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BUNDESTAG/3287: Heute im Bundestag Nr. 292 - 13.06.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 292
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 13. Juni 2012 Redaktionsschluss: 12:00 Uhr

1. Steuerabkommen mit Mauritius und Taiwan gebilligt
2. Oppositionsanträge zur Teilhabe von Behinderten abgelehnt
3. Linke scheitert mit deutscher Abrüstungsinitiative zum "Erdgipfel" Rio+20
4. Bessere Datengrundlage für die Versorgungsforschung gefordert



1. Steuerabkommen mit Mauritius und Taiwan gebilligt

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss hat am Mittwoch zwei internationalen Steuerabkommen zugestimmt. So billigte der Ausschuss das zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Mauritius geschlossene Abkommen zur Vermeidung von Doppelbesteuerung und Steuerverkürzung, das die Bundesregierung als Gesetzentwurf (17/9689) vorgelegt hatte. Nach Angaben der Regierung entspricht das Doppelbesteuerungsabkommen mit Mauritius im Wesentlichen dem von der OECD vorgelegten Musterabkommen.

Auch Doppelbesteuerungen im Verhältnis zu Taiwan sollen in Zukunft vermieden. werden. Dem von der Bundesregierung als Gesetzentwurf (17/9690) eingebrachten Abkommen stimmte der Finanzausschuss ebenfalls zu. "Da die Bundesrepublik Deutschland nie einen souveränen Staat auf Taiwan anerkannt hat, wurde dieses Abkommen nicht als völkerrechtlicher Vertrag abgeschlossen", erläuterte die Bundesregierung. Das Abkommen sei vielmehr vom Leiter der Taipeh-Vertretung in Deutschland und vom Leiter des Deutschen Instituts in Taipeh unterzeichnet worden. Dies entspreche dem Verfahren, das auch andere westliche Staaten im Verhältnis zu Taiwan praktizieren würden.

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2. Oppositionsanträge zur Teilhabe von Behinderten abgelehnt

Ausschuss für Arbeit und Soziales

Berlin: (hib/TYH) In Sachen Behindertenpolitik besteht grundsätzlich Einigkeit zwischen den Fraktionen. Zu diesem Schluss kam der Ausschuss für Arbeit und Soziales bei seiner Sitzung am Mittwochvormittag. Dennoch scheiterten vier Oppositionsanträge zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung an den Stimmen der Koalitionsfraktionen, die sie mit Hinweis auf zum Teil "unrealistische Forderungen" zurückwiesen. Die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatten je einen Antrag (17/7942, 17/7951) vorgelegt, die Fraktion Die Linke zwei (17/7872, 17/7889). Am Donnerstagabend wird sich auch das Plenum erneut mit Behindertenpolitik beschäftigen. Grundlage ist ein weiterer Antrag der Linksfraktion (17/9758), der in erster Lesung beraten wird.

Die SPD-Fraktion wertete die Fülle der Anträge als "gutes Zeichen für eine inklusive Gesellschaft" und kündigte weitere Initiativen an. Ihr vorliegender Antrag sei "nur der erste Aufschlag". Besonders wichtig sei unter anderem die Verankerung der Eingliederungshilfe aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) im SGB IX. Dies führe weg vom Fürsorgesystem der Sozialhilfe, betonte die Fraktion. Zudem müsse ein Bundesteilhabegeld auf seine Durchsetzbarkeit geprüft, Servicestellen gestärkt und Arbeitsassistenz gefördert werden. "Die Arbeitslosigkeit von Schwerbehinderten ist nach wie vor hoch", kritisierte die SPD-Fraktion.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen forderte in ihrem Antrag, das SBG IX "im Sinne des Selbstbestimmungsrechts der Menschen mit Behinderung" weiterzuentwickeln. Das Gesetz müsse gestärkt werden, da oft anderen Sozialgesetzbüchern Vorrang eingeräumt werde, begründeten die Abgeordneten im Ausschuss ihren Vorstoß. Es müsse klargestellt werden, dass das SGB IX das übergeordnete Rechtsbuch sei.

Das Plenum habe den Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention nicht vorgelegt bekommen, kritisierte die Linksfraktion. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales habe sich lediglich im Rahmen einer Selbstbefassung damit beschäftigen können. Mit den vorliegenden Anträgen will Die Linke der Kampagne der Bundesregierung "'Behindern ist heilbar' Taten folgen lassen". Unter anderem forderte sie ein Teilhabesicherungsgesetz, dessen Leistungen ihren Vorstellungen nach einkommens- und vermögensunabhängig ausgezahlt werden sollen.

Ein solches Gesetz würde Kosten in Höhe von 12,5 Milliarden Euro erzeugen, kritisierte die CDU/CSU-Fraktion. Es entstünden erhebliche Umsetzungsprobleme. Zudem wies sie darauf hin, dass der Nationale Aktionsplan ein Programm und kein Gesetz sei. "Jeder Einzelne ist gefragt, sich damit auseinanderzusetzen und zur Umsetzung in seinem Bereich beizutragen." Daher seien nicht neue Appelle, sondern gemeinsame Anstrengungen zielführend.

"Wir haben uns realistische Ziele gesetzt und keine unerfüllbaren Versprechen gemacht", fand auch die FDP-Fraktion. So soll das SGB IX überprüft und gegebenenfalls nachgebessert werden. Es existiere eine Lücke zwischen Umsetzung und Intention des Gesetzes. Die Forderungen der Fraktion Die Linke wies die FDP jedoch als "unrealistisch" zurück. Man dürfe die Finanzierung nicht aus den Augen verlieren.

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3. Linke scheitert mit deutscher Abrüstungsinitiative zum "Erdgipfel" Rio+20

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Berlin: (hib/AHE) Die Linksfraktion ist mit ihrer Initiative zu "globaler Gerechtigkeit statt grünem Kapitalismus" gescheitert. Der Antrag (17/9732) fand am Mittwoch im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gegen die Stimmen der Koalition und bei Enthaltung der SPD-Fraktion keine Mehrheit.

Die Abgeordneten hatten unter anderem von der Bundesregierung gefordert, bei der UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung in Rio de Janeiro in der kommenden Woche für eine "umfassende Abrüstungsinitiative" und eine "Umwidmung von Rüstungsetats zugunsten der Bekämpfung von Hunger und Armut" einzutreten. Außerdem plädiert die Linksfraktion für eine "radikale Veränderung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem "globalen Norden und dem globalen Süden" und fordert unter anderem Änderungen bei geplanten Freihandels- und Handelsabkommen, ein Ende von Agrarsubventionen der Industriestaaten sowie einen "umfassenden Schuldenerlass".

Eine Vertreterin der Linksfraktion sagte im Ausschuss, dass mit dem Konzept der "Green Economy" die Ideen des ersten Weltgipfels von 1992 in Rio de Janeiro "auf den Kopf gestellt" würden. Hinter dem Begriff stecke nichts anderes als das Konzept einer "neoliberalen Globalisierung", das Umwelttechnologien instrumentalisiere und nur die Erschließung neuer Märkte im Blick habe.

Vertreter der Koalitionsfraktionen warfen den Antragsstellern Schwarzmalerei vor: Der Antrag sei ideologisch gefärbt und er berücksichtige auch nicht, was seit 1992 erreicht wurde - etwa bei der Armutsbekämpfung, beim Zugang zu sauberem Wasser und beim Ausbau der erneuerbaren Energien, sagte ein Vertreter der FDP-Fraktion. Ein Sprecher der Unionsfraktion verwies auf einen gemeinsamen Antrag der Koalitionsfraktionen und der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen (17/7182): Darin sei die Bundesregierung bereits im September 2011 unter anderem aufgefordert worden, in Rio für ein nachhaltiges Wachstum, für die Ernährungssicherheit und die Stärkung der UN-Organisationen einzutreten.

Eine Vertreterin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sagte: "Der Kapitalismus wird nicht besser indem man ihn grün anstreicht". Der Begriff bleibe unscharf, wenn er nicht "sozial, ökologisch und geschlechtergerecht" definiert werde. Trotz "linker Kampfrhetorik" kündigte sie für ihre Fraktion an, dem Antrag der Linksfraktion zuzustimmen.

Die Sozialdemokraten begründete ihre Enthaltung mit dem Verweis auf einen eigenen Antrag ihrer Fraktion und der Grünen (17/9922), der am morgigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Plenums steht. Darin würden unter anderem detaillierte Vorschläge zur Armutsbekämpfung, zum Klimaschutz und zur Weiterentwicklung der Millennium-Ziele der Vereinten Nationen gemacht.

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4. Bessere Datengrundlage für die Versorgungsforschung gefordert

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Berlin: (hib/ROL) In der Versorgungsforschung herrschen in Deutschland große Defizite. Darin waren sich alle Experten einig, die am Mittwochvormittag in das Berliner Paul-Löbe-Haus zum Öffentlichen Fachgespräch "Perspektiven der Versorgungsforschung" auf Einladung des Bildungs- und Forschungsausschusses gekommen waren. Versorgungsforschung ist die wissenschaftliche Untersuchung der Versorgung der Bevölkerung in der alltäglichen Kranken- und Gesundheitsforschung. Die Versorgungsforschung untersucht, wie Finanzierungssysteme, aber auch soziale und individuelle Faktoren, Organisationsstrukturen etwa von Krankenhäusern die Gesundheit und das Wohl des Patienten beeinflussen.

Die Experten bemängelten vor allem die mangelnde Datenlage zur Versorgungsforschung. Mattias Beckmann vom Universitätsklinikum Erlangen sagte. "Wie will man Volkskrankheiten erforschen, wenn man keine Datengrundlage hat?" Der Experte für Mamakarzinome machte das an einem Beispiel deutlich: Bei einer Patientin mit Mamakarzinombefund würden in Deutschland in zehn Jahren etwa 476 Mal Daten erhoben, allerdings von zwölf verschiedenen Systemen, die nicht zueinander kompatibel seien. Beckmann sagte: "Die Erhebung von Daten ist derzeit vielfältig, unkoordiniert und ineffektiv. Jede Gruppierung im Gesundheitssystem hat ihre eigene Zielsetzung."

Holger Pfaff, vom Zentrum der Versorgungsforschung Köln pflichtete dem bei und forderte zudem die Stärkung der Wissenschaftler in den Universitätsfächern wie etwa der Verhaltenstherapie, die diese Daten dann auch brauchbar auswerten können. Er plädierte für die Schaffung von eigenen Versorgungslehrstühlen an den Universitäten, damit das Fach eine "eigene Identität" entwickeln könnte. Zudem forderte er, ein nationales Zentrum für Versorgungsforschung zu schaffen, das die Aufgabe haben soll, die Versorgungsforschung national zu fördern.

Wichtig war den Experten die Finanzierung, zu der sich auch insbesondere Birgit Babitsch von der Universität Osnabrück äußerte. Sie bemängelte zudem, dass es kaum Forschung zu den Gesundheitsfachberufen gebe.

Michael Ewers von der Berliner Charité ging in diesem Zusammenhang vor allem auf die Pflegeberufe ein, die "zumeist als unspektakuläre und alltagsnahe Dienstleistung und nicht eben selten hinter verschlossenen Türen abläuft". Daher ließe sich die Bedeutung für das Gesamtergebnis der Gesundheitsforschung derzeit nicht ausreichend verifizieren. Ewers sagte: "Man muss fragen, welche Potentiale haben diese Berufe komplementär zur Medizin?"

Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen machte neben der mangelnden Datenerhebung auf die Politikfolgenforschung aufmerksam. Dabei kritisierte er, dass trotz vieler Reformen im Gesundheitssystem die Veränderungen kaum evaluiert worden seien.

Martin Scherer vom Universitätsklinikum Eppendorf machte auf Probleme in der Allgemeinmedizin aufmerksam, die vor allem im ländlichen Raum entstünden. "Die Auffassungen, mit welchen Maßnahmen die allgemeinmedizinische Versorgung in der Zukunft sicherzustellen sind, sind ausgesprochen heterogen." Er forderte daher eine allgemeinmedizinische Versorgungsforschung, die stärker als bisher von der Praxis dominiert ist.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 292 - 13. Juni 2012 - 12:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2012