch einem jungen Rollstuhlfahrer steht sie als Alltagshelferin zur Seite. Ihre ruhige Art tut dem quirligen 20-Jährigen gut. Inzwischen begleitet sie zwei Beschäftigte. Das ist für sie neu, so wie auch die Leitung des wöchentlichen Spielangebots. Am liebsten würde Saja Otto noch viel mehr in der Alltagsbegleitung und dafür weniger in der Eigenproduktion tun. "Frau Otto hat von der Qualifizierung sehr profitiert. Das hat ihrem Selbstbewusstsein gut getan und ihr noch einmal einen richtigen Schub gegeben, mehr machen zu wollen", sagt ihre Bezugsmitarbeiterin Barbara Daubner. Den Aufgabenbereich von Saja Otto planen und entwickeln die beiden gemeinsam. Dabei achtet Barbara Daubner ganz besonders darauf, dass sich die Werkstatt-Beschäftigte nicht überfordert und die Arbeit ihr gut tut.


Bereicherung fürs Team

Auch Charlotte Beckmann hat die Qualifizierungsmaßnahme für Alltagshelferinnen und -helfer absolviert. Die 25-Jährige arbeitet seit Dezember 2012 im Lydia-Kindergarten in Bielefeld auf einem ausgelagerten Werkstattarbeitsplatz von proWerk. In der Gruppe Frederick hilft sie den Kindern beim Frühstück und Mittagessen, spielt mit ihnen, und sie hat auch ihre Aufgaben in derHauswirtschaft. Die Kinder lieben sie wegen ihrer herzlichen und fröhlichen Art, die Kolleginnen und Kollegen schätzen sie auch wegen ihrer großen Verlässlichkeit. "Sie ist eine Bereicherung für uns und in unser Team voll integriert", unterstreicht Eike Rosenkranz-Huesmann, Leiterin des Kindergartens.

Charlotte Beckmann war nach dem Besuch der Mamre-Patmos-Schule zunächst in einer Betheler Werkstatt als Alltagshelferin tätig. "Aber mein Traum war es immer, in einem Kindergarten zu arbeiten", erzählt die junge Frau, die das Down-Syndrom hat. Die Qualifizierung hat ihr für ihre Arbeit, aber auch für ihren privaten Alltag viel gebracht. Wie Saja Otto hat sie unter anderem gelernt, wie man Essen anreicht, andere Menschen rückenschonend hebt, einen Rollstuhl bedient oder eine Waschmaschine programmiert, jemandem im Bett die Haare wäscht oder kleine Speisen zubereitet. Die einjährige Bildungsmaßnahme umfasste drei Kennenlern-Tage, einen wöchentlichen Bildungstag und eine fünftägige Bildungsfahrt.


Betreuungsassistenz

"Wir haben uns für die Qualifizierungsmaßnahme an den konkreten Alltagssituationen der Teilnehmenden orientiert. Unser Ziel war es, Theorie und Praxis sinnvoll miteinander zu verknüpfen", so Birgit Gansfort-Walkusch und Angela Nicolini, die im Stiftungsbereich proWerk für berufliche Bildung zuständig sind. Sie haben die neue Qualifizierungsmaßnahme auf den Weg gebracht. Dafür haben sie auch mit dem Berufskolleg Bethel zusammengearbeitet. Für den Unterricht konnten sie dessen Räumlichkeiten und Unterrichtsmaterial kostenlos nutzen und mit Doris Tölle eine Lehrerin des Berufskollegs aus den Pflegelehrgängen für ihr Projekt gewinnen. Sie wurde vom Stiftungsbereich proWerk mit einem Stundenkontingent "eingekauft".

Jetzt bieten Birgit Gansfort-Walkusch und Doris Tölle einen neuen Bildungsbaustein an: die Weiterbildung zur Betreuungsassistentin oder zum Betreuungsassistenten mit dem Schwerpunkt "Demenz". Die Teilnehmenden erwerben einen Abschluss nach Paragraph 87b SGB XI, mit dem sie sich auf dem ersten Arbeitsmarkt bewerben können. Fünf Frauen aus der Qualifizierung für Alltagshelfer haben sich angemeldet. Auch Saja Otto ist dabei. Bis Ende dieses Jahres absolvieren sie Prüfungen. Im nächsten Jahr soll die Qualifizierung für Alltagshelferinnen und -helfer mit einem zweiten Durchgang fortgesetzt werden.

*

Quelle:
DER RING, September 2014, S. 10-11
Monatszeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Redaktion: Quellenhofweg 25, 33617 Bielefeld
Telefon: 0521/144-3512, Fax: 0521/144-2274
E-Mail: presse@bethel.de
Internet: www.bethel.de
 
Die Zeitschrift kann kostenlos abonniert werden


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. September 2014