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BUNDESTAG/3536: Heute im Bundestag Nr. 541 - 26.11.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 541
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 26. November 2012 Redaktionsschluss: 15:55 Uhr

1. Diskussion um Altersgrenze bei Beschneidung des männlichen Kindes
2. Übereinstimmung bei Forderung nach ständigem Internet-Ausschuss
3. Öffentlichen Anhörung zum Kooperationsverbot in der Bildung
4. Regierung will die Innenentwicklung in Städten und Gemeinden stärken
5. Im Bundestag notiert: 923 politisch rechts motivierte Straftaten



1. Diskussion um Altersgrenze bei Beschneidung des männlichen Kindes

Rechtsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/) Die Altersgrenze bei der Beschneidung des männlichen Kindes wird unter Experten kontrovers diskutiert. In einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am Montagnachmittag legten elf Sachverständige ihre Positionen dar. Im Zentrum standen ein Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/11295) und eine von 66 Abgeordneten der Oppositionsfraktionen unterzeichnete Gesetzesinitiative (17/11430). Während die Regierung auch die Beschneidung von Neugeborenen erlauben will, fordert der Gruppenantrag, diese erst nach Vollendung des 14. Lebensjahres zu legalisieren.

Die Gruppe der Sachverständigen bestand aus vier Medizinern, fünf Juristen, einem Vertreter des Zentralrats der Juden, Stephan J. Kramer, sowie einem Vertreters des Zentralrats der Muslime, Aiman A. Mazyek, in Deutschland. Allein die beiden Vertreter der Religionsgemeinschaften waren gleicher Meinung. Sie sprachen sich für die Beschneidung bei Neugeborenen und somit den Regierungsentwurf aus. Sie argumentierten, dass es in ihren Religionen Tradition sei, die Beschneidung am 7. bzw. am 8. Tag nach der Geburt vorzunehmen. Die Beschneidung sei "kein Akt der Folter", sagte Kramer, sondern ein "Initiationsritual zur Aufnahme in eine Religionsgemeinschaft". Das entspreche dem Kindeswohl, denn Kinder hätten ein Recht auf Religionsausübung, erklärte er. Das Beschneidungs-Urteil des Landgerichts Köln, das die öffentliche Debatte um die Beschneidung ausgelöst hatte, sei "bemerkenswert unjuristisch", sagte Mazyek. Es erwecke den Eindruck, jüdische und muslimische Eltern würden sich weniger um das Wohl ihrer Kinder sorgen als andere. Die Beschneidung des männlichen Kindes gehöre zu den muslimischen Pflichten. Deshalb begrüße er den Regierungsentwurf, der zur Rechtssicherheit beitrage.

Die Mediziner hingegen waren geteilter Meinung. Oliver Hakenberg, Direktor der Urologischen Universität Rostock, erklärte, die Vorhaut sei "kein überflüssiges Körperteil". Andernfalls hätte sie die Evolution nicht überstanden. Die Behauptung, dass die Beschneidung medizinisch sinnvoll sei, sei "nicht tragbar". Wer dies trotzdem behauptet, will seiner Meinung nach an dieser verdienen und habe ein "wirtschaftliches Interesse".

Die Bamberger Ärztin Antje Yael Deusel erklärte, dass sie nicht nur als Medizinerin, sondern auch als Rabbinerin spreche. Sie sagte, dass die Beschneidung "kein archaischer Ritus" sei, sondern immer nach dem aktuellen Stand der Medizin durchgeführt werde. Deusel sprach sich in diesem Kontext für eine zertifizierte Ausbildung der "Mohalim", wie die Beschneider heißen, aus. Die Beschneidung eines Jungen erst nach dem vollendeten 14. Lebensjahr vorzunehmen, könnte traumatisch für ihn sein. In diesem Alter komme die Beschneidung eher einer Mutprobe oder einem Männlichkeitsritual gleich. Außerdem, argumentierte Deusel, würde dann die "Bar Mitzwa", das Fest zur Erlangung der religiösen Mündigkeit, vor die Beschneidung, die "Brit Mila" fallen. Aber die "Brit Mila" sei für die "Bar Mitzwa" notwendig.

Die geladenen juristischen Experten waren sich einig, dass infolge des Kölner Urteils eine schnelle gesetzliche Regelung nötig sei. Hans Michael Heinig, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht der Universität Göttingen, sprach sich für den Regierungsentwurf aus. Und Siegfried Willutzki, Direktor des Amtsgerichts Brühl a.D., sagte, die Beschneidung erst ab der Vollendung des 14. Lebensjahres zu erlauben, sei ein Eingriff in das Elternrecht.

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2. Übereinstimmung bei Forderung nach ständigem Internet-Ausschuss

Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft"

Berlin: (hib/HAU) Der Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" soll in der kommenden Legislaturperiode ein gleichnamiger ständiger Ausschuss folgen. Bei dieser Forderung, die in den Handlungsempfehlungen der Projektgruppe "Demokratie und Staat" enthalten ist, herrschte unter den Mitgliedern der Enquete-Kommission während der Sitzung am Montagnachmittag Einigkeit. Es gehe darum, das Thema weiter zu bündeln und sichtbar zu machen, "dass sich der Bundestag damit strukturell auseinandersetzt", sagte Konstantin von Notz (Bündnis 90/Die Grünen), Vorsitzender der Projektgruppe, zur Begründung. "Wir brauchen den Ausschuss, damit die Empfehlungen der Enquete-Kommission in die Tagespolitik umgesetzt werden", ergänzte Jimmy Schulz (FDP), der zugleich das Arbeitsklima der Projektgruppe lobte und dabei den "Zug zum Konsens hervorhob. Diesem Lob schloss sich auch Ansgar Heveling (CDU) an. Die Arbeit sei "auf den Konsens orientiert gewesen", sagt er. Dass es dennoch unterschiedliche Schlussfolgerungen gebe, sei ganz natürlich. Halina Wawzyniak (Die Linke) stellte fest, dass auch für Außenstehende der Stand der Arbeit bei der Projektgruppe "gut nachvollziehbar" gewesen sei.

Projektgruppenleiter von Notz zeigte sich besonders erfreut darüber, dass man sich auch in der Frage der Anonymität auf ein gemeinsames Fazit habe einigen können. In der Bestandsaufnahme wird darauf verwiesen, dass die anonyme oder pseudonyme Nutzung des Internets "essentiell" für die freie Meinungsäußerung in einer digital vernetzten Demokratie sei. "Das ist eine wegweisende Feststellung", urteilte der Abgeordnete der Grünen.

Neben den Übereinstimmungen bei der Bestandsaufnahme, dem Bericht zur Bürgerbeteiligung und weiten Teilen der Handlungsempfehlungen habe es aber auch Bereiche gegeben, in denen es keine Einigung innerhalb der Projektgruppe gegeben habe, sagte von Notz. Das gelte vor allem für die Bereiche Informationsfreiheit und Open Data. Im Falle der Informationsfreiheit bestehe der Dissens in der Frage, ob die Nichtveröffentlichung durch Behörden begründet werden müsse oder die Forderung nach Veröffentlichung durch die Bürger.

In den mit der Koalitionsmehrheit verabschiedeten Empfehlungen wird dafür plädiert, "vorliegende Vorschläge für Verbesserungen sorgfältig zu prüfen und auszuwerten". Die Opposition will in dieser Frage weiter gehen. "Wir sprechen uns hier für einen Paradigmenwechsel hin zu einer proaktiven Veröffentlichungspflicht aus", stellte der von Notz klar. Zugleich sollten seiner Ansicht nach Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages nach Ablauf von sechs Monaten unter freie Lizenz gestellt werden.

Die Forderung der Grünen, der Informationsfreiheit Verfassungsrang zuzubilligen, stieß bei dem von der SPD nominierten Sachverständige Professor Wolfgang Schulz auf Bedenken. Zwar teile er grundsätzlich das Anliegen. "Das Ganze sollte aber vorher nochmal in die Prüfschleife", befand Schulz. Für den Paradigmenwechsel bei der Informationsfreiheit sprach sich auch Gerold Reichenbach (SPD) aus. Es dürfe nicht an dem alten "obrigkeitsstaatlichen Grundsatz" festgehalten werden, dass begründet werden muss, "wenn man dem Bürger etwas mitteilt statt wenn man ihm etwas nicht mitteilt".

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3. Öffentlichen Anhörung zum Kooperationsverbot in der Bildung

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Berlin: (hib/ROL) Das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern in der Bildung ist Gegenstand einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Bildung und Forschung am Mittwoch, 28.11.2012, von 9.30 Uhr bis circa 13.00 Uhr im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus im Anhörungssaal 3.101.

Grundlage der Anhörung ist unter anderem ein Gesetzentwurf (17/10956), mit dem die Bundesregierung die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten für eine Kooperation von Bund und Ländern im Wissenschaftsbereich erweitern möchte. Der Gesetzesentwurf sieht eine Änderung des Grundgesetzartikels 91b vor, um auch die institutionelle Förderung von Hochschulen durch den Bund zu ermöglichen. Bislang können Bund und Länder an Hochschulen nur thematisch und zeitlich begrenzt "Vorhaben der Wissenschaft und Forschung" gemeinsam fördern. Die Erweiterung der Kooperationsmöglichkeiten schafft nach Ansicht der Bundesregierung ein Instrument, "mit dem bei Wahrung der föderalen Kompetenzordnung langfristig und nachhaltig eine stärkere Leistungsfähigkeit der Hochschulen sowohl im nationalen als auch und internationalen Kontext gefördert werden kann". Der Anhörung liegen zudem sechs Anträge der Fraktionen von SPD (17/8455), Die Linke (17/785; 17/6094) und Bündnis 90/Die Grünen (17/1984; 17/8902; 17/9565) zugrunde.

Als Sachverständige sind geladen: Doris Ahnen (Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur in Rheinland-Pfalz), Marianne Demmer (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft), Max-Emanuel Geis (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg), Uwe Lübking (Deutscher Städte- und Gemeindebunde), Wolfgang Marquardt (Wissenschaftsrat), Jan-Hendrik Olbertz (Humboldt-Universität zu Berlin), Klaus Ritgen (Deutscher Landkreistag) sowie Margrit Seckelmann (Deutsches Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung Speyer).

Interessierte Besucher können sich beim Sekretariat des Ausschusses (Telefon: 030/227-32861, Fax: 030/227-36845, E-Mail: bildungundforschung@bundestag.de unter Angabe des Vor- und Zunamens sowie des Geburtsdatums anmelden. Zur Sitzung muss ein Personaldokument mitgebracht werden.

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4. Regierung will die Innenentwicklung in Städten und Gemeinden stärken

Verkehr und Bau/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/MIK) Die Bundesregierung will die Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden stärken. Dazu hat sie einen Gesetzentwurf (17/11468) vorgelegt, der am Donnerstag erstmals im Bundestag beraten wird.

Um die Innenentwicklung zu stärken, werden in dem Gesetzentwurf unter anderem die Steuerungsmöglichkeiten für die Ansiedlung von Vergnügungsstätten präzisiert und die Möglichkeit zur Darstellung zentraler Versorgungsbereiche im Flächennutzungsplan ausdrücklich benannt. In der Baunutzungsverordnung sollen flexiblere Regelungen zur weiteren Stärkung der Innenentwicklung von Städten und Gemeinden eingeführt werden. Kindertagesstätten sollen in reinen Wohngebieten in einer den Bedürfnissen der Bewohner des Gebietes angemessenen Größenordnung künftig allgemein zulässig sein, heißt es in dem Gesetzentwurf. Darüberhinaus soll eine Regelung für gewerbliche Tierhaltungsanlagen aufgenommen und der Begünstigungstatbestand zur Unterstützung des Strukturwandels in der Landwirtschaft maßvoll erweitert werden.

Innenstädte und Ortskerne sind Schlüsselfaktoren für die Stadtentwicklung, heißt es zur Begründung. Sie seien für die Identifikation der Bürger in ihren Städten und Gemeinden unverzichtbar. Umstrukturierungsprozesse könnten jedoch die Funktionsfähigkeit dieser Zentren zunehmend gefährden. Es sei daher ein Ziel der Städtebaupolitik des Bundes, die Innenentwicklung in den Städten und Gemeinden zu stärken. Dabei gehe es zum einem darum, die Neuinanspruchnahme von Flächen auf der "Grünen Wiese" weitestgehend zu vermeiden. Die Innenentwicklung habe zum anderen eine qualitative Dimension, die darauf ziele, die Urbanität und die Attraktivität von Städten und Gemeinden auch in baukultureller Hinsicht zu wahren und zu stärken.

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5. Im Bundestag notiert: 923 politisch rechts motivierte Straftaten

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Im September dieses Jahres sind in Deutschland vorläufigen Zahlen zufolge 48 Menschen infolge politisch rechts motivierter Straftaten verletzt worden. Wie aus der Antwort der Bundesregierung (17/11340) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (17/11128) weiter hervorgeht, wurden für September 2012 insgesamt 923 politisch rechts motivierte Straftaten gemeldet, darunter 43 Gewalttaten und 636 Propagandadelikte. Zu den 923 Straftaten seien insgesamt 368 Tatverdächtige, davon 339 männlich, ermittelt sowie elf Personen, darunter zehn Männer, vorläufig festgenommen worden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 541 - 26. November 2012 - 15:55 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. November 2012