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BUNDESTAG/3436: Heute im Bundestag Nr. 441 - 15.10.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 441
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 15. Oktober 2012 Redaktionsschluss: 16:00 Uhr

1. BMJ-Staatssekretär Stadler: Vorratsdatenspeicherung ist grundrechtswidrig
2. Bewaffnete Sicherheitskräfte auf Handelsschiffen nur mit Zulassung
3. Internetcafés sollen ohne Erlaubnis betrieben werden dürfen
4. Linksfraktion fordert Recht auf Zulassung zum Studium
5. Bundesregierung: Pflanzenschutz- und Chemikaliengesetz regeln Bekämpfung des Prozessionsspinners
6. Bündnis 90/Die Grünen verlangen Auskunft zu Bürokratiekosten beim BAföG
7. Im Bundestag notiert: GCC-Security Conference



1. BMJ-Staatssekretär Stadler: Vorratsdatenspeicherung ist grundrechtswidrig

Petitionsausschuss

Berlin: (hib/HAU) Im Bundesjustizministerium (BMJ) hält man die Vorratsdatenspeicherung für grundrechtswidrig. Das bestätigte der Parlamentarische Staatssekretär Max Stadler (FDP) während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montagnachmittag. "Genauso wie die Ministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bin auch ich persönlich der Meinung, dass eine Vorratsdatenspeicherung grundrechtswidrig ist", sagte Stadler und wies daraufhin, dass das BMJ ein "grundrechtsschonenderes Verfahren" vorgeschlagen habe. Stadler räumte zugleich ein, dass der Abstimmungsprozess innerhalb der Bundesregierung in dieser Frage nicht abgeschlossen sei. Solange dies nicht der Fall ist, werde es auch keine Gesetzesvorlage geben, machte der Staatssekretär vor dem Ausschuss deutlich.

Anlass der Diskussion war eine öffentliche Petition des Petenten Kai-Uwe Steffens aus Winsen in Niedersachsen aus dem Jahr 2011, die insgesamt 65.656 Unterstützer gefunden hatte und damit die am stärksten mitgezeichnete Eingabe im vergangenen Jahr war. In seiner Eingabe hatte sich der Petent gegen die Umsetzung einer EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen und zugleich die Bundesregierung aufgefordert, sich für eine Aufhebung der entsprechenden EU-Richtlinie und für ein europaweites Verbot der Vorratsdatenspeicherung einzusetzen. Vor den Abgeordneten sagte Steffens, man sollte bei dem Gesetzgebungsverfahren innehalten bis eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vorliegt, ob die Vorratsdatenspeicherung mit den europäischen Grundrechten vereinbar sei. Sollte es eine Bestätigung der Richtlinie geben, so der Petent weiter, sollte Deutschland mit Verweis auf seine nationalen Besonderheiten eine Umsetzung ablehnen. Zur Begründung verwies er darauf, dass es sich um einen, wie vom Bundesverfassungsgericht bestätigt, erheblichen Eingriff in die Grundrechte handle. Zudem sei der Nutzwert der Speicherung bei der Bekämpfung der Kriminalität nicht nachgewiesen. Dazu bedürfe es einer vollständigen Speicherung aller Daten auf Dauer. "Diesen Endausbau will aber hoffentlich niemand", sagte Steffens und kam zu dem Fazit: "Der Weg der Vorratsdatenspeicherung führt in eine Sackgasse."

Auch Max Stadler verwies auf Studien, wonach ohne Vorratsdatenspeicherung "keine Schutzlücken erkennbar sind". Gleichzeitig räumte er ein, dass das Datenmaterial für die Studien schmal gewesen sei. "In Einzelfällen", so Stadler, sei die Vorratsdatenspeicherung bei der Aufklärung nützlich gewesen. Es sei aber fraglich, ob dies eine Rechtfertigung für den erheblichen Eingriff in die Grundrechte sei. Aus Sicht des Bundesinnenministeriums (BMI) handelt es sich keineswegs nur um Einzelfälle, wie ein BMI-Vertreter betonte. Es gebe eine ganze Reihe von Belegen im Bereich der Internetkriminalität und der Kinderpornografie, wo die Ermittlungen ins Leere gingen, weil die Provider die Internetadressen nicht mehr speichern würden. Das Bundeskriminalamt habe zudem "sehr eindrucksvoll ausgeführt", welche weiteren Ermittlungsansätze im NSU-Komplex bestanden hätten, würden die Verbindungsdaten aus der Zeit vor dem Bekanntwerden des NSU-Vorgangs noch zur Verfügung stehen, sagte der Ministeriumsvertreter. Was die Vorgänge innerhalb der Bundesregierung angeht, so bestätigte er die Sicht Stadlers. Es gebe unterschiedliche Ansichten, also werde "weiter diskutiert".

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2. Bewaffnete Sicherheitskräfte auf Handelsschiffen nur mit Zulassung

Wirtschaft und Technologie/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Auf deutschen Handelsschiffen dürfen in Zukunft bewaffnete Sicherheitskräfte eingesetzt werden, wenn die Sicherheitsunternehmen eine Zulassung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle haben. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Zulassungsverfahrens für Bewachungsfirmen auf Seeschiffen (17/10960) will die Bundesregierung einen Beitrag zur Bekämpfung der Piraterie leisten. Die in den vergangenen Jahren weltweit stark gestiegene Piraterie stelle eine massive Bedrohung für Leib und Leben der Seeleute dar und verursache erhebliche wirtschaftliche Schäden, heißt es in dem Entwurf. Zu den Maßnahmen gegen Piraterie gehöre auch die Beauftragung von Sicherheitsunternehmen. "Bislang wurde noch kein Schiff, das bewaffnete Sicherheitskräfte an Bord hatte, entführt", schreibt die Bundesregierung in dem Entwurf. Daher würden immer mehr Reeder in Hochrisikogebieten Schutzteams von Bewachungsunternehmen einsetzen, die ihren Sitz meist im Ausland hätten. Nach Angaben der Bundesregierung ist Deutschland weltweit die zweitgrößte Handelsnation und besitzt die drittgrößte Handelsflotte.

Für die Zulassung müssen Bewachungsunternehmen einige Voraussetzungen erfüllen. So müssen sie sicherstellen, "dass im Rahmen der Bewachungsaufgaben auf Seeschiffen nur Personen eingesetzt werden, die über die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügen, die persönlich geeignet und zuverlässig sind". Außerdem müssen sie über maritime und technische Kenntnisse verfügen, Gefahrensituationen erkennen und einschätzen können, Deeskalationstechniken beherrschen sowie Kenntnisse im Bereich Brandbekämpfung haben. Es werden allerdings keine Unterrichts- und Sachkundenachweise des eingesetzten Personals verlangt. "Vielmehr muss der Antragsteller darlegen, dass das von ihm eingesetzte Bewachungspersonal über die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse verfügt und persönlich geeignet und zuverlässig ist", schreibt die Regierung.

Der Bundesrat verlangt in seiner Stellungnahme einige Änderungen unter anderem an dem Zertifizierungsverfahren für Bewachungsunternehmen. Die Bundesregierung sichert in ihrer Gegenäußerung die Prüfung der Vorschläge zu.

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3. Internetcafés sollen ohne Erlaubnis betrieben werden dürfen

Wirtschaft und Technologie/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Spielhallen, in denen nur Unterhaltungsspielgeräte ohne Gewinnmöglichkeit betrieben werden, sollen in Zukunft ohne Erlaubnis betrieben werden dürfen. Dies sieht der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung und anderer Gesetze (17/10961) vor. Die Regelung betrifft vor allem Internetcafés. Der Gesetzentwurf bündelt zudem mehrere Änderungen der Gewerbeordnung und enthält redaktionelle Folgeänderungen zu anderen Gesetzen. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme eine Reihe von Änderungen vorgeschlagen, denen die Bundesregierung zum Teil zustimmt.

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4. Linksfraktion fordert Recht auf Zulassung zum Studium

Bildung und Forschung/Antrag

Berlin: (hib/ROL) Die Fraktion Die Linke fordert die Bundesregierung auf, ein Bundeshochschulzulassungsgesetz auf den Weg zu bringen. Erneut würden im kommenden Wintersemester mehr Studenten an die Hochschulen drängen, als eigentlich aufgenommen werden könnten, heißt es in einem Antrag der Fraktion (17/10861). Verstärkt werde dieses Problem in diesem Jahr noch durch die Aussetzung der Wehrpflicht und die doppelten Abiturjahrgänge. Viele Bewerber, so befürchtet die Linke, werden abgewiesen werden.

Dem Bundeshochschulzulassungsgesetz soll aus Sicht der Abgeordneten der Gedanke vorangestellt werden, dass ein Studium ein Bildungsrecht ist. Es solle kein Privileg für Wenige sein. Zulassungs- und Zugangsbeschränkungen müssten überwunden werden. Für grundständige Studiengänge sollen jegliche Zugangsvoraussetzungen über die Studienberechtigung hinaus entfallen. Nach Vorstellung der Fraktion muss das Recht auf einen Masterstudienplatz sichergestellt werden, zusätzliche Zugangsvoraussetzungen neben dem Bachelor sollen ausgeschlossen werden. Die Vergabeverfahren von Studienplätzen müssten transparent und gebührenfrei sein.

Es bestehe ein weitaus größerer Bedarf an zusätzlichen Studienplätzen als die Kultusministerkonferenz (KMK) für die erste und zweite Phase des Hochschulpaktes prognostiziert hat, heißt es im Antrag weiter. So sei die Zahl der Erstsemester in Deutschland in der ersten Phase des Hochschulpaktes stetig gewachsen. Für die bereits laufende zweite Phase des Hochschulpaktes muss laut Linksfraktion von über 568.000 zusätzlichen Studienanfängern ausgegangen werden. Seitens der KMK wurde die Zahl von zu erwartenden Studienanfängern im Januar 2012 zwar auf 357.000 zusätzliche Erstsemester nach oben korrigiert - was aber nach Ansicht der Linken immer noch zu wenig ist. In den kommenden fünf Jahren würden mehr als 200.000 Studienplätze für Studienanfänger fehlen, schreibt die Fraktion in ihrem Antrag.

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5. Bundesregierung: Pflanzenschutz- und Chemikaliengesetz regeln Bekämpfung des Prozessionsspinners

Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz/Antwort

Berlin: (hib/EIS) Die Entscheidung darüber, welche rechtlichen Regeln bei einem Einsatz von Insektiziden gegen den Eichenprozessionsspinner gelten, richtet sich danach, ob eine Bekämpfungsmaßnahme zum Zweck des Pflanzenschutzes oder des Gesundheitsschutzes durchgeführt wird. Das geht aus einer Antwort (17/10765) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (17/10610) der Fraktion Die Linke hervor. Danach seien zum Beispiel Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln mit Luftfahrzeugen im Pflanzenschutzgesetz vom 6. Februar 2012 geregelt. Das Biozid-Recht müsse hingegen im Rahmen der Bekämpfung des Schädlings zum Zweck des Gesundheitsschutzes angewendet werden. Die in solchen Fällen geltenden Vorschriften schreibe das Chemikaliengesetz vor.

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6. Bündnis 90/Die Grünen verlangen Auskunft zu Bürokratiekosten beim BAföG

Bildung und Forschung/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/ROL) Die Bürokratiekosten bei der Bearbeitung von Anträgen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) sind Gegenstand einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/10913). Abgesehen von der pauschalen Berechnung des Mietkostenzuschusses und dem Verzicht auf den Sprachnachweis beim Auslands-BAföG seien zahlreiche Vorschläge des Normenkontrollrats zur Entbürokratisierung bisher nicht aufgegriffen worden, schreiben die Abgeordneten. Studenten, die eine Ausbildungsförderung beantragen wollen, müssten sich durch eine Vielzahl schwer verständlicher Formulare und umfassender Nachweispflichten kämpfen.

Die Fraktion will von der Bundesregierung unter anderem wissen, wie hoch die durchschnittlichen Bürokratiekosten bei der Bearbeitung eines BAföG-Antrags in den jeweiligen Bundesländern sind. Ferner interessiert die Fraktion, wie sich die Bürokratiekosten für das BAföG zwischen 2000 und 2012 entwickelt haben und um welchen Betrag die durchschnittlichen Kosten pro Antrag mittelfristig sinken sollen. Außerdem fragt sie, wie die Bundesregierung zum Vorschlag des Normenkontrollrates steht, Krankenkassenbeiträge pauschal anzurechnen, damit Erbringung und Prüfung des Krankenversicherungsnachweises entfallen.

Die BAföG-Bürokratie führe nicht nur dazu, dass BAföG-Ämter laut des Normenkontrollrates bis zu einem halben Jahr brauchen, um die Anträge zu bearbeiten, sie verursache auch hohe Kosten, schreiben die Abgeordneten. Eine Anfrage der baden-württembergischen Landtagsfraktion der Grünen habe ergeben, dass sich der bürokratische Aufwand für das BAföG in Baden-Württemberg 2002 auf 11,2 Millionen Euro belief.

In ihrer Anfrage zitiert die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen das Fazit des Normenkontrollrates vom Juli: "Der Normenkontrollrat erwartet, dass noch bis zum Ende dieser Legislaturperiode eine weitere Novellierung des BAföG erfolgt und die begrüßenswerten Arbeiten von Bund und Ländern an der überfälligen Neufassung der BAföG-Verwaltungsvorschriften abgeschlossen werden. Erforderlich sind darüber hinaus weitere Schritte auf dem Weg zu einer bundesweiten Einführung eines elektronisch gestützten BAföG-Antragsverfahrens in allen Bundesländern." Daher sei es notwendig, Inhalt und Zeitplan der Bundesregierung zur Entbürokratisierung des BAföG zu erfahren.

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7. Im Bundestag notiert: GCC-Security Conference

Wirtschaft und Technologie/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Die Anbahnung von Rüstungsgeschäften sei nicht das Anliegen der "1st German - GCC-Security Conference" Ende September in Düsseldorf gewesen, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (17/10763) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/10608). Ziel der Konferenz, an der Regierungs- und Industrievertreter aus der Bundesrepublik Deutschland und den Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrates (GCC) teilnahmen, sei die Unterrichtung von Repräsentanten öffentlicher und privater Institutionen in der Golfregion "über Kooperationsmöglichkeiten mit deutschen Firmen im Bereich ziviler Sicherheitstechnologien in Kombination mit einem Meinungsaustausch mit deutschen Unternehmen" gewesen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 441 - 15. Oktober 2012 - 16:00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2012