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BUNDESTAG/4695: Heute im Bundestag Nr. 560 - 05.11.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 560
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 05. November 2014, Redaktionsschluss: 16.30 Uhr

1. Koaliton lobt Erfolge in den neuen Ländern
2. Experten hinterfragen Anti-Drogen-Politik
3. Lob für Programm zum Hochwasserschutz
4. Geschichte des Kanzleramts



1. Koaliton lobt Erfolge in den neuen Ländern

Ausschuss für Wirtschaft und Energie

Berlin: (hib/HLE) Die Fraktionen des Bundestages haben in der Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Energie am Mittwoch unterschiedliche Schlüsse aus dem jüngsten Bericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit (18/2665) gezogen. Während die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD auf die Erfolge verwiesen, vermissten die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen die ihrer Ansicht nach notwendigen Schlussfolgerungen aus den Analysen des Berichts.

Der Vertreter der Bundesregierung erläuterte in der Sitzung, 25 Jahre nach dem Mauerfall hätten sich die Lebensverhältnisse zwischen Ost- und Westdeutschland in den meisten Lebensbereichen angeglichen, "aber es gibt noch einiges zu tun". In dem Bericht heißt es, der Aufbau Ost sei gelungen, und "die Weichen für eine wirtschaftlich dynamische und ökologisch verträgliche Entwicklung wurden gestellt". Genannt werden zum Beispiel der Neu- und Umbau des Verkehrsnetzes. Der Verfall vieler Innenstädte sei aufgehalten worden, und die Wohnsituation der Haushalte habe sich durch Sanierungen und energetische Modernisierungen sowie durch Neubauprojekte verbessert. "Die verheerende Umweltverschmutzung wurde gestoppt, und viele Altlasten sind heute beseitigt", berichtet die Bundesregierung. Gleichwohl liege die Arbeitsproduktivität in Ostdeutschland noch deutlich unter der in Westdeutschland.

Zwar gibt es in den neuen Ländern einen Reindustrialisierungsprozess, aber der Vertreter der Bundesregierung sprach in der Sitzung von dem Mangel, dass keine großen Unternehmen ihren Sitz in den neuen Ländern hätten. Im Bericht heißt es dazu, der Industrieanteil an der gesamten Wirtschaftsleistung liege mit gut 15 Prozent (2013) etwa auf dem europäischen Vergleichswert. In Westdeutschland betrage der Industrieanteil allerdings 23 Prozent.

Die CDU/CSU-Fraktion hob besonders die günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt hervor. So heißt es im Regierungsbericht, dass die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland auf dem niedrigsten Niveau seit der Wiedervereinigung liege. Zu den Hausaufgaben, die noch zu erledigen sind, gehört nach Ansicht der Unionsfraktion die Erhöhung der immer noch zu niedrigen Arbeitsproduktivität. Der Sprecher der SPD-Fraktion stellte fest, es sei viel erreicht worden, es gebe aber auch noch viel zu tun. Auch er verwies auf die günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosenquote liege in Thüringen und Sachsen unter dem Niveau von westlichen Ländern wie Nordrhein-Westfalen.

Die Fraktion Die Linke stellte fest, der Bericht sei in der Analyse besser als die Vorgängerberichte. Es fehlten aber die Schlussfolgerungen. Ein Sprecher forderte, die Erfahrungen, die im Osten etwa bei der Stadtsanierung gemacht worden seien, würden nicht genutzt. Ein weiteres Beispiel seien die einzigartigen Erfahrungen im Osten mit der Kinderbetreuung. Auch Bündnis 90/Die Grünen vermissten die Schlussfolgerungen aus den Analysen des Berichts. Beim Thema Arbeitslosigkeit wurde darauf verwiesen, dass die Arbeitslosenquote in einigen Gebieten der neuen Länder immer noch Höchststände habe. Auch beim Steueraufkommen gebe es nach wie vor erhebliche Unterschiede.

Der Ausschuss nahm den Bericht der Bundesregierung zur Kenntnis. Abgelehnt wurde mit Koalitionsmehrheit ein Entschließungsantrag der Linksfraktion (18/2751).

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2. Experten hinterfragen Anti-Drogen-Politik

Ausschuss für Gesundheit (Anhörung)

Berlin: (hib/PK) Die Anti-Drogen-Politik in Deutschland muss nach Ansicht von Sozial- und Rechtsexperten überprüft und korrigiert werden. Bei einer öffentlichen Anhörung über einen von den Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen vorgelegten Antrag (18/1613) mit dem Ziel, die Verbotspolitik wissenschaftlich zu überprüfen und auf der Basis zu reformieren, machten die Sachverständigen deutlich, dass insbesondere einzelne Strafandrohungen gegen Drogenkonsumenten, aber auch Ärzte sehr kritisch zu sehen sind. Eine wissenschaftliche Evaluation sei überfällig.

Überdies plädieren mehrere Experten in ihren Stellungnahmen dafür, im Fall von Cannabis (Haschisch/Marihuana) bundesweit einheitliche Mengen für den vom Bundesverfassungsgericht grundsätzlich gewährten zulässigen Eigenverbrauch festzulegen. Die meisten Gutachter begrüßten den Vorschlag, in einer überparteilichen Enquete-Kommission das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) insgesamt zu bewerten und Reformvorschläge zu erarbeiten.

Rechtsexperten und Fachleute aus der polizeilichen Praxis wandten sich in ihren Stellungnahmen zugleich gegen eine unkontrollierte Drogenfreigabe, da andernfalls insbesondere für junge Leute neue Anreize zum Drogenkonsum gesetzt würden. Die Experten machten im Zusammenhang mit der Drogendebatte auch deutlich, dass Zigaretten und Alkohol ähnlich problematisch wirken wie klassische Drogen, aber nicht der Prohibition unterliegen, was in der Bevölkerung schwer vermittelbar sei.

In der Anhörung forderte ein Vertreter der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin die Abgeordneten nachdrücklich dazu auf, nicht aus parteitaktischen oder ideologischen Gründen die lange überfällige wissenschaftliche Überprüfung des über 40 Jahre alten Betäubungsmittelgesetzes zu verhindern. Es gebe heute ganz neue Erkenntnisse in der Suchtforschung. So werde die totale Abstinenz bei Drogen oder auch Alkohol oft nicht mehr angestrebt, weil sie sich nicht in jedem Fall umsetzen lasse. Hinzu komme die erfolgreiche Substitution harter Drogen (Drogenersatz), die rechtlich besser untersetzt werden müsse, auch um verschreibende Ärzte zu schützen.

Eine Sprecherin der Berliner Fachstelle für Suchtprävention monierte, es werde zu viel Geld in die Strafverfolgung (Repression) gesteckt, statt die Vorbeugung (Prävention) zu stärken. Die Anti-Drogen-Politik stehe auf den vier Säulen Prävention, Beratung und Behandlung, Schadenbegrenzung sowie Repression, wobei letzteres die "Elefantensäule" sei, die es zurückzudrängen gelte. Das in sich geschlossene Konzept habe "Schlagseite". Es müssten mehr Mittel in die Prävention fließen. Gerade junge Leute bräuchten mehr fachliche Hilfestellung, um "risikokompetente Entscheidungen" treffen zu können.

Ein Rechtsexperte, der früher als Oberstaatsanwalt mit Betäubungsmittelkriminalität zu tun hatte, merkte an, mit Strafen und Verboten allein könne der Drogenkonsum nicht eingedämmt werden. Überdies sei die Selbstschädigung straflos, sonst müssten auch Sammler von Giftpilzen oder Raucher bestraft werden. Stattdessen würden hier Hilfen angeboten. Das Strafrecht habe den Drogenmissbrauch insgesamt nicht verringert. Eine "schrankenlose Legalisierung" von Drogen sei gleichwohl abzulehnen. So müssten der globale illegale Drogenhandel und Drogenschmuggel weiter streng verfolgt werden.

Ein anderer Oberstaatsanwalt erklärte, das Betäubungsmittelgesetz funktioniere gut und habe sich bewährt. Die Zahl der Konsumenten sei vergleichsweise klein und auch die Prävention zeige Wirkung. Änderungsbedarf gebe es aber etwa hinsichtlich der einheitlichen Regelung zum Umgang mit Cannabis. Eine wissenschaftliche Evaluierung der Drogenverbotspolitik sei nicht zielführend.

Nach Ansicht des Bundes Deutscher Kriminalbeamter hingegen gibt es eindeutig zu wenig wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über die Wirkungsweise des Betäubungsmittelgesetzes. Ein "weiter wie bisher" scheine jedenfalls nicht angebracht, erklärte der Verband in seiner Stellungnahme. Wesentliche gesellschaftlich relevante Fragen im Bereich der Drogenpolitik seien bis heute unbeantwortet. Der Bundestag sollte die "facettenreiche Diskussion", zu der auch der gesellschaftliche Umgang mit Alkohol und Tabak gehöre, daher aufgreifen.

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3. Lob für Programm zum Hochwasserschutz

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (Fachgespräch)

Berlin: (hib/JOH) Das Ende Oktober von der Umweltministerkonferenz verabschiedete Nationale Hochwasserschutzprogramm ist am Mittwochmittag im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit von Experten auf überwiegend positive Resonanz gestoßen. Allerdings mahnten besonders die Umweltverbände weitergehende Maßnahmen, insbesondere beim ökologischen Hochwasserschutz, an.

So bezeichnete Winfried Lücking vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) das Programm als "gutes Signal für ein grundsätzliches Umdenken im Hochwasserschutz". Es könne aber nur ein "erster Aufschlag" sein. Er forderte das Programm stärker ökologisch auszurichten, statt die Prioritäten auf den technischen Hochwasserschutz zu legen. Beispielhaft nannte er die im Programm genannten Pläne, bundesweit 57 Flutungspolder zu errichten, die ab einem bestimmten Wasserstand im Fluss geflutet würden. Demgegenüber seien aber nur 29 Projekte zur Rückverlegung von Deichen geplant. Natürliche Wasserrückhalteräume für die Flüsse zu schaffen sei jedoch ökologisch sinnvoller und oft sogar kostengünstiger als der Bau von Poldern, betonte Lücking.

Nachhaltiger Hochwasserschutz sollte nach Ansicht des BUND das gesamte Flusssystem umfassen. So mahnte Lücking: "Wir müssen den Flüssen mehr Raum geben." Flächen müssten entsiegelt und die landwirtschaftliche Praxis überdacht werden. Insbesondere der großflächige Maisanbau in vielen Regionen Deutschlands begünstige die Entstehung von Hochwasser. Darüber hinaus forderte Lücking ein sofortiges Verkaufsmoratorium für öffentliche Flächen an Gewässern, um sie für die Umsetzung der ökologischen Maßnahmen zu sichern.

Der Vorsitzende der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser, Dietmar Wienholdt, wies demgegenüber auf Konflikte zwischen Bodennutzung und Überflutungsflächen hin. Für eine Rückverlagerung der Deiche müssten landwirtschaftliche Flächen aus der Nutzung genommen werden. "Da muss man aber an die Eigentümer rankommen", betonte Wienholdt. Dabei gehe es um mögliche Enteignungen und die Bereitstellung von Ersatzflächen für Betriebe in den betroffenen Regionen. Bei Poldern fielen hingegen nur Entschädigungszahlungen für Ertragsausfälle an, wenn sie im Falle eines Hochwassers tatsächlich geflutet würden.

Wie Lücking sprach Wienholdt sich aber gegen einen massiven Anbau von Mais in Hochwassergebieten aus. "Mais ist für den Hochwasserabfluss mindestens so schädlich wie eine Mauer", stellte er klar.

Michael Bender von der Grünen Liga e.V. warb wie BUND-Vertreter Lücking für die Rückgewinnung von Flussauen. Auch müssten die Deiche höher, breiter und standsicherer werden und nicht standsichere Anlagen rückgebaut werden. Zudem forderte Bender ebenfalls die Reduzierung des Anbaus von Biomasse zur Energiegewinnung, insbesondere von Mais, sowie eine aktivere Steuerung der Siedlungsentwicklung. Außerdem empfahl er, Feuerwehr- und Polizeistationen sowie Hochwasserzentralen möglichst nicht in hochwassergefährdeten Lagen anzusiedeln.

Georg Rast vom WWF Deutschland lobte, Hochwasserschutz und Hochwasservorsorge hätten in Deutschland eine neue Bedeutung erlangt. Mit dem nationalen Hochwasserschutzprogramm werde ein neuer Anstoß gegeben, das Thema länderübergreifend anzugehen. Aber damit seien auch "hohe Erwartungen" verknüpft. Landwirtschaft, Regionalplanung und eine langfristig abgestimmte Raumordnung müssten künftig viel stärker in den Blick genommen werden. So müssten die Kommunen intensiver mit den Landwirten zusammenarbeiten, um Möglichkeiten an einer hochwasserangepassten Landwirtschaft auszuloten.

Professor Robert Jüpner von der TU Kaiserslautern, bezeichnete das Nationale Hochwasserschutzprogramm als "gute Nachricht". Hochwasserschutz sei eindeutig eine nationale Aufgabe, da sich Wasser nicht durch Ländergrenzen aufhalten lasse. Mit der vorgesehenen finanziellen Unterstützung der Bundesländer in Höhe von 5,4 Milliarden Euro werde ein wichtiger Beitrag zur Realisierung von Einzelmaßnahmen geleistet. Allerdings könne es einen absoluten Schutz nie geben, betonte Jüpner, weil auch technische Schutzanlagen, wie Deiche oder Pegel, versagen könnten. Eine Minderung des Risikos sei nur das Zusammenwirken der verschiedenen Elemente des Hochwasserrisikomanagements möglich.

Jüpner regte darüber hinaus an, das Programm durch ein nationales Hochwasser-Forschungsinstitut zu begleiten, um Informationen über die komplexen Vorgänge in der Hochwasservorsorge zu sammeln, Hochwasserkatastrophen zu analysieren und aus ihnen zu lernen. In diesem Bereich zeige sich bisher noch eine "bemerkenswerte Leere", kritisierte der Professor.

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4. Geschichte des Kanzleramts

Inneres/Antrag

Berlin: (hib/STO) Die Bundesregierung soll nach dem Willen der Fraktion Die Linke eine Historikerkommission "zur Untersuchung der Rolle des Bundeskanzleramtes im Zusammenhang mit NS-Belastungen der frühen Bundesrepublik und der Rolle von NS-belasteten Personen in Ministerien und Institutionen des Bundes zwischen 1949 und 1984" einsetzen. In einem Antrag (18/3049) fordert die Fraktion die Bundesregierung zugleich auf, einen Untersuchungsauftrag zu formulieren, "der die Frage der personellen und inhaltlichen NS-Bezüge in der Bundesrepublik und die Kenntnis und Stellung des Bundeskanzleramtes hierzu ins Zentrum stellt". Der Historikerkommission soll die Regierung laut Vorlage freien Zugang zu allen für den Auftrag notwendigen Akten garantieren.

In der Begründung schreiben die Abgeordneten, eine "wissenschaftliche Aufarbeitung zu den NS-Belastungen der frühen Bundesrepublik" sei ohne eine systematische Untersuchung der Rolle des Bundeskanzleramtes nicht möglich. Eine solche umfassende Untersuchung liege bis heute nicht vor.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 560 - 5. November 2014 - 16.30 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2014