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BUNDESTAG/3098: Heute im Bundestag Nr. 103 - 01.03.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 103
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 1. März 2012 Redaktionsschluss: 10:30 Uhr


1. Historiker sprechen sich für Erforschung von NS-Kontinuitäten aus
2. Linksfraktion fordert Preiskontrollen für Kraftstoffe
3. Die Linke will deutsche-namibische Parlamentariergruppe einrichten
4. Im Bundestag notiert: Finanzhilfen für Griechenland


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1. Historiker sprechen sich für Erforschung von NS-Kontinuitäten aus

Ausschuss für Kultur und Medien (Anhörung)

Berlin: (hib/AW) Führende deutsche Historiker haben sich für die weitere Erforschung von Kontinuitäten und Brüchen zwischen der Zeit des Nationalsozialismus und dem Nachkriegsdeutschland ausgesprochen. Zugleich wandten sie sich jedoch mehrheitlich gegen einen umfassenden Auftrag durch die Bundesregierung zur Erforschung von personellen Kontinuitäten in allen in Bundesministerien und Behörden. Die Historiker waren am Mittwoch vom Kulturausschuss zu einer öffentlichen Anhörung geladen worden.

Grundlage für das Expertengespräch waren zum einen zwei weitgehend gleichlautende Anträge der SPD (17/6297) und von Bündnis 90/Die Grünen (17/6318), in denen die Fraktionen die Regierung auffordern, die personellen und institutionellen Kontinuitäten in den Ministerien und Behörden von der NS-Zeit bis in die Nachkriegszeit von unabhängigen Historikern untersuchen zu lassen und die Forschungsergebnisse zu veröffentlichen. In einem weiteren Antrag sprechen sich die Grünen (17/4696) für die Veröffentlichung einer entsprechenden Studie aus dem Jahr 2007 aus, die im Auftrag des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz angefertigt aber nicht veröffentlicht worden war.

Den Nutzen einer flächendeckenden Darstellung personeller Kontinuitäten stellten der ehemalige Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in Berlin und München, Horst Möller, Michael Stolleis vom Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main, Klaus-Dietmar Henke von der technischen Universität Dresden und Constantin Goschler von der Ruhr-Universität Bochum in Frage. Es sei zwar richtig, dass eine solche umfassende Untersuchung nicht existiere, räumte Möller ein. Der "gigantische Aufwand", den eine solche Untersuchung erfordere, stehe aber in keinem Verhältnis zu dem zu erwartenden Ergebnis. Stolleis bezeichnete einen solchen Auftrag an die Forschung als "keinen glücklichen Weg". Auch Henke sprach sich gegen diese Form der "Fliegenbeinzählerei" aus, um herauszufinden, welcher Beamter in einem Ministerium Mitglied der NSDAP gewesen sei oder nicht. Es sei bekannt und unbestritten, dass der Anteil ehemaliger Parteimitglieder in der westdeutschen Ministerialbürokratie sehr hoch gewesen sei. Der Wissenschaftler betonte, es müsse vielmehr darum gehen, zu erforschen, wie es der zweiten Demokratie auf deutschem Boden trotz des "Leichengeruchs des Nationalsozialismus" gelang, zu einem "Erfolgsmodell" zu werden. Dies wäre auch wünschenswert, um die Identität einer geglückten Demokratie zu stärken.

Der Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik hingegen sprach sich deutlich für eine umfassende Untersuchung für alle Ministerien und Behörden aus, wie es das Außenministerium mit der viel gelobten Studie "Das Amt" getan habe. Er stimmt Henke zu, dass dies zu einer Vertiefung des demokratischen Ethos in den Ministerien und Behörden führen könne. Brumlik macht sich für die Schaffung einer Stabsstelle im Bildungs- und Forschungsministerium aus, um die Forschungsergebnisse zu bündeln und zu publizieren.

Einigkeit herrschte zwischen den Experten darüber, dass die Zeit des Nationalsozialismus zu den am besten erforschten Perioden des 20. Jahrhunderts gehört. Auch die Erforschung des Umgangs mit der NS-Diktatur in Staat und Gesellschaft im Nachkriegsdeutschland könne als weit fortgeschritten bezeichnet werden. Allerdings müsse zwischen der historischen Aufarbeitung in der Bundesrepublik und der DDR unterschieden werden. Während in der Bundesrepublik die Erforschung erst zögerlich in Gang gekommen aber seit Mitte der 1960er Jahre massiv betrieben worden sei, habe in der DDR die Selbststilisierung als "antifaschistischer" Staat einer solchen Forschung entgegen gestanden.


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2. Linksfraktion fordert Preiskontrollen für Kraftstoffe

Wirtschaft und Technologie/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Fraktion Die Linke will die Preiserhöhungswelle an den Tankstellen stoppen lassen. Dazu soll eine gesetzliche Benzinpreiskontrolle eingeführt werden, fordert die Fraktion in einem Antrag (17/8786), der am Freitag auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages steht.

Die Bundesregierung soll nach den Wünschen der Fraktion einen Gesetzentwurf vorlegen, der eine Genehmigungspflicht von Preiserhöhungen durch die Bundesnetzagentur vorsieht. Mit einem weiteren Gesetzentwurf soll die Bundesregierung eine Entflechtung der Mineralölkonzerne und der Öl-Oligopole einschließlich Raffinerien ermöglichen.

Zur Begründung verweist die Linksfraktion darauf, dass in Deutschland kein ausreichendes flächendeckendes öffentliches Nahverkehrsnetz bestehe, das dem Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung gerecht werde. Der rasante Preisanstieg bei Kraftstoffen sei nicht steigender Nachfrage geschuldet. Die Nachfrage sei wegen der weltweit nachlassenden Konjunktur sogar rückläufig. Eigentlich müssten die Rohölpreise sinken.

Als eigentliche Gründe für die steigenden Preise nennt die Fraktion unter Verweis auf Experten spekulative Geschäfte von Banken und Fonds an Terminmärkten. Hinzu kämen faktische Preisabsprachen der marktbeherrschenden Oligopole. "Preissprünge an den Tankstellen von bis zu zehn Cent nach oben und unten innerhalb weniger Stunden lassen sich nicht mit realen Kosten, sondern nur mit Spekulation erklären", schreibt die Linksfraktion.


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3. Die Linke will deutsche-namibische Parlamentariergruppe einrichten

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/BOB) Die Fraktion Die Linke will eine deutsche-namibische Parlamentariergruppe einrichten, um der besonderen Rolle Namibias infolge der historischen und moralischen Verantwortung und der damit einhergehenden Sonderbeziehung beider Länder gerecht zu werden. Dies schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (17/8767), der am Donnerstag auf der Tagesordnung des Plenums steht. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert ihrer besonderen historischen Verantwortung gerecht zu werden und anzuerkennen, dass es sich bei dem "Vernichtungskrieg" gegen die Herero, Nama und andere Volksgruppen in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika um einen Völkermord handelte. Sie müsse einen "würdigen und diplomatisch angemessenen Rahmen" für die Rückführung der geraubten menschlichen Überreste aus ehemaligen deutschen Kolonien und Überseegebieten schaffen, schreibt Die Linke weiter.


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4. Im Bundestag notiert: Finanzhilfen für Griechenland

Haushalt/Unterrichtung

Berlin: (hib/MIK) Die Bundesregierung hat das vorläufige Troika-Update zur griechischen Schuldentragfähigkeit und zur öffentlichen Finanzierung der Finanzhilfen für Griechenland als Unterrichtung (17/8735) vorgelegt. Dabei geht es vor allem um die Maßnahmen zur Beteiligung des öffentlichen und des privaten Sektors. Der Schuldenschnitt für den Privatsektor belaufe sich demnach auf 53,3 Prozent.


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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 103 - 1. März 2012 - 10:30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2012