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BUNDESTAG/5582: Heute im Bundestag Nr. 096 - 18.02.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 096
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 18. Februar 2016, Redaktionsschluss: 11.57 Uhr

1. Wachsender humanitärer Bedarf
2. Besteuerungsverfahren wird modernisiert
3. Kein Steuergeld für Bereitschaftskraftwerke
4. Ausschreibungen bei Photovoltaik
5. Ausschüsse für den Wettbewerb


1. Wachsender humanitärer Bedarf

Menschenrechte/Anhörung

Berlin: (hib/AHE) Das globale humanitäre System muss angesichts der weltweit wachsenden Zahl von Flüchtlingen angepasst und seine Finanzierung sichergestellt werden - zu diesem Schluss kam am Mittwoch eine Mehrheit der Sachverständigen bei einem öffentlichen Expertengespräch des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe.

Johan Cels vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) sprach angesichts von weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht von einem "historischen Moment". Beim humanitären Weltgipfel im Mai in Istanbul müsse es um eine bessere Lastenverteilung innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft gehen - aber auch um langfristige Lösungen für den Umgang mit wachsenden Flüchtlingsbewegungen. "Es gibt im Augenblick zum Beispiel keine gute Verzahnung von Flüchtlingshilfe und Entwicklungszusammenarbeit", sagte Cels. Er regte zudem an, den UN-Hilfswerken mehr Gelder zur Verfügung zu stellen, die nicht zweckgebunden sind - und sie im Gegenzug zu noch mehr Transparenz und Rechenschaft zu verpflichten.

Robert E. Smith vom Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) des UN-Sekretariats sagte, dass die Probleme nicht nur durch mehr Geld, sondern auch durch besseren Ressourceneinsatz lösbar seien. Als Beispiele nannte er unter anderem mehrjährige Mittelausstattung, die Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren, höhere Effizienz bei Hilfsorganisationen und die Einbindung neuer Geber etwa aus der Wirtschaft. Für Lucio Melandri vom Kinderhilfswerk UNICEF steht die Finanzierung des globalen humanitären Systems "am Scheidepunkt": Lange sei strikt unterschieden worden zwischen akuter humanitärer Nothilfe und langfristiger Entwicklungshilfe. "Wir brauchen heute eine Verzahnung beider Bereiche und wir brauchen langfristige Finanzierung", sagte Melandri. Ralf Südhoff vom UN-Welternährungsprogramm (WFP) bezeichnete das UN-Hilfssystem als "latent überfordert". Auch er forderte eine bessere Integration von Not- und Entwicklungshilfen. Bei einem Großteil der Krisen würde es sich nicht um akut Betroffene einer Naturkatastrophe handeln, sondern um Flüchtlinge die oftmals auf Jahre oder gar auf Jahrzehnte vertrieben seien. Ein Schlüssel seien etwa "Cash-for-Work"-Programme, bei denen Flüchtlinge in Arbeit gebracht würden, um ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können.

Christoph Wagner (Generaldirektion Humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz der Europäischen Kommission, ECHO) betonte hingegen, dass es sich bei Not- und Entwicklungshilfen um Instrumente mit unterschiedlicher Zielsetzung handle: Entwicklungszusammenarbeit sei auf lang anhaltende Wirkung aus, hinter hier stehe ein politisches Konzept wie etwa gute Regierungsführung. Die bedarfsorientierte Nothilfe sei hingegen nicht-politisch, neutral und unparteiisch. "Es ist also nicht ganz einfach, beides zusammenzuführen", sagte Wagner. Christof Johnen vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) warf die Frage auf, ob eine Abkehr von der "prinzipienbasierten humanitären Hilfe" - also die Abkehr von Neutralität und Unparteilichkeit am Ende nicht noch größere Probleme schaffe. Tatsache sei jedoch auch, dass Akteure der humanitären Hilfe heute in Syrien jene Aufgaben übernommen hätten, die einst Akteure der Entwicklungszusammenarbeit wahrgenommen hätten, sagte Johnen und nannte als Beispiel die Aufrechterhaltung der Wasserversorgung in Aleppo.

Eine Reihe von Sachverständigen betonte, dass die Diskussion beim humanitären Weltgipfel in Istanbul über die Frage der Finanzierung hinausgehen müsse und sich nicht allein auf die Situation Syrien konzentrieren dürfe. Auch im Südsudan und in Burundi seien Hundertausende auf der Flucht, nur hätten diese Flüchtlinge Europa nicht erreicht und seien deshalb nicht auf der Agenda, sagte Andrea Hitzemann (Caritas International). "Wir sollten andere schwelende Krisen nicht vergessen." Mathias Mogge (Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe deutscher Nichtregierungsorganisationen, VENRO) machte sich für frühzeitige, also vorbeugende Hilfen stark: "Dies Investitionen sparen am Ende sehr viel Geld, das wir später nicht in humanitären Hilfe zu investieren müssen." Auch Jemilah Mahmood (Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften) forderte mehr Anstrengungen zur Prävention: "Wir müssen besser als bisher die Krisen der Zukunft vorhersehen und uns darauf einstellen."

Mehrere Experten unterstrichen außerdem, dass mit Nothilfen den Ursachen von Konflikten nicht beizukommen sei: "Humanitäre Hilfe kann kein Ersatz für politische Lösungen sein", sagte Sabrina Khan von der Hilfsorganisation Islamic Relief mit Blick auf Syrien. "Die Angriffe auf Zivilbevölkerung lassen Menschen keine Wahl", sagte Balthasar Staehelin, Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Das Augenmerk der internationalen Staatengemeinschaft müsse stärker auf der Einhaltung des humanitären Völkerrechts liegen - auf der Einhaltung des Kriegsrechts genauso und wie der Akzeptanz der Hilfsorganisationen. Staehelin verwies auf mehrere Kollegen, die in Konfliktgebieten wie in Syrien in Geiselhaft gehalten würden. "Das ist ein Problem." Hilfsorganisationen müssten neutral und unparteiisch bleiben, um überhaupt Zugang zu Hilfsbedürftigen zu haben. Staehelin machte dies am Beispiel Aleppos deutlich: Um die Wasserversorgung aufrecht zu erhalten, müssten die Helfer täglich und über Monate hinweg unter dem Blick von Heckenschützen die Frontlinien überqueren, um mit den verschiedenen Konfliktparteien zu verhandeln.

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2. Besteuerungsverfahren wird modernisiert

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Das Besteuerungsverfahren in Deutschland soll modernisiert werden und in Zukunft weitgehend ohne schriftliche Belege auskommen. Nach dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahren (18/7457) sollen Bürger, die ihre Steuererklärung mit erheblicher Verspätung einreichen, einen Verspätungszuschlag zahlen. Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung sollen Steuererklärungen soweit möglich automatisiert bearbeitet werden.

Ein wesentlicher Punkt des Gesetzesvorhabens ist die Änderung von Abgabefristen. Steuerpflichtige, die von Steuerberatern beraten werden, bekommen zwei Monate mehr Zeit zur Abgabe ihrer Erklärung. Die Jahressteuererklärung muss künftig am 28. Februar des Zweitfolgejahres vorliegen. Damit werde den beratenden Berufen mehr Zeit gegeben und außerdem für kontinuierlichere Auslastung der Berater und ihrer Mitarbeiter gesorgt. Steuerpflichtige, die ihre Erklärung mit erheblicher Verspätung abgeben, müssen mit einem Verspätungszuschlag rechnen. Der Zuschlag ist festzusetzen, wenn die Steuererklärung nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Besteuerungsjahres abgegeben wurde. Dabei ist es unerheblich, ob die Erklärung persönlich oder mit Hilfe eines Beraters erstellt wurde. Der Verspätungszuschlag beträgt je nach Fall mindestens zehn beziehungsweise mindestens 50 Euro für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung.

Die heutige Pflicht zur Vorlage von Belegen beim Finanzamt soll weitgehend entfallen. Aus der Belegvorlagepflicht werde eine Belegvorhaltepflicht, heißt es im Gesetzentwurf. Die Steuerpflichtigen müssen allerdings damit rechnen, dass die von ihnen vorgehaltenen Belege von den Finanzbehörden angefordert werden können. Dies betrifft besonders Spendenquittungen. "Der Erhalt einer Zuwendungsbestätigung ist zwar nach wie vor Voraussetzung der steuerlichen Berücksichtigung der Zuwendung, die Zuwendungsbestätigung muss aber nicht mehr mit der Steuererklärung eingereicht werden", heißt es in dem Entwurf. Der Steuerpflichtige müsse die Bescheinigung erst auf Anforderung vorlegen. Mit Einwilligung des Steuerpflichtigen könne sogar ganz auf die Belegvorhaltepflicht verzichtet werden, wenn der Zuwendungsempfänger die erhaltene Zuwendung direkt an die Finanzverwaltung melde. Mit den Maßnahmen solle der Aufwand für die Erstellung der Steuererklärungen verringert, die Anwenderfreundlichkeit von ELSTER (Elektronische Steuererklärung) erhöht und die automationsgestützte Verarbeitung der Steuererklärung auf Seiten der Finanzverwaltung erleichtert werden.

Zur automatisierten Bearbeitung von Steuererklärungen schreibt die Bundesregierung, damit könnten personelle Ressourcen auf die wirklich prüfungsbedürftigen Fälle konzentriert werden. Es werde Risikomanagementsysteme geben. Durch die vollautomatische Fallbearbeitung auf der Basis eines Risikomanagementsystems werde neben der herkömmlichen Bearbeitung einer Steuererklärung durch Amtsträger ein zweites gesetzlich geregeltes Leitbild der Steuerfestsetzung geschaffen, nämlich das einer "ausschließlich automationsgestützten Bearbeitung mit einem ausschließlich automationsgestützt erlassenen oder korrigierten Steuerbescheid als Ergebnis". Außerdem soll der Schriftverkehr weiter auf elektronische Verkehrswege umgestellt werden. So sollen sich Steuerpflichtige ihren Steuerbescheid über das ELSTER-Portal herunterladen können.

Der Bundesrat verlangt in seiner Stellungnahme, dass Rentner jedes Jahr von ihrem Rentenversicherungsträger eine Bescheinigung mit den steuerrelevanten Daten erhalten sollen, die sie wie die Lohnsteuerbescheinigungen der Arbeitgeber zum leichteren Ausfüllen der Steuererklärung nutzen können. In vielen Fällen sei der steuerpflichtige Teil der Rente von den Rentenempfängern selbst nur schwierig zu ermitteln. In der Folge komme es "gehäuft zu unzutreffenden, von der Rentenbezugsmitteilung abweichenden Eintragungen in die Steuererklärungsformulare", stellen die Länder fest und verlangen, dass die Bescheinigung der steuerrelevanten Daten allen Rentenempfängern automatisch zugestellt wird. Bisher geschehe dies nur auf Antrag.

Die Bundesregierung lehnt dies in ihrer Gegenäußerung ab. 600.000 Rentner würden derzeit die Mitteilung zur Vorlage beim Finanzamt erhalten. Eine Erweiterung würde bei den Trägern der Rentenversicherung zu erheblichen Kosten führen. Allein die Rentenversicherung Bund hätte dann elf Millionen Informationen zu versenden. Außerdem erwartet die Regierung, dass dann mehr Rentner eine Steuererklärung abgeben würden, weil sie das Schreiben als Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung ansehen könnten. Bis 2011 sei die Zahl der steuerbelastete Einkommensteuerpflichtigen mit Rentenbezügen schon auf 3,8 Millionen gestiegen. Es gebe insgesamt 20,6 Millionen Rentenbezieher.

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3. Kein Steuergeld für Bereitschaftskraftwerke

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Eine Finanzierung aus Steuergeldern für die abzuschaltenden Kohlekraftwerke, die aber bis zu ihrer endgültigen Stilllegung als Sicherheitsreserve zur Verfügung stehen sollen, ist nicht vorgesehen. In ihrer Antwort (18/7321) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/7057) schreibt die Bundesregierung, die an die Betreiber der stillzulegenden Kraftwerke zu zahlende Vergütung für Sicherheitsreserve und endgültige Stilllegung werde aus den Netzentgelten bezahlt. Die Netzentgelte werden über den Strompreis erhoben. Die Gesamtkosten sollen sich auf 230 Millionen Euro jährlich über sieben Jahre belaufen. Zur Sicherheitsreserve schreibt die Bundesregierung, die Braunkohlekraftwerke sollten nur eingesetzt werden, wenn keine anderen Maßnahmen zur Verfügung stehen, um eine Gefährdung oder Störung der Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems zu beseitigen. Sie gehe davon aus, dass die Maßnahme beihilferechtlich genehmigungsfähig sei, schreibt die Regierung weiter.

Bei der Antwort handelt es sich um eine Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage auf Bundestagsdrucksache 18/5861.

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4. Ausschreibungen bei Photovoltaik

Wirtschaft und Energie/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/HLE) Nach den Ergebnissen der dritten Ausschreibungsrunde der Pilotausschreibungen für Photovoltaik-Freiflächenanlagen erkundigt sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer Kleinen Anfrage (18/7504). Die Bundesregierung soll Angaben zur Zahl der Gebote und zum Gebotsmengenvolumen in Kilowatt machen. Außerdem soll sie Details zu den Einreichern der Angebote nennen. In der Vorbemerkung zur Kleinen Anfrage verweist die Fraktion auf die große Bedeutung der Akteursvielfalt bei der Stromerzeugung.

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5. Ausschüsse für den Wettbewerb

Wirtschaft und Energie/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/HLE) Um Wettbewerbsausschüsse in den Euroländern geht es in einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (18/7348). In der Vorbemerkung schreibt die Fraktion, die Einführung dieser Wettbewerbsausschüsse sei im Fünf-Präsidenten-Bericht zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion vom Juni 2015 vorgeschlagen worden. Im Oktober habe die EU-Kommission diesen Vorschlag konkretisiert. Die Bundesregierung soll angeben, welche Bereiche die Definition der "Wettbewerbsfähigkeit" umfasst, die der Arbeit der Ausschüsse zugrunde gelegt werden solle. Gefragt wird außerdem unter anderem nach der demokratischen Kontrolle der Wettbewerbsausschüsse und den Kompetenzen der EU-Kommission.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 096 - 18. Februar 2016 - 11.57 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2016

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