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BUNDESTAG/3190: Heute im Bundestag Nr. 195 - 23.04.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 195
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 23. April 2012 Redaktionsschluss: 15:40 Uhr

1.‍ ‍Lob und Tadel für geplantes Entgeltsystem für psychiatrische Einrichtungen
2.‍ ‍Sachverständige verlangen höhere Zuschüsse für KWK-Anlagen
3.‍ ‍Grüne wollen Auskunft über die Weiterentwicklung der Chemikalienverordnung REACH
4.‍ ‍Bundesregierung kann Ansteigen von Tierversuchen durch REACH nicht erkennen
5.‍ ‍Bundesregierung: Bis 2020 über eine Million Wärmepumpen in Deutschland
6.‍ ‍"Geringe Renten sind kein Indiz für geringe Gesamteinkommen im Alter"



1. Lob und Tadel für geplantes Entgeltsystem für psychiatrische Einrichtungen

Ausschuss für Gesundheit (Anhörung)

Berlin: (hib/MPI) Die Pläne der Bundesregierung zu einem neuen Entgeltsystem für psychiatrische und psychosomatische Einrichtungen schaffen nach Auffassung der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) die Chance zu einer leistungsgerechteren Vergütung und zu mehr Transparenz bei der Behandlung. "Die Möglichkeiten sind da, deshalb begrüßen wir den Gesetzentwurf", sagte BPtK-Präsident Professor Rainer Richter am Montag in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses. Der Psychiater und ehemalige ärztliche Leiter des Klinikums Bremen Ost, Professor Peter Kruckenberg, äußerte die Befürchtung, dass die Versorgung psychisch Kranker mit dem Gesetz schlechter und die Kosten "nachhaltig höher" würden. Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/8986) sollen künftig die voll- und teilstationäre Behandlung psychisch kranker Menschen nicht mehr krankenhausindividuell vereinbart, sondern nach bundeseinheitlichen Entgelten vergütet werden.

Erklärtes Ziel des Regierungsentwurfs ist "ein leistungsorientiertes und pauschalierendes Entgeltsystem" in psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen. Das neue Entgeltsystem soll den Angaben zufolge mit einer vierjährigen Einführungsphase (budgetneutrale Phase) und einer fünfjährigen Überführungsphase (Konvergenzphase) bis zum Jahr 2022 eingeführt werden. In den Jahren 2013‍ ‍und 2014 können laut Gesetzentwurf die psychiatrischen und psychosomatischen Einrichtungen das neue Entgeltsystem freiwillig einführen. Mit der langen Umstellungsphase werde den Einrichtungen ausreichend Zeit gegeben, sich auf die künftige Veränderung ihres Erlösbudgets einzustellen, heißt es in der Vorlage.

Kruckenberg sagte, schwer psychisch Kranke benötigten eine "sehr individuelle therapeutische Begleitung". Dem trage der Gesetzentwurf nicht ausreichend Rechnung. Auch der Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP), Professor Jörg M. Fegert, äußerte Bedenken. Gerade in der besonders personalintensiven Kinder- und Jugendpsychiatrie sei es "unabdingbar", dass die personelle Ausstattung in den Einrichtungen auch bei der Überführung in ein neues System gesichert werde. Der Gesundheitsexperte der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Herbert Weisbrod-Frey, bemängelte, dass die sektorenübergreifende Behandlung nicht konsequenter ausgebaut werde. "Gute Versorgung darf es nicht nur in Modellprojekten geben", betonte Weisbrod-Frey.

Der Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Georg Baum, sagte, seine Organisation trage die geplante Reform unter der Voraussetzung mit, "dass keine finanziellen Ressourcen verloren gehen". Aus Sicht des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung ein "wichtiger Schritt". Gleichwohl sagte der Vertreter des GKV-Spitzenverbandes, Wulf-Dietrich Leber, "eigentlich könnte vieles schneller gehen". Zugleich lobte Leber, dass die Regierung Modellprojekte ermöglichen wolle.

Der Anhörung lagen zudem Anträge der Fraktionen Die Linke (17/5119) und Bündnis 90/Die Grünen (17/9169) zugrunde. Die Linksfraktion spricht sich in ihrem Antrag für eine ergebnisoffene Prüfung der Fallpauschalen in Krankenhäusern aus. Die Abgeordneten fordern, zur Überprüfung der diagnosebezogenen Fallgruppen (englisch Diagnosis Related Groups, kurz: DRG) einen eigenen Sachverständigenrat einzusetzen. Dieser solle unter anderem die Qualität der Versorgung sowie Art und Umfang von Leistungsverlagerungen untersuchen. Die Interessen der Patienten sowie der Krankenhaus-Beschäftigten sollten bei der Evaluation im Mittelpunkt stehen. Nach dem Willen der Grünen soll die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf in einer Reihe von Punkten ändern beziehungsweise ergänzen. So soll laut Antrag etwa im Verfahren zur Einführung eines neuen Entgeltsystems den fachspezifischen Anforderungen und regionalen Besonderheiten der Kinder- und Jugendpsychiatrie Rechnung getragen werden.

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2. Sachverständige verlangen höhere Zuschüsse für KWK-Anlagen

Wirtschaft und Technologie (Anhörung)

Berlin: (hib/HLE) Verbände und Unternehmen der Energiewirtschaft haben eine stärkere Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung verlangt. So erklärte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zur Novelle des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes am Montag, eine Erhöhung der Zuschläge für alle neu installierten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) sei notwendig, um das "sehr ambitionierte Ziel von 25 Prozent KWK-Strom an der Gesamtstromerzeugung bis 2020 zu erreichen".

Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (17/8801) sieht zwar eine Erhöhung der Zuschläge auf den Strompreis für KWK-Anlagen vor, die ab 2013 den Betrieb aufnehmen. Die im Gesetzentwurf vorgesehene Anhebung in Höhe von 0,3 Cent je Kilowattstunde ausschließlich für Anlagen, die dem Emissionszertifikatehandel unterliegen, sei nicht ausreichend, erklärte der BDEW. Die Wirtschaftlichkeit von KWK-Anlagen werde besser dargestellt als sie in Wirklichkeit sei. Allerdings würden die Deckungsbeiträge (Strompreise, Wärmeerlöse) in der Realität geringer ausfallen als angenommen, die Gaspreise dagegen höher.

Der Verband der industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) beklagte, es werde immer schwieriger, die Wirtschaftlichkeit von KWK-Anlagen darzustellen. Deshalb sei es auch nicht zu einer Ausschöpfung des KWK-Fördertopfes gekommen. Statt vorgesehener 750 Millionen Euro seien zuletzt nur 250 Millionen Euro in Anspruch genommen worden. Die zunehmende Einspeisung erneuerbarer Energien wirke sich durch eine Verschiebung der Einsatzreihenfolge nachteilig für KWK-Anlagen aus, die ein Sinken erzielbarer Preise und von Einsatzzeiten hinzunehmen hätten. Daher sprach sich auch der VIK für eine Erhöhung der Zuschläge auf 0,5 Cent aus.

Ähnlich argumentierte der Verband kommunaler Unternehmen (VKU), der die Stadtwerke vertritt. Die Auslastung von KWK-Anlagen werde aufgrund der zunehmenden Einspeisung von erneuerbaren Energien sinken. Der Energieeffizienzverband für Wärme, Kälte und KWK e.V. (AGFW) wies darauf hin, dass der Strommarkt mit seinen niedrigen Deckungsbeiträgen derzeit Investitionen in Kraftwerke verhindere. Daher müssten die Zuschläge erhöht werden, zumal auch Preise und Kosten im Anlagenbau deutlich gestiegen seien. Der Energieversorger E.ON erwartet fast kein Wachstum bei der Errichtung neuer KWK-Anlagen, da sich die Rahmenbedingungen für Investitionen in konventionelle Energieerzeugung und auch die KWK verschlechtert hätten. Ähnlich äußerten sich der Chemiepark-Betreiber Currenta und der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung.

Der Energiekonzern Vattenfall sprach sich für eine bessere Förderung von Wärmespeichern aus. Dadurch könne die KWK-Stromproduktion von der KWK-Wärmenachfrage entkoppelt werden. Die absolute Förderbegrenzung auf fünf Millionen Euro je Speicherprojekt sollte entweder auf zehn Millionen Euro erhöht oder sogar ganz aufgehoben werden.

Pessimistisch beurteilte Felix Matthes vom Öko-Institut (Berlin) in seiner Stellungnahme die Erwartungen der Bundesregierung. Das Ziel eines Stromerzeugungsanteils von 25 Prozent für die Kraft-Wärme-Kopplung werde unter den bisherigen Rahmenbedingen nicht erreicht werden können. "Selbst ein Anteil von 20 Prozent erscheint ohne weitere Flankierungen nur unter sehr optimistischen Annahmen als erreichbar", erklärte Matthes. Die Bedeutung besonders kleiner KWK-Anlagen stellte der Stromanbieter "Lichtblick" heraus. Sogenannte Mini-KWK bis 50 Kilowattstunden elektrischer Leistung könnten miteinander zu virtuellen Kraftwerken vernetzt werden. Dank dezentraler Einspeisung des KWK-Stroms könnten die Stromnetze entlastet und die Netzausbaukosten deutlich reduziert werden.

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3. Grüne wollen Auskunft über die Weiterentwicklung der Chemikalienverordnung REACH

Umwelt/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AS) Bündnis 90/Die Grünen halten eine Weiterentwicklung der Chemikalienverordnung REACH für notwendig. Die Verordnung regelt seit 2007 europaweit die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe. Die Abgeordneten möchten daher von der Bundesregierung wissen, ob sie derzeit konkrete Umsetzungsdefizite bei REACH sieht und wenn ja, welche Maßnahmen sie plant, um diese Defizite abzubauen. In der Kleinen Anfrage (17/9259) fragen die Grünen zudem danach, ob das Umweltbundesamt mit ausreichenden personellen und finanziellen Kapazitäten ausgestattet sei, um die Aufgaben bei der Registrierung der Chemikalien unter REACH mit höchster Qualität durchführen zu können.

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4. Bundesregierung kann Ansteigen von Tierversuchen durch REACH nicht erkennen

Umwelt/Antwort

Berlin: (hib/AS) Die Bundesregierung kann keine Auskunft darüber geben, ob sich infolge der REACH-Verordnung die Zahl der Tierversuche in der Europäischen Union erhöht hat. Die REACH-Verordnung regelt seit 2007‍ ‍die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe.

In der Antwort der Bundesregierung (17/9020) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/8852) erläutert die Regierung, dass die Europäische Kommission zwar statistische Daten über Versuchstiere erhebe und alle drei Jahre publiziere, es gebe aber keine Erfassung der infolge der REACH-Verordnung verwendeten Tiere. Nach den neusten statistischen Berichten der EU-Kommission sei jedoch festzustellen, dass diese "bislang" nicht erkennbar angestiegen seien.

Der Europäischen Chemikalienagentur ECHA lägen jedoch Angaben über 1849‍ ‍neue Tierversuche vor, die als Referenzjahr 2009 angeben. Die Agentur geht davon aus, dass solche Studien nach 2009 für Versuche im Rahmen von REACH durchgeführt werden.

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5. Bundesregierung: Bis 2020 über eine Million Wärmepumpen in Deutschland

Umwelt/Antwort

Berlin: (hib/AS) Die Bundesumweltministerium geht davon aus, dass der Bestand an Wärmepumpen in Deutschland bis 2020 auf 1,1 Millionen steigen könnte. Diese Zahlen nennt die Bundesregierung in einer Antwort (17/9214) auf eine Kleine Anfrage (17/8974) der Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Wärmepumpen wandeln Wärme aus dem Erdreich, der Luft und dem Grundwasser mit elektrischer Energie in Warmwasser, Heizwärme und Kühlung um. Nicht alle Wärmepumpen weisen aber denselben Wirkungsgrad auf. Nach Angaben der Bundesregierung gibt es in ihrem Energiekonzept "keine expliziten Ziele für Wärmepumpen". Langfristig könnten sie jedoch einen wichtigen Beitrag leisten, um die Erneuerbaren-Energie-Ziele zu erreichen.

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6. "Geringe Renten sind kein Indiz für geringe Gesamteinkommen im Alter"

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/BOB) Geringe Renten sind kein Indiz für geringe Gesamteinkommen im Alter. Darauf weist die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/9117) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/8928) hin. Die Nettogesamteinkommen von Rentnerhaushalten lägen deutlich über den durchschnittlichen Renten. Alleinstehende Männer verfügten im Alter im Durchschnitt über rund 1.451 Euro monatlich, bei alleinstehenden Frauen seien es rund 1.188 Euro. Rentnerehepaaren stehe durchschnittlich ein Nettogesamteinkommen von rund 2.248 Euro im Monat zu Verfügung. Tatsächlich liege der Anteil der Bevölkerung im Alter ab 65 Jahren, der Leistungen der Grundsicherung beziehe, nur bei knapp 2,5 Prozent. Rund 16,4 Millionen Menschen in dieser Altersgruppe- das seien rund 97,5 Prozent - sei nicht bedürftig.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 195 - 23. April 2012 - 15:40 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2012