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BUNDESTAG/4646: Heute im Bundestag Nr. 511 - 13.10.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 511
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 13. Oktober 2014, Redaktionsschluss: 17.35 Uhr

1. Änderungswünsche beim Elterngeld Plus
2. Anhörung zur Spitzensport-Förderung



1. Änderungswünsche beim Elterngeld Plus

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Berlin: (hib/AW) Experten fordern trotz prinzipieller Zustimmung Nachbesserungen am geplanten Elterngeld Plus. Der Familienausschuss hörte am Montag acht Sachverständige zum entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/2583, 18/2625) an.

Unterschiedliche Auffassungen bestehen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen in der Frage, ab welcher Betriebsgröße Arbeitnehmern eine Elternzeit mit gleichzeitiger Teilzeitbeschäftigung zustehen soll. Christina Raab von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände argumentierte, dass kleine und mittlere Betriebe durch die geplante Ausweitung der Elternzeit besonders stark belastet würden. Die geplante Grenze von 15 Beschäftigten sei deshalb kritisch zu bewerten. Für Betriebe dieser Größe sei es sehr schwierig, entsprechenden Ersatz für die ausfallende Arbeitskraft zu finden. Auch die geplante Möglichkeit, die Elternzeit zukünftig in drei Zeitabschnitte zu unterteilen, lehnte die BDA-Vertreterin ab. Für Betriebe bis zu einer Größe von 50 Beschäftigten müsse ein Überforderungsschutz eingezogen werden.

Dieser Auffassung widersprach Anja Weustheuff vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Durch die 15-Beschäftigten-Grenze würden schon jetzt viele Eltern von der Elternzeit ausgegrenzt. Gerade Frauen seien überdurchschnittlich stark im Dienstleistungsgewerbe beschäftigt. Dieser Branche sei aber sehr stark von kleineren Betrieben geprägt. Noch engere Grenzen bei der Betriebsgröße würden noch mehr Eltern von den Möglichkeiten einer flexibleren Elternzeit ausgrenzen. Dies könne aber nicht im Sinne des Gesetzes sein. Auch der Arbeitsrechtler Gerrit Forst von der Freien Universität Berlin widersprach dem Standpunkt des BDA. Die flexibleren Möglichkeiten, Elternzeit und Teilzeitarbeit zu kombinieren, käme auch den Betrieben zu Gute. Letztlich würden Betriebe dadurch profitieren, weil sich zum einen das Betriebsklima und somit auch die Produktivität ihrer Arbeitnehmer verbessern. Zum anderen werde durch die flexibleren Teilzeitmöglichkeiten die Gefahr minimiert, dass ein Elternteil ein Beschäftigungsverhältnis ganz beendet.

Änderungen am Gesetzentwurf wünscht sich auch der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (Vamv). Alleinerziehende mit Kindern unter drei Jahren seien im Durchschnitt 7,8 Wochenstunden erwerbstätig. Der Korridor von 25 bis 30 Wochenstunden für eine Teilzeitbeschäftigung während der Elterngeldbezuges sei deshalb eine faktisch zu hohe Hürde, sagte die Vamv-Vertreterin Edith Schwab. Dies kritisierten auch die Sozial- und Familienexpertin Maria Wersig von der Hochschule Hannover und Gerrit Forst. Der Stundenkorridor für eine Teilzeitbeschäftigung sei zu restriktiv.

Kritisch wird vom Familienbund der Katholiken angesehen, dass Mehrlingsgeburten bei der Höhe des Elterngeldes zukünftig nicht mehr berücksichtigt würden. Die geplante Regelung, dass es keine Zulage mehr bei der Geburt von Mehrlingen geben soll, ignoriere, dass Eltern von Zwillingen oder Drillingen finanziell aber auch bei zeitlich viel stärker gefordert seien.

Für die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände forderte deren Vertreterin Regina Offer eine Erstattung der zusätzlichen Kosten, die der erhöhte Beratungsaufwand für die Elterngeldstellen in den Kommunen mit sich bringen würde. Die gesetzlichen Regelungen des geplanten Elterngeld Plus würden in Beratungsgesprächen deutlich mehr Zeit erfordern, um für die Eltern die individuell beste Lösung zu finden. Dies würde gegebenenfalls mehr Personal in den Beratungsstellen erfordern. Diese zusätzlichen Kosten könnten aber nicht von den Kommunen getragen werden, sagte Offer.

Der Soziologe Hans Bertram von der Humboldt-Universität Berlin gab zu bedenken, dass die Elternzeit- und Elterngeld-Modelle vor allem von Eltern mit ähnlichen und vergleichsweise guten Einkommen bevorzugt würden. Es sei deshalb fraglich, ob Elterngeld und Elternzeit der beste Weg sei, um Familie und Berufsleben verstärkt partnerschaftlich zu organisieren. Man müsse sich überlegen, ob die Einführung einer Grundsicherung für Kinder nicht der erfolgversprechendere Ansatz sei. Dies werde auch den sehr unterschiedlichen Familienmodellen gerechter.

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2. Anhörung zur Spitzensport-Förderung

Sportausschuss

Berlin: (hib/ROL) Zur Förderung des Spitzensports werden von den meisten Experten klarere Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten gefordert. Das wurde bei der öffentlichen Anhörung "Neue Strukturen für die Spitzenförderung" am Montagnachmittag im Sportausschuss des Bundestages deutlich.

Christoph Niessen, Vorstandsvorsitzender des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen sagte: "Der Spitzensport muss auf eine vertragliche Grundlage gestellt werden." Er benötige ein gesamtes Ziel, dem sich der gesamte Spitzensport verpflichtet sehe. Niessen trat auch dafür ein, einen klar anzustrebenden Medaillenspiegel zu definieren. Spitzensport funktioniere wie ein Unternehmen. Es müsse wettbewerblich gedacht werden, es müssten messbare Ziele gesetzt werden. Auch ging er auf das sogenannte Bund-Länder-Abkommen ein, bei dem keine klaren Zuständigkeiten für die Athleten definiert seien. Dazu äußerte sich im späteren Verlauf der Anhörung auch der Direktor Leistungssport des DOSB, Bernhard Schwank: "An den Förderstrukturen, die wir in Deutschland haben, kann man sich nicht orientieren." Es müsse für Trainer und Verbände eine klare langfristige Planungssicherheit geben. Das ginge nur, wenn sich die unterschiedlichen Finanzgeber und Organisationen darauf verständigen, was und wie man genau fördern will. Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes sagte zum Thema Messbarkeit: "Im Leistungssport gibt es ein Kriterium für den Erfolg und das ist der Erfolg." Die Zahl der erreichten Medaillen sei das Entscheidende bei Olympischen Spielen oder einer Weltmeisterschaft. Allerdings heiße das nicht, dass man die Förderung nur an der Zahl der Medaillen ausrichten dürfe.

Die Gesamtaktivensprecherin des Deutschen Behindertensportverbandes, Manuela Schmermund, stimmte in Vielem zu. Sie kritisierte, dass die Unterstützung, die der Athlet im Umfeld bräuchte - seien es Trainer oder finanzielle Mittel - mehr zum Sportler kommen müsse, als dass dieser sich selbst darum kümmere. Schließlich müsste der Sportler ja zusätzlich auch noch häufig seinen Lebensunterhalt verdienen.

Arndt Pfützner, Direktor des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT), plädierte zur Förderung des Nachwuchsleistungssports, bei dem die wissenschaftliche Begleitung besonders schlecht sei, für die Einführung eines Fonds. Ein Fonds könnte ein hilfreiches Mittel sein, um die Zuständigkeit von Kommunen, verschiedenen Bundesländern und dem Bund zu erleichtern und zu bündeln. "Ein Athlet denkt nicht in Landesgrenzen", sagt er vor dem Ausschuss. Auch Joachim Mester von der Sporthochschule Köln trat für einen Fonds ein, da die Verbände so mehr Planungssicherheit erhielten. Er konzedierte, dass es 25 Jahre nach dem Mauerfall nicht gelungen sei, die Systeme DRR und BRD miteinander wirklich erfolggarantierend zu verzahnen.

Christian Breuer, Vertreter der Athleten im Präsidium des DOSB, schlug vor, dass die Olympiastützpunkte zusätzlich zu der üblichen Betreuung weitere "Kernaufgaben" übernehmen sollten.

Wolfgang Maier, Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes, fand deutliche Worte: "Deutschland ist abgedrängt gehört nicht mehr zu den Topnationen." Es sei zudem nicht zuträglich, wenn man schon unterbesetzt und unterfinanziert irgendwo hinfahre und dann noch zu hören bekäme: Falls man sich nicht unter die ersten Acht platziere, würde es in Zukunft noch weniger Geld geben. Der Journalist Daniel Drepper plädierte insgesamt für ein transparenteres System. Das schaffe Akzeptanz in der Öffentlichkeit.

Eine völlig andere Sportförderung verfolgt Großbritannien. Elisabeth Nicholl, CEO UK Sports, beschrieb, dass für Spitzensport in Großbritannien im Jahr ein Milliarde Pfund zur Verfügung stünde. Ausgegeben würde das Geld aber nur für Sportarten die auch "medaillienträchtig" seien. Nicholl sagte: "Die Sportler wissen, es ist ein Privileg und kein Recht, gefordert zu werden." Sie nannte es einen Vorteil, dass im britischen System alles klar definiert sei.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 511 - 13. Oktober 2014 - 17.35 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Oktober 2014