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BUNDESTAG/5911: Heute im Bundestag Nr. 425 - 07.07.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 425
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 07. Juli 2016, Redaktionsschluss: 17.42 Uhr

1. Abgas-Untersuchungsausschuss konstituiert
2. BMI-Abteilungsleiter stützt Maaßen
3. Organisatorische Defizite beim BfV
4. Streit um Integrationsmaßnahmen


1. Abgas-Untersuchungsausschuss konstituiert

5. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/stu) Der Bundestag will Manipulationen bei der Abgasbehandlung von Dieselfahrzeugen aufklären. Der dazu vom Parlament eingesetzte 5. Untersuchungsausschuss konstituierte sich am Donnerstagnachmittag. Zuvor hatte das Bundestagsplenum mit den Stimmen der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Grünen bei Enthaltung der Fraktionen von CDU/CSU und SPD der Einsetzung zugestimmt (18/8273, 18/8932).

Dem Ausschuss gehören acht ordentliche Mitglieder an. Die Union entsendet vier Abgeordnete, die SPD zwei, Linke und Grüne je einen Parlamentarier. Zum Vorsitzenden wurde der Verkehrsexperte der Linksfraktion, Herbert Behrens, bestimmt. Er ist zugleich Obmann seiner Fraktion. Für die Grünen übernimmt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Oliver Krischer diese Aufgabe, für die CDU/CSU-Fraktion deren verkehrspolitischer Sprecher Ulrich Lange (CSU) und für die SPD die Verkehrsexpertin Kirsten Lühmann.

Der Ausschuss soll aufklären, warum die realen Kraftstoffverbräuche und Auspuffemissionen von den Angaben der Hersteller bei der Typenzulassung abweichen. Dabei geht es auch um mögliche verbotene Einrichtungen, die Einfluss auf die Emissionen haben. Ausgangspunkt ist die EU-Verordnung 715/2007 von 20. Juni 2007. Der Ausschuss will herausfinden, ob und gegebenenfalls wann die Bundesregierung Hinweise auf die Manipulationen hatte und welche Schritte sie daraufhin veranlasst hat. Schließlich soll der Ausschuss klären, ob gesetzlicher Handlungsbedarf zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt sowie zur Organisation der Abgastests besteht.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) verwies in der konstituierenden Sitzung des Ausschusses darauf, dass nur in der 1. Wahlperiode des Bundestages mit neun Untersuchungsausschüssen mehr solcher Gremien eingesetzt worden seien. Das wolle er aber nicht als Anregung verstanden wissen, sondern als Hinweis, dass die jeweiligen Bundestage von diesem Instrument in der Regel sparsam Gebrauch machten. Der Ausschussvorsitzvorsitzende Behrens sagte, trotz unterschiedlicher Erwartungen an den Ausschuss setze er auf einen gemeinsamen Aufklärungswillen. Es gehe um ein wichtiges Thema, das Millionen Menschen betreffe.

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2. BMI-Abteilungsleiter stützt Maaßen

1. Untersuchungsausschuss (NSA)/Ausschuss

Berlin (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss (NSA) hat sich ein ranghoher Beamter des Bundesinnenministeriums entschieden gegen den Verdacht verwahrt, deutsche Sicherheitsbehörden könnten den Tod mutmaßlicher radikalislamischer Terroristen durch US-Drohnen billigend in Kauf nehmen. "Ich habe den Eindruck, dass es Leute gibt, die in der Vorstellungswelt leben, dass es für mich oder meine Mitarbeiter in irgendeiner Weise gleichgültig oder - ich wage es kaum auszusprechen - befriedigend ist, zu hören, dass Menschen in Kampfgebieten umkommen", empörte sich der Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit (ÖS), Stefan Kaller, in seiner Vernehmung am Donnerstag. Der Ministerialdirektor übt in seiner Funktion unter anderem die Rechts- und Fachaufsicht über das Bundesamt für Verfassungsschutz aus.

Wie bereits zahlreiche Zeugen vor ihm widersprach auch Kaller energisch der Vermutung, der Verfassungsschutz könnte durch die Übermittlung der Mobilfunkdaten von Terrorverdächtigen an US-Dienste Anlässe zu tödlichen Drohnenattacken geliefert haben. Zur Begründung nannte er einen Aspekt, der in bisherigen Vernehmungen noch nicht zur Sprache gekommen war. Der Einsatz einer Drohne, meinte Kaller, sei außerordentlich kostspielig und technisch aufwendig: "Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Amerikaner allein aufgrund der Ortung eines Handys eine Drohne abfeuern." Es gebe "keinen Nachweis eines unmittelbar kausalen Verlaufs eines gelieferten deutschen Datums für einen tödlichen Angriff".

Eine Lanze brach Kaller für Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, dessen Auftritt vor dem Ausschuss für Befremden unter den Abgeordneten gesorgt hatte. Maaßen, den er 1993 als Kollegen im Innenministerium kennengelernt habe, sei ein "außerordentlich erfolgreicher, sehr, sehr guter Präsident seiner Behörde", betonte Kaller. "Ich bin froh, dass wir ihn haben." In seiner Vernehmung vor einem knappen Monat hatte Maaßen die Vermutung geäußert, der US-Geheimdienstkritiker Edward Snowden sei ein russischer Agent. Er hatte außerdem beklagt, der Arbeitsaufwand zur Befriedigung der Informationsbedürfnisse des Untersuchungsausschusses behindere seine Behörde im Kampf gegen den Terrorismus.

Kaller sagte dazu, es gebe wohl keinen Anhaltspunkt dafür, dass Snowden bereits "eine nachrichtendienstlich gesteuerte Person" war, als er bei der National Security Agency (NSA) anheuerte. Anders lägen die Dinge jetzt, nachdem der NSA-Enthüller Zuflucht in Russland gefunden habe. Derlei gebe es nicht zum Nulltarif; gefordert sei im Gegenzug die Bereitschaft, "sich völlig abschöpfen zu lassen", meinte Kaller: "Ob ich unterm Strich solch eine Person als Spion bezeichnen möchte, soll jeder für sich entscheiden."

Verständnis äußerte Kaller auch für Maaßens Klage über anspruchsvolle parlamentarische Ermittlungen. Er und seine Mitarbeiter hätten derzeit ebenfalls Auskunftsbegehren von gleichzeitig vier Untersuchungsausschüssen zu unterschiedlichen Themen zu bedienen: "Ich kann Ihnen sagen, das ist eine enorme Belastung. Die Abteilung ächzt." Es sei "zumutbar für Abgeordnete", auch solche Auswirkungen ihres Ermittlungseifers zur Kenntnis zu nehmen. Allerdings betonte Kaller, die Sicherheitsbehörden, auch der Verfassungsschutz, seien den Anforderungen durchaus gewachsen. Gerade Maaßen bewältige diesen Kraftakt "in hervorragender Art und Weise".

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3. Organisatorische Defizite beim BfV

3. Untersuchungsausschuss (NSU)/Ausschuss

Berlin: (hib/rik) Der 3. Untersuchungsausschuss (NSU II) hat sich in seiner heutigen Sitzung erneut mit den Vorgängen um die erst spät aufgefundenen Handys und Sim-Karten des 2014 verstorbenen V-Manns und Rechtsextremisten Thomas Richter alias "Corelli" befasst. Vor der öffentlichen Zeugenvernehmung präsentierte der Ministerialdirektor a. D. Reinhard Rupprecht in nicht öffentlicher Sitzung seinen Bericht über den Umgang des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) mit dem Fall, den er im Auftrag von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) angefertigt hat. Anwesend war auch BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen, um auf Fragen der Abgeordneten antworten zu können.

Vertreter aller Fraktionen waren sich anschließend einig in der Bewertung, dass es beim Fall "Corelli" organisatorische Defizite im BfV gegeben habe. Unterschiedlich fiel aber die Einschätzung zu der Frage aus, ob es sich dabei um ein spezielles Problem in Bezug auf diesen V-Mann oder um grundsätzliche Strukturdefizite im Bundesamt handelt, für die Amtschef Maaßen die Verantwortung trägt. So sagte die Obfrau der Grünen, Irene Mihalic, die Verantwortung für das "Chaos in den Panzerschränken" ziehe sich im Bundesamt für Verfassungsschutz "durch alle Ebenen bis zur Amtsleitung". Es sei ein "ganz klares Versäumnis" von Maaßen, dass er sich zu dem brisanten Fall und der Situation in den Panzerschränken nicht persönlich habe berichten lassen. Der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger (CDU) und der Obmann der Unionsfraktion, Armin Schuster (CDU), bezeichneten die Vorgänge um die Handys und Sim-Karten hingegen als Einzelfall, aus dem sich nicht der Rückschluss ziehen lasse, dass im BfV allgemeines Chaos herrsche. Im Juli vergangenen Jahres war im Zuge eines Bürowechsels im Panzerschrank des ehemaligen V-Mann-Führers von "Corelli" ein Handy gefunden worden, das erst im April 2016 dem verstorbenen V-Mann zugeordnet wurde. Außerdem fanden sich in dem Schrank mehrere Sim-Karten, die von "Corelli" benutzt worden waren.

Der Obmann der SPD-Fraktion Uli Grötsch sagte nach der Anhörung, Rupprecht gehe in seinem Bericht davon aus, dass der V-Mann dem Verfassungsschutz "eine wesentlich höhere Zahl von Handys" übergeben habe als bislang bekannt. Ihre Auswertung sei noch immer nicht abgeschlossen. So wie Grötsch kritisierte auch die Obfrau der Linksfraktion, Petra Pau, dass die Probleme im BfV schon im NSU-Untersuchungsausschuss der vergangenen Legislaturperiode offensichtlich geworden seien, es seitdem aber keine Konsequenzen gegeben habe.

Der Obmann der Unionsfraktion Schuster wies darauf hin, dass "Corelli" eine "extrem wertvolle und außergewöhnlich ergiebige Quelle" gewesen sei, die dem BfV hervorragende Einblicke in die Neonazi-Szene ermöglicht habe. Seine Informationen hätten auch zu Zugriffen der Polizei geführt. Das sei möglicherweise der Grund dafür gewesen, warum bestehende Vorschriften im Umgang mit "Corelli" nicht genügend Beachtung gefunden hätten. Binninger sagte, bis heute gebe es "keine belegbaren und belastbaren Hinweise" auf nähere Kontakte von "Corelli" zum NSU-Trio.

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4. Streit um Integrationsmaßnahmen

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Ausschuss

Berlin: (hib/ROL) Über den richtigen Weg zur Integration von Flüchtlingen gab es am Mittwoch im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zwischen den Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und SPD auf und den Oppositionsfraktionen Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke auf der anderen Seite einen Disput. Eine Vertreterin der Grünen sagte, die Integrationspolitik der Bundesregierung sei in Wahrheit vom "Geist der Ausgrenzung" geprägt. Die Bundesregierung fordere zwar Integration, setze sie aber nicht um. "So macht man keine Integrationspolitik." Eine Vertreterin der CDU/CSU-Fraktion widersprach und lobte den Entwurf eines Integrationsgesetzes (18/8615, 18/8829) Danach könnten Asylbewerber beispielsweise ihre Ausbildung in Deutschland beenden, ohne abgeschoben zu werden. Zwei Anträge der Grünen (18/6198, 18/6345) zur Verbesserung der Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten von Flüchtlingen wurden im Ausschuss von Union und SPD abgelehnt, Die Linke stimmte den Anträgen zu.

Die Vertreterin der Grünen betonte, man müsse den lernwilligen und bildungswilligen Flüchtlingen die Türen weit öffnen und einfachere Zugänge schaffen. Es müsse beispielsweise viel mehr für eine bedarfsgerechte Sprachförderung getan werden. "Deshalb fordern wir eine richtige Bildungsoffensive, die von der Kita über die Schulen, die berufliche Bildung bis in die Hochschulen reicht."

Die Vertreterin der Union warf den Grünen vor, dass etliche Forderungen in den Anträgen mittlerweile längst überholt seien, da sie bereits umgesetzt worden seien. Zudem betonte sie, dass der Bund allein 2017 insgesamt 900 Millionen Euro und 2018 sogar 1,3 Milliarden Euro für Flüchtlinge ausgeben will. Die Forderungen der Grünen nach mehr Kooperation mit den Ländern sei zudem "kalter Kaffee", da die Kulturhoheit bei den Ländern liege und diese eine Grundgesetzänderung des Artikels 91b zur Aufhebung des Kooperationsverbotes im Schulbereich ablehnen würden.

Ein Vertreter der SPD kritisierte die Anträge der Grünen nicht so grundlegend wie der Koalitionspartner der Union. Allerdings würden die Anträge "ignorieren, was in der Zwischenzeit passiert" sei. Gleichwohl liege bei der Integration noch einiges im Argen: Von den Betrieben, die Lehrlinge ausbilden, würden nur 15 Prozent Migranten einen Lehrvertrag geben. "Das ist eine bittere Pille", sagte der SPD-Vertreter. Er betonte zudem, dass die Sozialdemokraten weiterhin für die Aufhebung des Kooperationsverbotes zwischen Bund und Ländern kämpfen würden.

Die Vertreterin der Linksfraktion stimmte im Kern den Forderungen der Grünen zu und kritisierte scharf das neue Integrationsgesetz der Bundesregierung. Dieses sei kein Meilenstein und noch nicht einmal ein Einstieg in ein irgendwann kommendes Einwanderungsgesetz. "Es ist bescheiden, geht nicht weit genug und führt manchmal sogar in die falsche Richtung", da beispielsweise die Einführung von Ein-Euro-Jobs bei den Menschen Ängste schüren würden, da sie die eigene Verdrängung auf dem Arbeitsmarkt fürchten würden. Zudem kritisierte sie die Vergrößerung der Anzahl der Schüler in den Integrationskursen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 425 - 7. Juli 2016 - 17.42 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Juli 2016

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