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BUNDESTAG/5010: Heute im Bundestag Nr. 211 - 22.04.2015


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 211
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 22. April 2015, Redaktionsschluss: 18.25 Uhr

1. Große Erwartungen an Juncker-Fonds
2. Neuregelung der Unterhaltssicherung
3. Politisch rechts motivierte Straftaten
4. Politisch motivierte Straftaten
5. Neuermittlung der Regelbedarfsstufen
6. Krankheitstage in Sozialberufen


1. Große Erwartungen an Juncker-Fonds

Europaausschuss

Berlin: (hib/JOH) Der geplante Fonds für strategische Investitionen (EFSI, kurz "Juncker-Fonds"), mit dem die EU-Kommission zwischen 2015 und 2017 europäische Investitionen in Höhe von mindestens 315 Milliarden Euro mobilisieren will, wird von Sachverständigen in Deutschland im Grundsatz begrüßt. So bezeichnete Luca Bergamaschi von der unabhängigen gemeinnützigen Organisation "E3G - Third Generation Environmentalism" den Fonds als "echte Chance", Investitionen in Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Stromnetze und andere nachhaltige Technologien anzuregen und so eine klimafreundliche Energieunion in Europa zu realisieren. Voraussetzung dafür sei jedoch, dass der EFSI nur Projekte fördere, die im Einklang mit den europäischen Klima- und Energiezielen stünden und eine Grundlage für nachhaltigen Wohlstand bildeten. Außerdem sollte sich nach Ansicht von Bergamaschi die Förderung auf solche Bereiche konzentrieren, in denen aufgrund von Marktversagen ein Mangel an Investitionen besteht.

Regina Hodits vom Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften - German Private Equity and Venture Capital Association e.V. bezeichnete die Stärkung der Innovationsfinanzierung in Europa als "dringend notwendig", da es hier eine große Finanzierungslücke gebe. Zwar würden in Deutschland und in Europa mehr Patente und wissenschaftliche Publikationen in allen Fachbereichen geschrieben als in den USA. Aber es stünde nur ein Zehntel des Kapitals zur Umsetzung zur Verfügung. "Das liegt sehr wohl an der Risikoeinschätzung", urteilte Hodits. So würden so genannte "Equity Investments" und Investitionen in Aktien in Europa immer noch als sehr risikobehaftet angesehen. Garantieinstrumente wie der EFSI könnten daher helfen, Investitionen zu mobilisieren. Allerdings müssten die Instrumente unbürokratisch anwendbar sein.

Auf die große Investitionslücke in Europa wies auch Sebastian Gechert (Hans-Böckler-Stiftung, Institut für Makrookönomie und Konjunkturforschung) hin. So seien die öffentlichen Nettoinvestitionen im Euroraum seit der Krise um zirka ein Prozent des Bruttoinlandsproduktes und die privaten Investitionen um zirka zwei bis drei Prozent gesunken. Das bedeute in der Summe ein Volumen von 300 Milliarden Euro jährlich im Vergleich zum Vorkrisenniveau. Die Europäische Investitionsbank (EIB) veranschlage die Investitionen, die notwendig wären, um den Rückstand in der Wettbewerbsfähigkeit bis zum Jahr 2020 aufzuholen, sogar auf 600 Milliarden Euro pro Jahr. Gechert gab daher zu Bedenken, dass der EFSI mit einem geplanten Volumen von 315 Milliarden Euro in drei Jahren "recht klein" sei. Außerdem sei auch nicht davon auszugehen, dass die 315 Milliarden Euro durch die von der Kommission erhoffte Hebelwirkung tatsächlich erreicht werden. Schließlich stecke in dem Fonds mit insgesamt 21 Milliarden Euro kaum Eigenkapital der EU. "Der Hebel von 1:15 an nachweisbaren und zusätzlichen privaten Investitionen ist aus unserer Sicht unrealistisch", betonte Gechert. Der Grundstock an öffentlichen Mitteln müsste daher schon im Vorhinein deutlich erhöht werden, etwa durch eine Beteiligung der Nationalstaaten.

Dieser Forderung Gecherts schloss sich auch Gunnar Münt von der EIB in Luxemburg an. Eine Beteiligung der EU-Mitgliedstaaten sei "sehr sinnvoll" angesichts der Begrenzung des Fondsvolumens. "Mehr hilft eben auch mehr", betonte Münt. Deutschland beteilige sich bereits mit acht Milliarden Euro über die KfW-Bankengruppe, zudem hätten Frankreich, Italien, Polen, Spanien und Luxemburg angekündigt, weitere Mittel über ihre jeweiligen Förderbanken zur Kofinanzierung auf Ebene der Mitgliedstaaten bereitzustellen.

Anders als Gechert geht der EIB-Direktor für den Bereich Innovation und Wettbewerbsfähigkeit jedoch davon aus, dass die EFSI-Mittel von 21 Milliarden Euro für Risikofinanzierungen ausreichen werden, um zusätzliche Investitionen in Höhe von 315 Milliarden Euro ermöglichen. Die EIB, in deren bestehende Strukturen der Fonds eingebettet werden soll und die sich mit fünf Milliarden Euro an der Fonds-Finanzierung beteiligt, werde die Mittel vor allem dazu verwenden, risikoreichere Investitionsprojekte auf den Weg zu bringen, indem sie mehr Ausfallrisiken übernehme, erklärte Münt. Startbeginn für den EFSI sei "voraussichtlich Mitte 2015". Die EIB habe bereits mit der Auswahl und Prüfung von Investitionsprojekten begonnen.

Lutz Christian-Funke von der KfW-Bankengruppe lobte, das Beste am Juncker-Plan sei, dass man nicht länger auf "verlorene Zuschüsse" setze, sondern "endlich" umsteige auf Garantien und Kredite. "Da sehen Sie wenigstens Ihr Geld wieder, ansonsten ist es weg", sagte Funke. Dies sei auch das Erfolgsgeheimnis der KfW. Die Investoren gingen viel verantwortungsvoller mit ihrem Geld um, wenn sie es zurückzahlen müssten. Nach Ansicht von Funke reichten die Garantien der EU zudem aus. Dieses Geld könne man in den kommenden zwei Jahren sinnvoll einsetzen.

Professor Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln forderte, die Schlüsselkriterien für den Fonds um das Prinzip der Zusätzlichkeit zu ergänzen, damit Investitionsprojekte, die auch ohne staatliche Förderung realisiert würden, sowie Projekte, die aus anderen EU- oder Förderbanktöpfen unterstützt werden könnten, unangetastet bleiben. Bei der Auswahl der Investitionsprojekte sollte zudem besonders beachtet werden, dass diese den Ausbau transeuropäischer Infrastruktur forcierten. Dies gelte nicht nur im Verkehr, sondern auch mit Blick auf den digitalen Binnenmarkt und die europäischen Energienetze.

Kritik übte Hüther an der zeitlichen Begrenzung des Investitionsprogramms. "Das Auflegen eines europäischen Fonds für strategische Investitionen für eine dermaßen kurze Frist kann unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht begrüßt werden", betonte er. Der erwartete Projektstart vor 2017 sei "sicherlich mehr dem EU-Haushaltszyklus geschuldet als dem der weitsichtigen Förderung zukunftsträchtiger Investitionen". Gunnar Münt vertrat demgegenüber die Ansicht, dass die Befristung sinnvoll sei, da der Effekt ansonsten verpuffe. Wenn der Fonds erfolgreich sei, könne man jedoch über eine Verlängerung nachdenken.

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2. Neuregelung der Unterhaltssicherung

Verteidigung/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/AW) Reservisten und freiwillige Wehrdienstleistende sollen zukünftig mehr und höhere Leistungen aus der Unterhaltssicherung erhalten. Dies sieht der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novellierung des Unterhaltssicherungsgesetzes und anderer soldatenrechtlicher Regelungen vor (18/4632). Konkret sieht das Gesetz zum einen die Angleichung der Leistungen für Reservisten an die Netto-Besoldung von Zeit- und Berufssoldaten gleichen Dienstgrades vor. Zudem sollen eheliche und nichteheliche Kinder von Wehrdienstleistenden gleichgestellt und die Unterhaltsansprüche von Müttern und Vätern nichtehelicher Kinder der Wehrdienstleistenden in das Gesetz aufgenommen werden. Vereinfacht werden sollen die Erstattung von Wohnraumkosten der Wehrdienstleistenden und die Sicherung des Erwerbseinkommens von Selbständigen, die Reservedienst leisten.

Die Bearbeitung der Anträge auf Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz soll durch die Novellierung künftig zentral durch die Bundeswehrverwaltung und nicht mehr wie bisher dezentral in den Bundesländern erfolgen. Die Regierung beziffert die zusätzlichen Kosten für den Bundeshaushalt auf 11,9 Millionen Euro jährlich. Hinzu kämen weitere 3,4 Millionen Euro an Personalausgaben, die durch den erhöhten Verwaltungsaufwand im Geschäftsbereich des Verteidigungsministeriums erwirtschaftet würden.

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3. Politisch rechts motivierte Straftaten

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) In Deutschland sind im Februar dieses Jahres 35 Menschen infolge politisch rechts motivierter Straftaten verletzt worden. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (18/4586) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/4386) hervor.

Danach wurden für Februar 2015 vorläufigen Zahlen zufolge insgesamt 879 solcher Straftaten gemeldet, darunter 54 Gewalttaten. Die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen beläuft sich laut Vorlage auf 467. Elf männliche Tatverdächtige seien vorläufig festgenommen worden. Gegen einen Mann wurde den Angaben zufolge ein Haftbefehl erlassen.

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4. Politisch motivierte Straftaten

Inneres/Antwort

Berlin: (hib/STO) Im Februar dieses Jahres sind in Deutschland 76 Menschen infolge politisch motivierter Straftaten verletzt worden. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung (18/4583) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion (18/4407) hervor.

Bis zum 28. März sind danach dem Bundeskriminalamt (BKA) für Februar 2015 insgesamt 1.470 solcher Straftaten gemeldet worden, darunter 131 Gewalttaten und 679 Propagandadelikte. Bis zum genannten Stichtag konnten den Angaben zufolge 917 Tatverdächtige ermittelt werden. 191 von ihnen seien vorläufig festgenommen worden. Wie es in der Vorlage weiter heißt, wurde ein Haftbefehl erlassen.

Von den 1.470 Straftaten entfielen laut Antwort 879 auf die politisch rechts motivierte Kriminalität. Die Zahl der darunter befindlichen Gewalttaten wird mit 54 angegeben und die der Verletzten mit 35.

Die Zahl der politisch links motivierten Straftaten beläuft sich den Angaben zufolge auf 336, von denen 57 Gewalttaten waren. In diesem Bereich wurden laut Regierung 18 Verletzte registriert.

50 Straftaten, darunter elf Gewalttaten, wurden laut Vorlage der politisch motivierten Ausländerkriminalität zugeordnet; in diesem Bereich wurden 14 Verletzte verzeichnet.

Die Zahl der sonstigen politisch motivierten Straftaten lag bei 205, von denen neun Gewalttaten waren, wie die Regierung weiter mitteilt. Hier wird die Zahl der Verletzten mit neun angegeben.

Die aufgeführten Zahlen geben der Vorlage zufolge die beim BKA mit Stand vom 28. März 2015 eingegangenen Meldungen der Länder wieder und können sich "aufgrund von Nachmeldungen und Korrekturen noch - teilweise erheblich - verändern".

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5. Neuermittlung der Regelbedarfsstufen

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) Die Bundesregierung hat angekündigt, die Regelbedarfsstufe 3 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) neu zu ermitteln. Das teilt sie in einer Antwort (18/4589) auf eine Kleine Anfrage (18/4472) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit. Diese Bedarfsstufe erhalten voll erwerbsgeminderte Menschen, wenn sie volljährig sind und in einem Haushalt mit Verwandten oder anderen Personen, die nicht Ehegatte oder Lebenspartner sind, zusammenleben. Sie beträgt 80 Prozent der vollen Regelbedarfsstufe. Das Bundesozialgericht hatte diese Praxis in mehreren Urteilen verworfen. Die Bundesregierung schreibt dazu, dass einzelne Regelbedarfsstufen nicht isoliert geändert werden könnten. Gesetzgeberische Änderungen fänden im Rahmen der ohnehin geplanten Neuermittlung der Regelbedarfe nach Vorliegen der aktuellen Daten der Einkommens- und Verbraucherstichprobe 2013 (EVS 2013) statt. Wenn das Statistische Bundesamt seine diesbezüglichen Auswertungen im zweiten Halbjahr 2015 abgeschlossen habe, werde das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die für die Regelbedarfsermittlung nötigen Sonderauswertungen in Auftrag geben, heißt es in der Antwort.

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6. Krankheitstage in Sozialberufen

Arbeit und Soziales/Antwort

Berlin: (hib/CHE) In der Branche der Sozial- und Erziehungsberufe gibt es überdurchschnittlich viele Fälle von Arbeitsunfähigkeit. Das schreibt die Bundesregierung in einer Antwort (18/4588) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/4487). So seien dort bei je 100 Mitgliedern der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) 128,4 Arbeitsunfähigkeitsfälle registriert worden, während der allgemeine Durchschnitt bei 116,6 Fällen pro 100-GKV-Mitgliedern liege. Die durchschnittliche Dauer der Arbeitsunfähigkeitsfälle liege jedoch etwa einen Tag unterhalb des Durchschnittswertes der Gesamtwirtschaft, heißt es in der Antwort weiter.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 211 - 22. April 2015 - 18.25 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. April 2015

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