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BUNDESTAG/4749: Heute im Bundestag Nr. 614 - 01.12.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 614
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 01. Dezember 2014, Redaktionsschluss: 17.10 Uhr

1. Mehr Tierschutz gefordert
2. Kritik an Renten-Automatismus



1. Mehr Tierschutz gefordert

Petitionsausschuss

Berlin: (hib/HAU) Die Abschaffung der Massen- und Intensivtierhaltung bis zum Jahr 2020 fordert eine Petition, über die der Petitionsausschuss am Montag in öffentlicher Sitzung beraten hat. Der Petent Mahi Klosterhalfen, Geschäftsführender Vorstand der "Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt", verwies zur Begründung seiner Initiative auf Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes. Danach dürfe niemand "einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen". Die herrschenden Zustände in der Massen- und Intensivtierhaltung widersprächen diesem Grundsatz jedoch und müssten abgeschafft werden, verlangte der Petent. Massiver Antibiotika-Einsatz - bei Puten und Masthühner liegt er nach Aussage Klosterhalfens bei 92 Prozent aller Tiere - sei ebenso wie die Tierqual durch unbetäubte Kastrationen bei Ferkeln oder das Kupieren der Schnäbel bei Geflügel Teil des Systems der Massentierhaltung. "Wirtschaftliche Erwägungen alleine stellen aber laut Bundesverfassungsgericht keinen Grund im Sinne Paragraf 1 des Tierschutzgesetzes dar", sagte Klosterhalfen.

Die Bemühungen der Bundesregierung - wie etwa die Tierwohl-Initiative von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) - sind aus seiner Sicht nicht ausreichend. "Nur mit Freiwilligkeit wird man nicht erfolgreich sein", sagte der Petent. Benötigt würden Gesetzesänderungen und strengere Verordnungen für den Tierschutz.

Peter Bleser (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, räumte ein, "dass wir in einigen Bereichen Verbesserungsbedarf haben". Die Bundesregierung habe aber seit mehreren Jahren die Mittel für den Tierschutz ständig erhöht. 2013 seien es 16 Millionen Euro gewesen. Für 2015 sehe der gerade verabschiedete Haushalt 33 Millionen Euro vor. "Wir versuchen, mit modernsten Methoden das Wohl der Tiere in der Nutztierhaltung zu verbessern", sagte Bleser. Zudem gebe es eine Förderung von bis zu 40 Prozent bei Stallbauten, wenn besondere Tierschutzanforderungen umgesetzt werden.

Mit Blick auf die wirtschaftliche Situation der Landwirte wies der Staatssekretär darauf hin, dass Deutschland ein Land mit offenen Grenzen sei. "Es macht überhaupt keinen Sinn, Tiere von hier zu vertreiben, in Regionen, wo der Tierschutz wesentlich schlechter ist als in Deutschland." Deutschland, sagte Bleser, habe den höchsten Tierschutz in der Nutztierhaltung weltweit. Ab 2018 werde die betäubungslose Kastration verboten sein. Ab 2015 werde der überdurchschnittliche Antibiotika-Einsatz sanktioniert. "Wir sind in der EU die Schrittmacher", sagte Bleser. Im Übrigen hätten die Verbraucher schon heute an der Ladentheke die Wahl, ob sie Bio- oder Neulandprodukte kaufen wollten.

Um dem Verbraucher wirklich die Wahl zu geben, fehle es an Transparenz, entgegnete Petent Klosterhalfen. Ein ehrliches Labeling müsse deutlich machen, wie die Tiere tatsächlich gehalten werden, statt überall mit grünen Wiesen den Eindruck erwecken zu suchen, den Tieren werde es schon gut gehen. "Wenn wir dazu kommen, dass schlechte Produkte auch als schlecht gekennzeichnet werden, kämen wir eine ganzen Schritt weiter." Allerdings fehle es dazu an politischem Willen, sagte Klosterhalfen.

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2. Kritik an Renten-Automatismus

Ausschuss für Arbeit und Soziales (Anhörung)

Berlin: (hib/CHE) Der automatischen vorzeitigen Verrentung von älteren Arbeitslosengeld-II-Beziehern (ALG II) ab dem 63. Lebensjahr steht eine Mehrheit der Sachverständigen kritisch gegenüber. Das wurde in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag deutlich. Auf der Tagesordnung stand ein Antrag (18/589) der Fraktion Die Linke, die die "Abschaffung der Zwangsverrentung" im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) fordert. Zwar waren sich die meisten Experten einig, dass es sich dabei nicht um ein Massenphänomen handelt, sie bewerteten die Regelung aber vor dem Hintergrund einer Arbeitsmarktpolitik, die auch Ältere verstärkt im Erwerbsleben halten will, als kontraproduktiv.

So gab Martin Brussig vom Institut für Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen zu Bedenken, dass es sich bei den Betroffenen um keinen großen Kreis handele, dies aber irrelevant für die Gerechtigkeitsfrage sei. "Die Pflicht zur Verrentung passt nicht zur einer Arbeitsmarktpolitik, die auf eine längere Beteiligung am Arbeitsleben ausgerichtet ist", sagte er.

Heiko Siebel-Huffmann, stellvertretender Direktor des Sozialgerichts Schleswig, konnte die Behauptung der Linken, es handele sich um eine systematische Vorgehensweise der Jobcenter, nicht nachvollziehen. Auch bezeichnete er es in seiner schriftlichen Stellungnahme grundsätzlich als zumutbar, eine abschlagsfreie Rente vorzeitig zu beziehen. Dennoch müsse man das Problem der Altersarmut ernst nehmen, wenn der vorzeitige Rentenbezug zu dauerhaften Abschlägen bei der Rente führt, die dann eventuell nicht mehr existenzsichernd ist. Siebel-Huffmann plädierte in diesem Zusammenhang für eine "Fortentwicklung" der sogenannten Unbilligkeitsverordnung, die festlegt, wann es einem ALG-II-Bezieher nicht zuzumuten ist, einen Rentenantrag zu stellen. So solle seiner Ansicht nach die Inanspruchnahme der Altersrente für eine alleinstehende Person "unbillig" sein, soweit der dreifache Regelbedarf der Regelbedarfsstufe 1 unterschritten wird. Bei Paaren könne der vierfache Regelsatz als Grenze gelten, sagte Siebel-Huffmann.

Michael Schweiger von der Bundesagentur für Arbeit sagte dazu: "Das könnte ein guter Weg sein, um das Problem weitestgehend zu lösen." Jedoch sollten die Jobcenter dann nicht mit umfangreichen Einzelfallprüfungen arbeiten müssen, sondern pauschalisierende Lösungen gefunden werden, schlug Schweiger vor. Joachim Rock vom Paritätischen Gesamtverband verwies auf neueste Zahlen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zum massiven Anstieg der Altersarmut. "Der Verweis auf die Hilfe zum Lebensunterhalt kann deshalb nicht der Weisheit letzter Schluss sein", sagte er. Wie Rock plädierte auch der Deutsche Caritasverband für eine Abschaffung dieser Renten-Regelung. Deren Vertreterin Birgit Fix sagte: "Das SGB-II hat das Ziel, Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren und nicht, sie auszusortieren."

Nach Ansicht des Deutschen Städtetags sowie des Deutschen Landkreistages wird das von den Linken aufgeworfene Problem überschätzt. Es sei wichtig, am Prinzip der Nachrangigkeit im SGB II festzuhalten, sagte Regina Offer vom Deutschen Landkreistag. Die SGB-II-Vorschriften sollten nicht mit zusätzlichen Regelungen verkompliziert werden, die einen sehr kleinen Anwendungsbereich haben. Außerdem könne ein vorzeitiger Renteneintritt für ehemalige ALG-II-Bezieher auch Vorteile bedeuten, etwa wenn deren Rente die Höhe der Grundsicherungsleistungen erreichen und sie aber nach Renteneintritt ihr Einkommen durch Hinzuverdienste erhöhen können, schreiben die Verbände in ihrer gemeinsamen Stellungnahme. Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände plädierte unter Verweis auf die Nachrangigkeit der SGB-II-Leistungen für eine Beibehaltung der aktuellen Regelung. "An diesem Grundsatz muss auch bei der Altersrente festgehalten werden, da eine Abweichung zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung führen würde." Hier werde ein gesetzlicher Handlungsbedarf behauptet, der überhaupt nicht besteht, heißt es dazu in der Stellungnahme des Verbandes.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 614 - 1. Dezember 2014 - 17.10 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2014