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BUNDESTAG/5770: Heute im Bundestag Nr. 284 - 13.05.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 284
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 13. Mai 2016, Redaktionsschluss: 09.25 Uhr

1. Cum/Ex-Ausschuss hört erste Zeugen
2. Sowjetische Kriegsgefangene
3. Regierung will hohe Standards wahren
4. BMI-Veranstaltungen mit Verbänden
5. Marode Schleusen und Wehre
6. CETA-Auswirkungen auf die Bildung


1. Cum/Ex-Ausschuss hört erste Zeugen

4. Untersuchungsausschuss (Cum/Ex)/Ausschuss

Berlin: (hib/MWO) Drei ehemalige Mitarbeiter des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) standen am Donnerstag Rede und Antwort in der 8. Sitzung des 4. Untersuchungsausschusses, der sich mit der Aufarbeitung der sogenannten Cum/Ex-Geschäfte befasst. Bei diesen kam es zwischen 1999 und 2011 durch Leerverkäufe von Aktien um den Dividendenstichtag herum zu einer mehrfachen Erstattung beziehungsweise Anrechnung von tatsächlich nur einmal einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer.

Der Bankenverband hatte im Dezember 2002 in einem Schreiben an das Bundesfinanzministerium (BMF) auf die Problematik aufmerksam gemacht und eine Lösung vorgeschlagen, mit denen allerdings nur die inländischen Fälle unterbunden werden konnten. Dieser Vorschlag war 2007 in einer Gesetzesänderung aufgegriffen worden. Endgültig waren die Cum/Ex-Geschäfte erst 2012 für illegal erklärt worden. Der dem Fiskus durch diese Geschäfte gegebenenfalls entstandene Schaden wird auf etwa zwölf Milliarden Euro geschätzt.

Unter Vorsitz von Hans-Joachim Krüger (SPD) wollten die Ausschussmitglieder nun Aufklärung über die Hintergründe dieses Schreibens und über die Rolle der Bankenverbandes bei der Identifizierung und Lösung des Cum/Ex-Problems. Besonders interessierte die Abgeordneten im Verlauf der fünfeinhalbstündigen Befragung, warum der Verband erst 2002 auf das Problem aufmerksam machte und warum es so lange dauerte, bis die Praxis unterbunden wurde.

Grundlage der Befragung war die Auswertung aller Unterlagen des Bankenverbandes, die mit dem Brief und der darin behandelten Thematik im Zusammenhang stehen. Aus den 14 Ordnern mit Akten und Dokumenten geht nach Angaben aus dem Umfeld des Ausschusses hervor, dass dem BdB das Problem seit Ende der 1970er Jahre bekannt war.

Als erster Zeuge sagte Hans-Jürgen Krause, bis Ende 2003 einer der Geschäftsführer des Bankenverbands, zu dem Themenkomplex aus. Aus der Sicht des 75-Jährigen wollte der Bankenverband mit dem Brief vom Dezember 2002 einen Anstoß dazu geben, steuerinduzierte Gestaltungsmöglichkeiten endgültig zu beenden und zwar durch eine Regelung in Übereinstimmung mit den Börsenbedingungen. Es sei darum gegangen, eine Lücke zu schließen, die es Aktienkäufern ermöglicht habe, nicht abgeführte Steuern anzurechnen. Der in dem Brief an das BMF enthaltene Vorschlag habe darauf abgezielt, unberechtigte Steuerbescheinigungen zu vermeiden. Daher sollte es rein steuerrechtlich möglich werden, dass auch Kompensationszahlungen in der Folge des Wechsels des Aktieneigentümers genauso wie Dividenden steuerpflichtig werden. Dieser Vorschlag habe wiederum auch eine Lücke gehabt, auf die der Verband das Ministerium auch aufmerksam gemacht habe: Und zwar sei bei ausländischen Fällen nicht erkennbar, ob es sich um Leerverkäufe handelte. Damals sei dem Verband aber keine umfängliche Lösung eingefallen.

Nach den Worten von Krause, der seit 1989 Mitglied der Geschäftsführung des Bankenverbandes und zuständig für Steuerrecht und Steuerpolitik war, ist die Problematik von Aktiengeschäften um den Ausschüttungstermin im Verband seit Ende der 1970er Jahre bekannt gewesen, es sei dabei aber um "einfache" Verkäufe gegangen und nicht um Leerverkäufe. Mit seiner Initiative von 2002 wollte der Bankenverband nun eine gesetzliche Regelung erreichen, sagte Krause weiter. Warum diese erst 2007 zustande kam und erst 2012 auch ausländische Cum/Ex-Geschäfte unterbunden wurden, könne er nicht sagen. Er nehme aber an, dass es einfach keine schnellen Lösungen gegeben habe. Der Verband habe die Thematik auch nicht als "das riesengroße Thema" erachtet. Wegen der falschen Steuerbescheinigungen und der damit verbundenen Haftung sei es aber "gefährlich" gewesen. Mit dem Vorschlag aus dem Dezember 2002 habe man daher Nägel mit Köpfen machen wollen. Es habe sich dabei um ein Projekt auf Arbeitsebene gehandelt.

Zur Frage warum der Verband erst 2002 aktiv geworden sei, sagte Krause, der Verband habe noch abgewartet, ob der Gesetzgeber von sich aus aktiv werde, zudem habe es andere Prioritäten wie das geplante Verbot von Leerverkäufen und die Zinsbesteuerung gegeben. Zu diesem Zeitpunkt sei das Ausmaß, also das Volumen, dieser Geschäfte auch nicht bekannt gewesen. Man habe keine Erkenntnisse über derartige Geschäftsmodelle zum Schaden des Fiskus gehabt. Es sei daher um die steuerrechtliche Einordnung und abwicklungstechnische Aspekte gegangen. Es habe sichergestellt werden sollen, dass jede Steuer, egal ob mehrfach angerechnet, auch abgeführt wird. Durch die Besteuerung der Kompensationszahlung sollten diese Geschäfte unattraktiv gemacht werden.

Krause zufolge war das Thema Leerverkäufe im Verband öfter diskutiert worden. Die Frage sei gewesen, wie man mit Leerverkäufen - egal ob beim Makler hängen gebliebener "Unglücksfall" oder gestalteter Fall - umgehen solle. Leerverkäufe an sich seien nicht zu verbieten gewesen, es sei daher darum gegangen, nicht gewünschte Folgen zu vermeiden. Und eine Idee, wie dies zu bewerkstelligen sei, habe niemand von heute auf morgen gehabt. Die Anregung zu dem Vorschlag von 2002 sei von Bankenvertretern gekommen, sagte Krause auf Nachfrage. Ein Schreiben der Deutschen Bank sei in ein Verbandsschreiben umgesetzt worden. Zur Übernahme ganzer Textpassagen aus dem Verbandsbrief in das Gesetz sagte Krause, er schließe daraus, dass niemandem etwas Besseres eingefallen ist.

Der zweite Zeuge, Thomas Weißgerber, konnte nicht viel zur Aufklärung beitragen, außer dass er bestätigte, die zweite Unterschrift unter den Brief vom Dezember 2002 geleistet zu haben. Es sei üblich gewesen, Verbandsbriefe von zwei Geschäftsführern zu unterzeichnen. Weißgerber gehörte seit 1993 der Geschäftsführung des Bankenverbandes an und verantwortete dort den Geschäftsbereich Wertpapiere/Börse. Er sagte, seine Unterschrift sei seine einzige Berührung mit dem Thema gewesen. Er habe weder vorher noch nachher damit zu tun gehabt, da es in die Zuständigkeit der Steuerabteilung gefallen sei. Krause habe ihn gebeten den Brief mit zu unterschreiben und habe ihm erklärt, worum es dabei gehe. Bis 2002 habe er die Materie nicht zur Kenntnis genommen, und dann habe es geheißen, es gebe da eine Lücke, die man schließen müsse. Vom Umfang dieser Geschäfte habe er keine Ahnung gehabt. Das Thema sei zwar bei Geschäftsführerbesprechungen Tagesordnungspunkt gewesen, es hätten aber immer nur die zuständigen Geschäftsführer berichtet.

Matthias Geurts als dritter Zeuge bestätigte den bisher bekannten Ablauf des Geschehens, konnte aber zu Einzelheiten nur wenige Angaben machen. Er war bis 2001 Referent für Steuerrecht beim Bankenverband, danach Direktor in der Steuerabteilung der Deutschen Bank und ist aktuell Associate Partner bei der Wirtschaftskanzlei Noerr. Zum Schreiben der Deutschen Bank an den BdB sagte er, es sei damals darum gegangen, die mehrfache Anrechnung der Kapitalertragsteuer einzudämmen, und die sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) von 1999 zum zivilrechtlichen und wirtschaftlichen Eigentum an mit Dividende erworbenen Aktien ergebenden Probleme in den Griff zu bekommen. Mit dem Brief sollte das Thema gelöst werden, da es "erhebliche Sorgen" bei den Banken gegeben habe. Dabei sei das Haftungsrisiko "sicherlich ein Grund" gewesen. Schwierig dabei sei gewesen, so schilderte es auch Geurts, festzustellen, wer Leerverkäufer ist und wer nicht.

Auf eine weitere Frage sagte er, es sei darum gegangen, deutlich zu machen, dass eine Lösung herbeigeführt werden müsse, "weil etwas entstehen kann, was nicht gewollt ist". Der Brief der Deutschen Bank an den BdB von Mai 2002 habe die Idee enthalten, eine komplette Regulierung von ausländischen Leerverkäufen über die Abwicklungsgesellschaft Clearstream einzuführen, wie es 2012 auch gekommen ist. Warum dies nicht schon früher erfolgte wisse er nicht. Nach dem Schreiben der Deutschen Bank an den BdB habe er sich nicht weiter mit dem Thema befasst. Von dem Ausmaß der Cum/Ex-Geschäfte, die an und für sich schon immer ein Thema gewesen seien, habe er erst aus der Presse erfahren, sagte Geurts auf Nachfrage. Zu den verschiedenen Gestaltungen könne er nichts sagen, weil er solche Geschäfte nie betreut und auch keine entsprechenden Gutachten gesehen habe.

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2. Sowjetische Kriegsgefangene

Inneres/Antrag

Berlin: (hib/STO) Um die "Anerkennung der sowjetischen Kriegsgefangenen als NS-Opfer" geht es in einem Antrag der Fraktion Die Linke (18/8422). Wie die Fraktion darin ausführt, gehören die sowjetischen Kriegsgefangenen zu den "von der rassistisch motivierten Venichtungspolitik der Nazis besonders betroffenen Gruppen". Ihre Behandlung im Gewahrsam der Wehrmacht während des Zweiten Weltkriegs sei nationalsozialistisches Unrecht gewesen. Sie seien von den Nazis als "Untermenschen" diffamiert und verfolgt worden. Diese Politik spiegele sich in einer extrem großen Todeszahl der sowjetischen Kriegsgefangenen in deutschem Gewahrsam wieder.

"Der Deutsche Bundestag bittet die Überlebenden um Verzeihung für das, was ihnen durch das NS-Regime angetan wurde, und dafür, dass Deutschland so lange brauchte, dieses Unrecht bei Namen zu nennen", heißt es in der Vorlage weiter. Danach soll das Parlament zugleich begrüßen, "dass den Überlebenden ein finanzieller Anerkennungsbetrag aus den Mitteln des Bundeshaushaltes gewährt wird, wohl wissend, dass dieser Betrag weder eine angemessene Entschädigung darstellen noch vormaliges Unrecht ungeschehen machen kann".

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3. Regierung will hohe Standards wahren

Ernährung und Landwirtschaft/Antwort

Berlin: (hib/EIS) Die Ausgestaltung der regulatorischen Zusammenarbeit beim europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) soll sich an den "hohen" Standards im Bereich des Umwelt- und Verbraucherschutzes orientieren. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung (18/8363) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu den Auswirkungen des Abkommens für die Landwirtschaft (18/8033) hervor. Dazu heißt es weiter, dass auch künftig der Regulierungsspielraum erhalten bleiben soll. Dies sei im EU-Vorschlag zur regulatorischen Kooperation zudem "klar verankert". Explizit sei vorgesehen, dass die regulatorische Zusammenarbeit dazu dienen soll, hohe Schutzstandards anzustreben und nicht abzubauen. Deshalb werde es auch in Zukunft keinen Vorrang von Handels- oder Investitionsinteressen vor Umweltzielen geben. Die Bundesregierung erklärt zudem, dass ein umfassendes und ausgewogenes Abkommen angestrebt werde, und sie schränkt zugleich ein, dass beide Seiten trotz langer und intensiver Verhandlungen nicht alle ihre Ziele vollständig erreichen können.

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4. BMI-Veranstaltungen mit Verbänden

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Um "gemeinsame Veranstaltungen des Bundesministeriums des Inneren mit Vertretern von Interessensverbänden der Wirtschaft" geht es in einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (18/8386). Darin erkundigen sich die Abgeordneten unter anderem danach, nach welchen Kriterien und Verfahren Kooperationspartner für Veranstaltungen ausgewählt werden, "wenn es mehrere konkurrierende Unternehmen oder Verbände gibt, die in dem Themenbereich einer solchen Veranstaltung aktiv sind".

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5. Marode Schleusen und Wehre

Verkehr und digitale Infrastruktur/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/FZA) Nach dem Sanierungsbedarf der Schleusen und Wehre an den süddeutschen Bundeswasserstraßen Donau, Main, Neckar und Main-Donau-Kanal erkundigt sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einer kleinen Anfrage (18/8312). Darin kritisieren die Abgeordneten den allgemein schlechten Zustand vieler Bauwerke, sodass etwa an der Schleuse Friedrichsfeld oder im Nord-Ostsee-Kanal aufgrund häufiger Wartungs- und Reparaturarbeiten "kein dauerhaft zuverlässiger Betrieb möglich" sei.

Die Bundesregierung soll unter anderem aufschlüsseln, wie sich die Zustandsbewertung der Schleusen und Wehre seit 2000 verändert hat, wo es derzeit zu Sperrung komme und welche Baumaßnahmen dort durchgeführt würden.

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6. CETA-Auswirkungen auf die Bildung

Wirtschaft und Energie/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/HLE) Um einen Teilbereich des europäisch-kanadischen Freihandelsabkommens CETA geht es in einer Kleinen Anfrage der Fraktion die Linke (18/8359). Die Abgeordneten wollen von der Bundesregierung wissen, warum in den Vertrag keine Ausnahmen für verschiedene Bereiche des Bildungssystems aufgenommen worden seien. Die Bundesregierung soll unter anderem angeben, ob sie es für zuverlässig gesichert hält, dass das öffentliche Bildungssystem in Deutschland in keiner Weise von den Verpflichtungen des CETA-Vertrages tangiert wird.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 284 - 13. Mai 2016 - 09.25 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2016

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