Schattenblick →INFOPOOL →PANNWITZBLICK → REPORT

INTERVIEW/010: Ohnmacht, Zwang und Psychiatrie - Kein Flug übers Kuckucksnest, Friedrich Schuster im Gespräch (SB)


Bericht aus dem Bauch des Ungeheuers

Interview am 23. November 2013 in der Universität Essen



Friedrich Schuster ist seit vielen Jahren im Landesverband Psychiatrie-Erfahrener in Nordrhein-Westfalen [1] aktiv, wo er sich insbesondere für die Interessen der Insassen forensischer Einrichtungen engagiert. Auf der Konferenz "Psychiatrie ohne Zwang - Was ist das?" am 22./23. November 2013 in der Universität Essen trug er mit seinem reichhaltigen Erfahrungsschatz zur Aufklärung und Diskussion bei. Nach der Tagung beantwortete er dem Schattenblick einige Fragen.

Im Gespräch - Foto: © 2013 by Schattenblick

Friedrich Schuster
Foto: © 2013 by Schattenblick

Schattenblick: Fritz, du engagierst dich seit vielen Jahren für Insassen psychiatrischer Einrichtungen. Wie ist es dazu gekommen und wie lange machst du das schon?

Friedrich Schuster: Ich war früher bei Amnesty International aktiv. Wie man dazu wissen muß, darf Amnesty im eigenen Land nicht tätig werden. Wir waren in der Bundesrepublik die "Gruppe 600" und bekamen unsere Aufträge aus London. Einer dieser Aufträge betraf einen Fall in Südamerika, wobei unser Informant, bei dem es sich um einen Priester handelte, wegen der Zusammenarbeit mit uns umgebracht wurde. Da fühlt man sich natürlich mitverantwortlich und mitschuldig. Ich habe mich damals entschlossen, nicht länger an etwas mitzuarbeiten, bei dem es zu solchen Todesfällen kommen kann. Mit Toten hatte ich als Kind im Krieg mehr als genug zu tun, das reichte mir.

Dann ergab es sich, daß ich Matthias Seibt im Fernsehen sah, als sich der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener gründete. Da sagte meine Frau, das wäre doch etwas für dich. Dazu muß ich erzählen, daß ein Teilbereich meines Berufes die Personenüberprüfung war. Ich habe Automaten aufgestellt und immer viel Geld verliehen, Kredite an Gaststätten gegeben, und da mußte ich auch schon mal Schuldner ausfindig machen. Ich habe aber auch privat hier in Essen Leute wie beispielsweise Alkoholiker am Bahnhof und andere Menschen mit Problemen unterstützt. Das mache ich schon seit 50 Jahren, und das alles brachte mich dazu, mit Matthias zusammenzuarbeiten.

Wir bauten zusammen den Verband auf, es kamen neue Leute dazu, andere liefen weg, weil es ihnen aus irgendwelchen Gründen nicht paßte, jeder hatte da so seine Vorstellungen. Aber Matthias und ich blieben durchgehend dabei, und wenn wir auch nicht immer einer Meinung waren, ist doch keiner von uns beiden weggelaufen. Wir mußten uns eben irgendwie einigen. Das mache ich jetzt seit ungefähr 20 Jahren. Matthias betreut den sozialpsychiatrischen Bereich, das war sein Hauptanliegen, und ich habe mich dem forensischen Bereich zugewandt, weil ich ja aufgrund meiner Tätigkeit bei Amnesty schon Menschenrechtskenntnisse hatte.

SB: Wie habt ihr den Verband aufgebaut und welche Hindernisse mußtet ihr dabei überwinden?

FS: Die Anfänge waren sehr schwierig, weil wir keinen Pfennig Geld hatten. Wer Auslagen hatte, mußte sie aus eigener Tasche bezahlen. Es bildete sich ja erst eine Gruppe, dann brauchten wir Räume, wo wir uns trafen und so weiter. Ich mußte jedesmal von Recklinghausen nach Bochum kommen und bin diese Strecke mit meinem Auto so einige hundertmal gefahren, was ich dann auch privat bezahlen mußte. Das ging schon richtig ins Geld. Dann wurde zunächst eine Landesarbeitsgemeinschaft eingerichtet, worauf schließlich eine Verbandsgründung folgen konnte. Von da an ging der Aufbau leichter voran, weil wir erstmals Gelder bekamen, anfangs wenig, später immer mehr. Mittlerweile unterhalten wir in Bochum eine Hauptgeschäftsstelle und haben in Köln eine Niederlassung, wie man als Kaufmann sagen würde.

SB: Wieviele Mitglieder hat der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener in Nordrhein-Westfalen?

FS: Es sind mehrere Hundert, Nordrhein-Westfalen ist ja groß, und wir machen bei vielen Gelegenheiten auf uns aufmerksam. Wir machen verschiedene Angebote und halten Tagungen ab, so daß sich unsere Arbeit langsam herumspricht und uns die Presse mittlerweile unterstützt. Ich bin auch auf Bundesebene tätig und stehe mit sehr vielen Patientinnen und Patienten in unterschiedlichen Anstalten im ganzen Bundesgebiet in Kontakt.

SB: Nehmt ihr Kontakt mit Betroffenen auf oder treten Patientinnen und Patienten eher von sich aus an euch heran, weil sie von eurer Arbeit gehört haben?

FS: Ich bekomme von der Arbeit des Landesverbands inzwischen nicht mehr so viel mit, weil ich mit der Betreuung derart viel zu tun habe, daß ich sogar die Nächte durcharbeiten muß und trotzdem nicht alles schaffe. Patientinnen und Patienten schreiben mir oder rufen mich an, es kommen die E-Mails dazu. Ich habe mich lange gegen die neue Technik gewehrt, früher hatte ich meine Schreibmaschine, mit der ich gut zurechtkam. Ich bin ja auch nicht mehr der Jüngste. Als ich früher Automaten aufstellte, war das noch eine andere Technik. Als dann bei Geldspielgeräten die Elektronik aufkam, hatte ich dafür einen Monteur, während ich alles andere selbst machen konnte.

Von meinen Einkünften habe ich immer auch meine Schäfchen versorgt. Sie mußten neu eingekleidet werden, weil sie oft die Krätze hatten und man die Klamotten nicht mehr gebrauchen konnte. Einer hatte laufend vereiterte Beine, die sie ihm sogar abnehmen wollten, inzwischen ist er gestorben. So kam eben vieles zusammen, wo ich etwas unternehmen mußte. Wir sind nicht lange betteln gegangen und mußten nirgendwo Rechenschaft ablegen. Manchmal wäre das auch gar nicht möglich gewesen, weil es Leute waren, die hier noch illegal rumschwirrten und erst einmal legalisiert werden mußten. Da war es schon einfacher, daß ich mein eigenes Geld verwendet und alles ohne Behörden erledigt habe. Wenn wir dann reinen Tisch hatten, konnten wir an sie herantreten. Andernfalls hätten sie solche Menschen in den Knast oder in die Psychiatrie gesteckt.

SB: Gegenseitige Hilfe und Unabhängigkeit sind also wesentliche Momente bei eurer Arbeit?

FS: Ja, ich habe mir nie reinreden lassen. Wenn ich einen Fall übernommen habe, sagte ich dem Betroffen vor der Gerichtsverhandlung, du hältst jetzt den Mund. Was da drin zu krücken ist, das mache ich. Ich habe noch kein Gericht kennengelernt, bei dem alles so vonstatten geht, wie man es eigentlich erwarten sollte. Da muß man eben mitmachen, um bestehen zu können.

SB: Für gewöhnlich wird die Psychiatrie in der Gesellschaft ausgegrenzt und an den Rand gedrängt. Ist deiner Erfahrung nach im Laufe der letzten Jahre durch eure Arbeit das Interesse der Öffentlichkeit an diesem Problemfeld etwas gewachsen?

FS: Normalerweise habe ich mit der Öffentlichkeitsarbeit nicht allzu viel zu tun. Jetzt wird das allerdings akut, und ich bekomme sehr viel damit zu tun, weil ich zum Unterstützerkreis des Gustl Mollath gehöre. Wir rechnen bei der Justiz mit einer Fehlerquote von 30 Prozent. Ein extremes Beispiel war der Fall des Bauern Rudolf Rupp in Bayern, den seine Angehörigen angeblich getötet, zerhackt und die Stücke den Hunden zum Fraß vorgeworfen haben. Vor Gericht wurde dann sogar der Version Glauben geschenkt, Hunde könnten Menschenknochen nicht verschlingen, weshalb man diese an Schweine verfüttert habe. Die Angehörigen wurden aufgrund ihrer offenbar unter Druck zustandegekommenen und später erfolglos widerrufenen Aussagen verurteilt. Einige Jahre später fand man die skelettierte Leiche Rupps in einem aus der Donau geborgenen Auto.

Im großen und ganzen habe ich, wie gesagt, weniger mit der Öffentlichkeit zu tun als vielmehr den Patienten selbst, die sich bei mir melden. Oftmals nehme ich in der Folge dann auch mit den Anwälten und Angehörigen Kontakt auf. Außerdem gehöre ich dem Vorstand des Landesverbands der Psychiatrie-Erfahrenen an, und da kommen natürlich weitere Aufgaben auf mich zu, vor denen ich mich auch nicht drücken kann.

SB: Aufgrund deiner langjährigen Erfahrung weißt du in vielen Fällen, welche Wege man gehen kann, was man tun und lassen sollte?

FS: Man muß natürlich vorsichtig sein, und das betrifft auch meinen Kontakt mit den Insassen der Einrichtungen, deren Rechte ich durchzusetzen versuche. Man darf nicht vergessen, daß in forensischen Kliniken zahlreiche Menschen unter Umständen sterben, die man als ungeklärt bezeichnen muß. Wenn Patientinnen und Patienten in diesen Einrichtungen sterben, bekommt das die Öffentlichkeit so gut wie gar nicht mit. Hinzu kommt, daß das erste Jahr nach der Entlassung das gefährlichste ist, da die Mortalitätsquote um fast das Zehnfache höher als in der Normalbevölkerung ist. Diese Todesfälle werden jedoch offiziell nicht mehr der Psychiatrie zugerechnet.

Ich habe selbst einen Fall in Bayern miterlebt, bei dem eine Patientin regelrecht zu Tode gebracht wurde. Bei der betreffenden Forensik handelte es sich um einen privatisierten Betrieb. Wird wegen somatischer Erkrankungen ein entsprechend ausgebildeter Arzt benötigt, müssen die Patienten ins Krankenhaus gebracht werden, was aber offenbar aus Kostengründen unterlassen wird. Die Patientin befand sich 18 Monate auf der forensischen Station, und das Personal hat buchstäblich zugesehen, wie sie dahinsiechte. Als sie das Bett nicht mehr verlassen konnte, wurde ihr dreimal täglich das Essen gebracht. Erst wenige Stunden vor ihrem Tod wurde sie schnell ins Krankenhaus geschafft, damit sie nicht als Psychiatrietote registriert werden konnte. Mit kaum vorstellbarer Brutalität wurde diese Frau fast bis zum letzten Atemzug in dieser Einrichtung ohne angemessene ärztliche Hilfe festgehalten.

Da laufen Dinge ab, die man nur als Verbrechen bezeichnen kann, ohne daß sie strafrechtliche Konsequenzen hätten. Ich habe selbst des öfteren Meldung bei Staatsanwaltschaften gemacht, die jedoch der Sache entweder nicht nachgingen oder zuerst Rücksprache mit der betreffenden Anstalt hielten. Aufgrund meiner Kenntnisse und Informationen weiß ich, daß sich die Version der Anstaltsleitung im Zweifelsfall fast immer durchsetzt, selbst wenn sie den von verschiedenen Insassen berichteten Zuständen und Vorfällen eklatant widerspricht. Der zuständige Arzt kann beispielsweise von aggressivem Verhalten gegen Mitpatienten und Personal sprechen und entsprechende Eintragungen vornehmen, von denen die Patienten nichts wissen. Diese Eintragungen werden jedoch bei der richterlichen Anhörung verwendet, die einmal im Jahr stattfindet. Im Beschluß des Gerichts werden diese Quellen nicht angeführt, es heißt vielmehr nur, die Patientin oder der Patient sei nach wie vor gefährlich und könne deshalb nicht entlassen werden.

Ich war auch mit dem Fall eines Bauarbeiters in Recklinghausen befaßt, der abends sturzbetrunken mit 2,4 Promille nach Hause kam. Als er seine Nachbarin sah, wurde er zudringlich, hat ihr wohl auch an den Busen gefaßt und gesagt, er wolle noch ein bißchen mehr von ihr. Ihr Freund hat dann eine Anzeige erstattet, worauf der Bauarbeiter zu drei Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Der Bewährungshelfer sollte für räumliche Distanz sorgen, damit das nicht wieder vorkommt. Da sich der Bauarbeiter jedoch geweigert hat, seine Wohnung aufzugeben und umzuziehen, hat man seine Bewährung widerrufen und ihn letzten Endes fast 20 Jahre eingesperrt. Der wäre heute noch drin, wenn wir ihn nicht rausgeholt hätten. Ich habe erst nach mehr als 19 Jahren davon erfahren und mitveranlaßt, daß dieser Fall zum Bundesverfassungsgericht ging. Es gibt ja den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes. Dieser Mann muß also innerhalb seiner Unterbringungszeit jährlich neu kriminalisiert worden sein. Wäre es um das Busengrapschen gegangen, hätte man sagen können, da bleibt er eben sechs Monate drin, bis er es sich merkt. Aber daß er ein Vielfaches der ursprünglichen Strafe einsitzen mußte, erfahren Außenstehende in aller Regel nicht.

Mir ist ein Tagebuch zu Händen gekommen, das ein Patient 15 oder 16 Jahre heimlich geführt hat. Darin ist unter anderem auch von Todesfällen die Rede, nachdem man Insassen in eine Isolationszelle gesteckt und ihnen mitunter zuvor noch eine Spritze gegeben hat. Einige Stunden später wurden sie dann tot aufgefunden. Normalerweise müßte bei solchen Todesfällen eine Ermittlung eingeleitet werden, was aber offenbar so gut wie nie geschieht.

SB: Du bekommst viele furchtbare Geschichten mit, die dich sicherlich auch sehr belasten. Was hält dich aufrecht, diese Arbeit fortzusetzen?

FS: Die Kluft zwischen den Vorfällen, von denen ich erfahre, und der Version für die Öffentlichkeit. Hinzu kommt noch die Begutachtung, über die wir ja auch bei dieser Tagung hier in Essen gesprochen haben. Ich predige schon seit Jahren, daß es schlichtweg keine beweisbare psychiatrische Diagnose gibt. Inzwischen wurde der Diagnoseschlüssel erneut erweitert und umfaßt sehr viele Verhaltensweisen, die im Grunde auf jeden zutreffen. Wenn ich beispielsweise tagsüber und dann auch noch die ganze Nacht am Schreibtisch sitze, trinke ich mehr als fünf Tassen Kaffee. Und da ich nicht mehr so gesund wie früher bin, muß ich auch Tabletten nehmen. Wenngleich ich dabei Alkohol tunlichst meide, weil sich der mit Medikamenten und Müdigkeit ganz schlecht verträgt, bin ich unter Umständen schon ein Fall für die Psychiatrie. Wir haben jedenfalls von Diagnosen gehört, in denen praktisch nicht mehr stand als das, was auch ich in solchen Arbeitssituationen häufig mache.

Ein weiteres Problem in der Forensik sind Diebstähle seitens des Personals, die bis hin zu Briefmarken gehen. Letzteres dient insbesondere dazu, eine Briefzensur durchzusetzen. Bekannt wurde dies in einer bestimmten Anstalt, weil einerseits ein Gefangener aus einem anderen Gefängnis seinem Brief in diese Frauenanstalt Briefmarken beigelegt hatte, die verschwunden waren. Zum anderen besucht ein Pater ein- oder zweimal im Monat die Anstalt, wofür er in seiner Gemeinde zuvor auch Briefmarken sammelt, die er an der Pforte abgibt. Auch die haben die Abteilung nie erreicht.

Vor der richterlichen Anhörung, die über eine mögliche Entlassung entscheidet, werden Patientinnen und Patienten mitunter in Isolationszellen gesperrt. Der internationale Pakt bürgerlicher Rechte sagt im Artikel 14 Absatz 3b, der Untersuchungsgefangene - und das kann man auch auf solche Anhörungen übertragen - muß hinreichend Zeit und Gelegenheit haben, sich darauf vorzubereiten. Die können sich jedoch nicht vorbereiten, wenn sie vorher in die Isolationszelle gesperrt werden. Dann gibt es den § 136a der Strafprozeßordnung, in dem es heißt, daß vor Vernehmungen im Prozeß keine Mittel verabreicht werden dürfen, die das Denkvermögen beeinträchtigen. Wenn Insassen der Forensik dem Richter vorgeführt werden, sind sie jedoch nicht selten so zugeknallt mit Psychopharmaka, daß sie kaum ihren eigenen Namen aussprechen können. Weiter heißt es im Absatz drei dieses Paragraphen sogar, daß selbst bei Zustimmung des Betroffenen zur Einnahme solcher beeinträchtigender Medikamente die Aussage nicht verwertet werden darf. Daß hier also ein absolutes Verwertungsverbot ausgesprochen wird, scheint die betreffenden Richter nicht im geringsten zu stören.

Es gibt eine Studie aus den USA, die an rund 1300 Leuten vorgenommen wurde, die im Schnitt mehr als vierzehn Jahre in einer der hiesigen Sicherheitsverwahrung entsprechenden Langzeithaft gesessen hatten. Sie wurden alle entlassen, nachdem in einem Fall ein Formfehler im Prozeß erfolgreich geltend gemacht worden war. Diese ehemaligen Gefängnisinsassen wurden fünf Jahre lang unter Beobachtung gestellt, da man davon ausging, daß es sich um besonders gefährliche Personen handle, die den ganzen Bundesstaat durcheinanderbringen würden. Bis auf ein Tötungsdelikt ist jedoch so gut wie gar nichts passiert. Lediglich 41 Leute aus diesem Kreis wurden auffällig, wobei es überwiegend um Verstöße gegen die Auflage ging, keinen Alkohol zu trinken. Da die allermeisten nicht rückfällig wurden, kann man davon ausgehen, daß ihre frühere Langzeithaft das Resultat einer mehr als fragwürdigen Begutachtung war.

In einem lesenswerten Artikel hat der Spiegel über den Fall des Frank Schmökel berichtet, der im Laufe seiner diversen Sicherheitsverwahrungen, Ausbrüche und weiteren Straftaten von insgesamt acht oder neun verschiedenen Gutachtern eingestuft wurde. Das erste und das letzte dieser genannten Gutachten stammte von seinem Anstaltsleiter, weshalb die beiden gleichlautend sind. Ansonsten aber gleicht keine gutachterliche Diagnose der anderen, was darauf schließen läßt, daß die Gutachter offenbar nicht einmal die Akte sorgfältig gelesen und voneinander abgeschrieben haben. Ich gönne keinem, in Sicherheitsverwahrung einzusitzen, aber dieser Schmökel ist ein derart übler Bursche, daß er zu den ein oder zwei Prozent gehört, die dort wirklich besser aufgehoben sind. Wesentlich erscheint mir aber dabei zu sein, daß allenfalls ein Gutachten zutreffend sein kann, wenn man dieses Verfahren an seinem eigenen Anspruch mißt, eine fundierte und angemessene Diagnose zu stellen. Alle anderen Diagnosen müßten demzufolge falsch sein, und das bei Gutachtern, die vereidigt worden sind. Das eröffnet einen Blick in Abgründe mutmaßlicher Straftatbestände im Umgang mit Insassen der forensischen Psychiatrie, von denen die Öffentlichkeit entweder nichts weiß oder nichts wissen will.

SB: Fritz, vielen Dank für dieses aufschlußreiche Gespräch.

Grafitti 'Scheiß Verein' und Blick auf Einkaufszentrum - Foto: © 2013 by Schattenblick

Gesellschaftliches Sein und schöner Schein - Einkaufspalast Limbecker Platz in Essen
Foto: © 2013 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] http://www.psychiatrie-erfahrene-nrw.de/


Bisherige Beiträge zur Konferenz "Psychiatrie ohne Zwang - Was ist das?" im Schattenblick unter
www.schattenblick.de → INFOPOOL → PANNWITZBLICK → REPORT:

BERICHT/003: Ohnmacht, Zwang und Psychiatrie - Keine Fesseln und Gewalt (SB)
BERICHT/004: Ohnmacht, Zwang und Psychiatrie - Unfixiert und nicht allein (SB)
BERICHT/005: Ohnmacht, Zwang und Psychiatrie - Faule Kompromisse? (SB)
BERICHT/006: Ohnmacht, Zwang und Psychiatrie - Herrschaft, Brüche, Pharmafessel (SB)
INTERVIEW/004: Ohnmacht, Zwang und Psychiatrie - Geschlossene Gesellschaft, Dr. David Schneider-Addae-Mensah im Gespräch (SB)
INTERVIEW/008: Ohnmacht, Zwang und Psychiatrie - Langsam von der Leine lassen, Dr. Piet Westdijk im Gespräch (SB)
INTERVIEW/009: Ohnmacht, Zwang und Psychiatrie - "Und weil der Mensch ein Mensch ist ...", Kathrin Vogler im Gespräch (SB)

9. März 2014