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BUNDESTAG/5684: Heute im Bundestag Nr. 198 - 11.04.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 198
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 11. April 2016, Redaktionsschluss: 15.14 Uhr

1. Einstufung als sichere Herkunftsstaaten
2. Investmentbesteuerung wird neu geregelt
3. Keine Kohleprojekte in 2015 abgesichert
4. Vielen macht die Sommerzeit Probleme


1. Einstufung als sichere Herkunftsstaaten

Inneres/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Algerien, Marokko und Tunesien sollen nach dem Willen der Bundesregierung als asylrechtlich sichere Herkunftsstaaten eingestuft werden. Dies geht aus einem Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/8039) hervor, der am Donnerstag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht.

Darin schreibt die Regierung, nur durch eine entsprechende gesetzliche Regelung könne für Behörden und Gerichte gleichermaßen verbindlich festgelegt werden, "dass - vorbehaltlich der Möglichkeit einer Widerlegung der Vermutung der Verfolgungsfreiheit im Einzelfall - ein von dem Staatsangehörigen eines solchen Staates gestellter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen ist". Bei einer solchen Ablehnung werde das Asylverfahren erheblich beschleunigt. Die Einstufung der drei Länder als sichere Herkunftsstaaten verbessere daher die Möglichkeit, aussichtslose Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten rascher bearbeiten und ihren Aufenthalt in Deutschland schneller beenden zu können. Damit werde zugleich die Zeit des Sozialleistungsbezugs in Deutschland verkürzt "und der davon ausgehende Anreiz für eine Asylbeantragung aus wirtschaftlichen Gründen reduziert".

Zugleich betont die Bundesregierung, sie sei nach sorgfältiger Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, "dass in den genannten Staaten gewährleistet erscheint, dass dort generell, systematisch und durchgängig weder Verfolgung noch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung noch Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu befürchten sind".

Wie es in der Vorlage weiter heißt, ist die Zahl der in Deutschland von Staatsangehörigen der drei nordafrikanischen Länder gestellten Asylanträge im Verlauf der vergangenen Jahre angestiegen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe im Jahr 2015 insgesamt 4.910 Asylanträge von Angehörigen dieser Staaten entgegengenommen, während im System EASY - eine IT-Anwendung zur Erstverteilung der Asylsuchenden auf die Bundesländer, bei der Fehl- und Doppelerfassungen nicht ausgeschlossen werden könnten - im vergangenen Jahr 13.833 algerische, 10.258 marokkanische und 1.945 tunesische Staatsangehörige registriert worden seien.

Demzufolge ist in diesem Jahr laut Bundesregierung mit einem erheblichen Anstieg von Asylantragstellungen von Staatsangehörigen dieser drei Länder zu rechnen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl, Flüchtlingsschutz oder subsidiärem Schutz lägen indes nur in wenigen Einzelfällen vor. Im Jahr 2015 habe die Anerkennungsquote für Algerien 0,98 Prozent betragen, für Marokko 2,29 Prozent und die Tunesische Republik null Prozent.

"Durch die zahlreichen, zumeist aus nicht asylrelevanten Motiven gestellten Asylanträge" würden Bund, Länder und Kommunen mit erheblichen Kosten belastet, argumentiert die Regierung ferner. Dies gehe im Ergebnis zu Lasten der tatsächlich schutzbedürftigen Asylsuchenden, da für sie weniger Kapazitäten zur Verfügung stünden. Eine "Eindämmung der aus nicht asylrelevanten Motiven gestellten Asylanträge" sei daher geboten.

Der Bundesrat, dessen Zustimmung der Gesetzentwurf bedarf, verweist in seiner Stellungnahme zu der Vorlage unter anderem auf Fragen zu dem Bewertungsergebnis der Bundesregierung zur Lage in den drei Staaten. Dabei kämen "der Lage von Minderheiten, auch von Volksgruppen sowie von Homo- , Trans- und Intersexuellen, ebenso wie dem handeln staatlicher Stellen, der Gewährleistung der Pressefreiheit und rechtsstaatlichen Verfahren besondere Bedeutung zu", schreibt der Bundesrat und bittet die Bundesregierung, "bestehende Zweifel im weiteren Beratungsverfahren auszuräumen".

Dazu führt die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung unter anderem aus, dass homosexuelle Handlungen in Tunesien grundsätzlich strafbar seien, während eine systematische Verfolgung Homosexueller nicht stattfinde. Auch in Marokko seien homosexuelle Handlungen strafbar; in den meisten Fällen werde Homosexualität faktisch geduldet, "eine systematische Verfolgung (verdeckte Ermittlungen etc)" finde nach Erkenntnissen der Bundesregierung nicht statt. In Algerien seien homosexuelle Handlungen ebenfalls strafbar; eine systematische Verfolgung finde auch dort nicht statt. Homosexualität werde "für die Behörden dann strafrechtlich relevant, wenn sie offen ausgelebt wird", heißt es in der Gegenäußerung weiter.

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2. Investmentbesteuerung wird neu geregelt

Finanzen/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HLE) Die Besteuerung von Publikums-Investmentfonds soll völlig neu geregelt und einfacher werden. Außerdem sollen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Besteuerung von Kapitalerträgen unterbunden werden. Diese Ziele verfolgt die Bundesregierung mit dem von ihr eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung (18/8045). "Anstatt fortwährender punktueller Eingriffe ist es sinnvoller, die generelle Anfälligkeit des Investmentsteuerrechts für Steuerumgehungsgestaltungen durch grundlegende Änderungen nachhaltig zu reduzieren", begründet die Regierung ihr Vorhaben. Sie räumt aber auch ein, "dass derzeit weitere Gestaltungsmodelle betrieben werden, die der Finanzverwaltung noch unbekannt sind".

Grund für die Änderungen ist auch die Rechtsprechung auf europäischer Ebene. Danach ist es möglicherweise nicht mehr zulässig, dass inländische Investmentfonds von der Steuer freigestellt werden, ausländische aber mit einer abgeltend wirkenden Kapitalertragsteuer belastet werden. Die inländischen Fonds behalten die Steuern derzeit bei der Ausschüttung der Erträge von den Anlegern ein.

Ab 2018 wird die Besteuerung geändert. Danach müssen inländische Publikumsfonds Steuern auf aus deutschen Einkunftsquellen stammenden Dividenden, Mieterträgen und Gewinnen aus dem Verkauf von Immobilien in Höhe von jeweils 15 Prozent (Körperschaftsteuer) abführen. Steuerfrei vereinnahmt werden können von den Fonds weiterhin Zinsen, Veräußerungsgewinne aus Wertpapieren, Gewinne aus Termingeschäften, ausländische Dividenden und ausländische Immobilienerträge.

Die Anleger wiederum brauchen für ihre Steuererklärung nur noch wenige Angaben zu machen. Bisher gab es 33 verschiedene Besteuerungsgrundlagen. Künftig müssen angegeben werden: Höhe der Ausschüttung, Wert des Fondsanteils am Jahresanfang und am Jahresende, Art des Fonds (Aktienfonds, Mischfonds, Immobilienfonds, sonstiger Fonds). Nicht mit Körperschaftsteuer belastet werden Fondsanlagen gemeinnütziger Einrichtungen (etwa Kirchen) und Investmentanteile im Rahmen von zertifizierten Altersvorsorgeverträgen (Riester- und Rürup-Renten). Bei Altersvorsorgeverträgen findet eine Besteuerung in der Auszahlungsphase statt.

Um die Vorausbelastung der Fonds mit Körperschaftsteuer und die Nicht-Anrechenbarkeit ausländischer Steuern zu kompensieren, müssen Anleger die Erträge der Fonds nicht mehr vollständig versteuern, sondern es erfolgt eine Teilfreistellung. Bei der Kapitalanlage in Aktienfonds bleiben beim Privatanleger in Zukunft 30 Prozent steuerfrei, bei Mischfonds sind es 15 Prozent. Bei Immobilienfonds bleiben 60 Prozent steuerfrei (Auslandsimmobilien: 80 Prozent). In allen anderen Fällen gilt, dass Ausschüttungen von Publikums-Investmentfonds in voller Höhe zu versteuern sind. Wenn Fonds nicht ausschütten (thesaurieren), wird eine jährlich neu festzulegende steuerliche Vorabpauschale erhoben. Ihre Höhe hätte 2015 0,7 Prozent des Werts des Fondsanteils zum Jahresanfang betragen. Die Regelung gilt der "Vermeidung einer zeitlich unbeschränkten Steuerstundungsmöglichkeit und damit zur Verhinderung von Gestaltungen sowie zur Verstetigung des Steueraufkommens", wie es in der Begründung heißt. Damit soll auch verhindert werden, "dass sich vermögende Anleger einen eigenen Investmentfonds zulegen, um fortan eine von der Besteuerung abgeschirmte Kapitalanlage zu betreiben".

Weiterhin sollen mit dem Gesetzentwurf bestimmte steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten in der Nachfolge der sogenannten Cum/Ex-Geschäfte unterbunden werden. Mit diesen als Cum/Cum-Geschäften bezeichneten Wertpapierverschiebungen können Steuerausländer oder inländische Körperschaften durch Verkauf von Aktien kurz vor dem Dividendenstichtag die Besteuerung vermeiden. Zwar muss der Käufer Kapitalertragsteuer für die Dividenden bezahlen. Nachdem sich der Kurs durch Ausschüttung der Dividende entsprechend reduziert hat, verkauft der Käufer die Aktien wieder an den ursprünglichen Eigentümer. Der Verlust aus dem Verkauf kann mit der erzielten Dividende verrechnet werden, so dass nach Angaben der Bundesregierung "die einbehaltene Kapitalertragsteuer an den Käufer erstattet werden muss. Die Steuerersparnis teilen sich Verkäufer und Käufer." Ein Mindesthaltezeitraum soll diese Gestaltungsmöglichkeiten beenden. So wird keine Anrechnung mehr gewährt, wenn Steuerpflichtige innerhalb eines 91-tägigen Zeitraums rund um den Dividendentermin nicht an 45 Tagen Eigentümer der Wertpapiere ist. Die Vorschriften gelten erst für Kapitalerträgen ab 20.000 Euro im Jahr, treten aber bereits 2016 in Kraft, was nach Angaben der Regierung eine "unechte Rückwirkung" darstellt, die aber zulässig sei.

Für Spezial-Investmentfonds, in die grundsätzlich nur institutionelle Anleger investieren dürfen, gelten die alten semitransparenten Besteuerungsvorschriften weiter.

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3. Keine Kohleprojekte in 2015 abgesichert

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Im Rahmen der Exportkreditgarantien wurden im Jahr 2015 keine Exporte im Zusammenhang mit Kohlekraftwerksprojekten durch Hermesbürgschaften abgesichert. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/7994) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/7751) mit. 2013 und 2014 seien insgesamt sieben Projekte oder Zulieferungen in Höhe von 1,134 Milliarden Euro abgesichert worden, davon fünf (1,106 Milliarden Euro) in 2013 und zwei (28 Millionen Euro) in 2014.

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4. Vielen macht die Sommerzeit Probleme

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Bericht

Berlin: (hib/HLE) Die Sommerzeit macht vielen Menschen offenbar erheblich mehr Probleme als bisher vermutet. Es gebe vermehrt wissenschaftliche Hinweise darauf, "dass die Anpassung des Systems der biologischen Rhythmen des Menschen insbesondere an die Zeitumstellung im Frühjahr (die zum ,Verlust' einer Tagesstunde führt) sich nicht so einfach beziehungsweise so zügig vollzieht, wie noch vor wenigen Jahren angenommen worden war", heißt es in dem Bericht (18/8000) des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenausschusses mit dem Titel "Bilanz der Sommerzeit".

So gebe es Hinweise darauf, dass der Anpassungsprozess selbst binnen vier Wochen nach der Zeitumstellung möglicherweise nur unvollständig gelingen könne. Wörtlich heißt es: "Namentlich den sogenannten ,späten Chronotypen' - Personen, die von Natur aus morgens eher lange schlafen, dafür aber bis spät abends aktiv sind - scheint die Zeitumstellung im Frühjahr größere Anpassungsschwierigkeiten zu bereiten." Demgegenüber scheine die Zeitumstellung im Herbst nur geringe Anpassungsschwierigkeiten hervorzurufen.

Strom wird mit der Sommerzeit kaum eingespart. Wie es in dem Bericht heißt, hätten Modellsimulationen zum Stromverbrauch deutscher Haushalte nur geringfügige Verbrauchsminderungen von 0,8 Prozent ergeben. Hochgerechnet auf den nationalen Strom- beziehungsweise Endenergieverbrauch würden sich Einsparungen von 0,21 beziehungsweise 0,045 Prozent ergeben. Der derzeitige Kenntnisstand liefere keine belastbaren Hinweise darauf, "dass die Anwendung der Sommerzeit ernsthafte positive oder negative energetische, wirtschaftliche, oder gesundheitliche Effekte nach sich zieht", heißt es im Resümee.

Der Bericht geht auch auf die rechtliche Situation ein. So könne die Sommerzeit nur im Wege einer Änderung der EU-Richtlinie 2000/84/EG verändert oder abgeschafft werden. Das hierfür erforderliche Gesetzgebungsverfahren könne auf vier verschiedenen Wegen in Gang gesetzt werden: 1. Auf Initiative der EU-Kommission, 2. Nach Aufforderung des Europäischen Parlaments, 3. Nach Aufforderung des EU-Rates und 4. Als Reaktion auf eine Europäische Bürgerinitiative. In dem Bericht wird es als unwahrscheinlich bezeichnet, dass es eine Initiative der EU-Kommission geben könnte, da die Regelungen zur Sommerzeit vollständig harmonisiert und auf unbefristete Zeit festgeschrieben seien. Auch nach Initiativen des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates wäre die EU-Kommission aufgrund ihres Initiativmonopols nicht verpflichtet, einen Rechtssetzungsakt einzuleiten. Dies gelte auch für das Begehren einer Bürgerinitiative, für die eine Million Unterschriften notwendig seien. Die EU-Kommission könne die Initiative zurückweisen und wäre "aufgrund ihres Initiativmonopols lediglich dazu verpflichtet, ihre rechtlichen und politischen Schlussfolgerungen zu der Initiative sowie die Gründe für den Verzicht auf ein weiteres Vorgehen darzulegen".

In dem Bericht werden Meinungsumfragen in Deutschland aufgeführt, wonach sich Haltung der Bundesbürger zur Sommerzeit stark verändert hat. 1988 hätten sich noch 58 Prozent der Befragten für die Sommerzeit ausgesprochen, die 1980 eingeführt worden war. 26 Prozent seien dagegen gewesen. 2015 habe sich bei verschiedenen Umfragen stets eine Mehrheit zwischen 56 und 73 Prozent gegen die Sommerzeit ausgesprochen. Als Begründung für die ablehnende Haltung seien in erster Linie gesundheitliche Probleme angeführt worden. Die Bundesregierung habe wiederholt und zuletzt am 4. November 2014 deutlich gemacht, dass sie "keinen Anlass sieht, sich auf europäischer Ebene für eine Abschaffung der Zeitumstellung einzusetzen". Auch von keiner anderen Regierung eines EU-Landes sei eine Forderung nach Abschaffung der Sommerzeit bekannt.

Weltweit betrachtet verzichte die Mehrzahl der Staaten auf die Sommerzeit, heißt es in dem Bericht. Einige Staaten hätten sie wieder abgeschafft. Zum Beispiel habe Russland 2011 auf eine ganzjährige Sommerzeit umgestellt. Nach Kritik vieler Bürger, denen im Winter das Aufstehen Probleme bereitet hätte, habe Russland 2014 von der ganzjährigen Sommerzeit auf ganzjährige Normalzeit umgestellt.

Eine Umstellung auf eine ganzjährige Sommerzeit könnte nach den im Bericht geschilderten Untersuchungen für Deutschland zu größeren Energieeinsparungen führen. Simulationen hätten gezeigt, dass durch eine ganzjährige Sommerzeit die Stromeinsparungen der gewohnten Sommerzeit um weitere 50 Prozent auf insgesamt 1,2 Prozent (gegenüber der Situation ohne Sommerzeit) steigen könnten.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 198 - 11. April 2016 - 15.14 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2016

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