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BUNDESTAG/5802: Heute im Bundestag Nr. 316 - 01.06.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 316
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 01. Juni 2016, Redaktionsschluss: 11.11 Uhr

1. Schnellere Hilfen für Gewaltopfer
2. Erinnerung an den Völkermord an den Armenien
3. Regierung: Türkei ist sicherer Drittstaat
4. Brüchige Waffenruhe in Syrien


1. Schnellere Hilfen für Gewaltopfer

Petitionsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Der Petitionsausschuss spricht sich für schnellere Hilfen und Erleichterungen im Verfahren des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) für Opfer von Gewalttaten aus. In der Sitzung am Mittwochmorgen beschlossen die Abgeordneten einstimmig, eine dahingehende Petition als Material an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu überweisen und den Fraktionen des Bundestags zur Kenntnis zu geben.

In der Petition werden Änderungen der Verfahrensweise bei der Umsetzung des OEG gefordert, um eine Retraumatisierung der Opfer zu vermeiden. Der Petent, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, hatte darauf verwiesen, dass mehrere seiner Patientinnen in ihrer Kindheit sexuell traumatisiert worden seien und Entschädigungsmaßnahmen gemäß OEG beantragt hätten. Die sehr rigide und für die Betroffenen belastende Verfahrensweise der dafür zuständigen Landesbehörde habe jedoch zu massiven Belastungen der Betroffenen geführt. Ebenso wie andere Kollegen, so der Petent weiter, rate er inzwischen den Betroffenen ab, ihre Ansprüche über das OEG anzumelden, um ihnen diese schweren Belastungen zu ersparen. Es ist aus seiner Sicht nicht vorstellbar, dass diese Verfahrensweise "den Sinn des Gesetzes wirklich widerspiegelt".

In der Begründung zu seiner Beschlussempfehlung weist der Petitionsausschuss darauf hin, dass das OEG für Personen, die durch tätliche Angriffe gesundheitliche Schäden erlitten haben, "ein breites Spektrum an Hilfen" zur Verfügung stelle. Dies bedeute aber auch, dass im Verfahren zu klären ist, ob die betreffende Person eine Gewalttat erlebt hat und ob die Schäden kausal darauf zurückzuführen sind. Dabei sollten Belastungen für die Betroffenen möglichst vermieden werden, schreibt der Ausschuss. Daher würden zur Ermittlung des Tatherganges gerichtliche und staatsanwaltliche Akten herangezogen, wenn diese vorhanden sind.

Bei lange zurückliegenden und damals nicht verfolgten Straftaten - wie etwa bei sexueller Traumatisierung in der Kindheit - sei dies jedoch oft nicht möglich. Daher müsse sich die betreffende Person, die den Antrag auf Leistungen nach dem OEG gestellt hat, auch zum Tathergang äußern.

In der Vorlage heißt es weiter, der Bund, der in diesem Fall kein Weisungsrecht habe, aber auch die Länder hätten die Notwendigkeit von Verbesserungen erkannt. In den vergangenen Jahren sei vieles angestoßen worden, um die Durchführung des Verfahrens im Sinne der betroffenen Personen zu verbessern. So hätten die Länder Trauma-Ambulanzen eingeführt, um nach einer Gewalttat niedrigschwellige Hilfen anzubieten. Einige Behörden hätten zudem ein Fallmanagement eingeführt, das die Betroffenen durch das OEG-Verfahren begleitet.

Noch in der laufenden Legislaturperiode, so schreibt der Petitionsausschuss, soll nach den Vorstellungen der Koalitionsfraktionen das gesamte Entschädigungsrecht, zu dem auch das OEG gehört, in einem zeitgemäßen Regelwerk neu geordnet werden. Eines der wichtigsten Anliegen im Rahmen der Arbeit an dem neuen Gesetz sei es, eine Retraumatisierung von Gewaltopfern zu vermeiden. Die vorliegende Petition sei daher geeignet, in die derzeitigen Gesetzesvorbereitungen einbezogen zu werden, urteilen die Abgeordneten.

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2. Erinnerung an den Völkermord an den Armenien

Auswärtiges/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen thematisieren die Erinnerung und das Gedenken an den "Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916". In einem gemeinsamen Antrag (18/8613) fordern die Abgeordneten die Bundesregierung auf, weiterhin zu einer breiten öffentlichen Auseinandersetzung mit der Vertreibung und fast vollständigen Vernichtung der Armenier 1915/1916 sowie der Rolle des Deutschen Reiches beizutragen und die türkische Seite zu ermutigen, sich mit den damaligen Vertreibungen und Massakern offen auseinanderzusetzen, um damit den notwendigen Grundstein zu einer Versöhnung mit dem armenischen Volk zu legen. Die Abgeordneten setzen sich unter anderem dafür ein, wissenschaftliche, zivilgesellschaftliche und kulturelle Aktivitäten in der Türkei und in Armenien zu unterstützen und zu fördern, wenn sie dem Austausch und der Annäherung sowie der Aufarbeitung der Geschichte zwischen Türken und Armeniern dienen. Türkische und armenische Regierungsvertreter sollen ermutigt werden, den derzeit stagnierenden Normalisierungsprozess der zwischenstaatlichen Beziehungen beider Länder fortzuführen. Außerdem solle die Bundesregierung dafür eintreten, dass die in jüngster Zeit begonnene Pflege des armenischen Kulturerbes in der Türkei fortgesetzt und intensiviert wird.

In dem Antrag werden die "Taten der damaligen jungtürkischen Regierung" beklagt, die zur fast vollständigen Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich geführt hätten. Ebenso seien Angehörige anderer christlicher Volksgruppen, vor allem aramäisch/assyrische und chaldäische Christen von Deportationen und Massakern betroffen gewesen. Die Abgeordneten bedauern "die unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches, das als militärischer Hauptverbündeter des Osmanischen Reichs trotz eindeutiger Informationen auch von Seiten deutscher Diplomaten und Missionare über die organisierte Vertreibung und Vernichtung der Armenier nicht versucht hat, diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu stoppen".

Der Antrag steht am morgigen Donnerstag zur Abstimmung auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums.

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3. Regierung: Türkei ist sicherer Drittstaat

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Die Bundesregierung sieht das EU-Türkei-Abkommen im Einklang mit dem EU-Recht und dem internationalen Verpflichtungen zum Flüchtlingsschutz. "Die EU-Türkei-Erklärung stellt ausdrücklich fest, dass bei der Umsetzung das EU-Recht und das Völkerrecht uneingeschränkt gewahrt werden", heißt es in einer Antwort (18/8542) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/8205). Allen Migranten werde Schutz nach den einschlägigen internationalen Standards und in Bezug auf den Grundsatz der Nicht-Zurückweisung zugesichert. Die Türkei habe wie die EU-Mitgliedstaaten die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und alle maßgeblichen völkerrechtlichen Abkommen ratifiziert; die Genfer Flüchtlingskonvention habe das Land mit einem Regionalvorbehalt ratifiziert. Explizit sei in der EU-Türkei-Erklärung zudem jegliche Art von Kollektivausweisung ausgeschlossen. Darüber hinaus habe die türkische Regierung die Einhaltung dieser Schutzstandards für syrische und nicht-syrische Flüchtlinge schriftlich zugesichert.

Die Bundesregierung ist zudem vor dem Hintergrund der rechtlichen Gewährleistung des türkischen Ausländergesetzes, dem Gesetz zum internationalen Schutz und der Behandlung von Flüchtlingen in der Türkei der Auffassung, dass das Land die Anforderungen an einen sicheren Drittstaat gemäß Artikel 38 der Richtlinie 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) erfüllt. Nach der Kenntnis der Bundesregierung entspreche dies auch der Auffassung der Europäischen Kommission. Nicht verifizieren lasse sich der Vorwurf, dass es im Zuge des Grenzschutzes an der türkisch-syrischen Grenze zu gezielten Schüssen auf Flüchtende gekommen sein soll. Auch Aussagen, wonach syrische Flüchtlinge aus der Türkei unter Anwendung von Zwang abgeschoben worden sein sollen, lassen sich nicht verifizieren, heißt es in der Antwort weiter. Nach Angaben der türkischen Regierung hätten aber seit Beginn des Jahres 2016 "vermehrt freiwillige Rückführungen aus der Türkei nach Syrien stattgefunden".

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4. Brüchige Waffenruhe in Syrien

Auswärtiges/Antwort

Berlin: (hib/AHE) Nach Einschätzung der Bundesregierung verfügt die Al-Nusra-Front in Syrien über etwa 5.000 Kämpfer und der "Islamische Staat" (IS) in Syrien und im Irak über rund 20.000 Kämpfer. Beide Gruppierungen würden durch die Vereinten Nationen als Terrororganisationen gelistet und seien von der im Februar 2016 in München erzielten Vereinbarung der International Syria Support Group (ISSG) über eine Waffenruhe in Syrien ausgeschlossen, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/8543) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/8304).

Die Waffenruhe zwischen dem syrischen Regime sowie den mit diesem verbündeten Kräften und einer größeren Anzahl bewaffneter Widerstandsgruppierungen konnte den Angaben zufolge bis Mitte April 2016 weitgehend stabil gehalten werden, obwohl es immer wieder zu schwerwiegenden Verstößen gekommen sei. "Obgleich es zu eklatanten Verstößen durch beide Seiten kam, wurde in der überwältigenden Mehrzahl von Verletzungen durch das syrische Regime und seine Verbündeten berichtet. So soll es kontinuierlich Luft- und Artillerieangriffe auf Stellungen der Opposition und auch gegen die Zivilbevölkerung in den von der Opposition gehaltenen Gebieten, etwa Angriffe gegen Krankenhäuser und Einsatz von Fassbomben, gegeben haben", heißt es in der Antwort weiter. Die Regimekräfte sollen demnach versucht haben, unter anderem Geländegewinne in den Provinzen Latakia und Idlib zu realisieren, sowie die Oppositionsgebiete in Aleppo und östlich von Damaskus weiter abzuschnüren. "Im Verlauf des April 2016 war eine weitere Intensivierung dieser Kampfhandlungen, insbesondere im Raum Aleppo, zu beobachten, sodass in den benannten Gegenden von einer Waffenruhe nur noch begrenzt gesprochen werden kann", schreibt die Bundesregierung.

Anfang Mai hätten die USA und Russland deshalb lokale Waffenstillstandsvereinbarungen für Aleppo, Latakia und Ost-Ghouta vermittelt und sich in einem gemeinsamen Statement erneut zur landesweiten Waffenruhe und den Prinzipien der Vereinbarung von München bekannt. Ein Kommuniqué des Wiener ISSG-Treffens von Mitte Mai enthalte zudem die erneute Verpflichtung aller ISSG-Mitglieder, auf die Konfliktparteien einzuwirken, die ursprünglich vereinbarte zeitlich und örtlich unbegrenzte Waffenruhe einzuhalten.

In der International Syria Support Group suchen Staaten und internationale Akteure nach einer Lösung des seit 2010 bestehenden Syrien-Konflikts. Mitglieder der Syrien-Unterstützungsgruppe sind die USA, Russland und China, eine Reihe europäischer Staaten (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien) sowie die Nachbarstaaten Syriens wie die Türkei, Saudi-Arabien und Iran. Hinzu kommen internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen, die Europäische Union und die Arabische Liga.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 316 - 1. Juni 2016 - 11.11 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2016

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