Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/6195: Heute im Bundestag Nr. 709 - 30.11.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 709
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 30. November 2016, Redaktionsschluss: 17.32 Uhr

1. Mehr Information für Internet-Kunden
2. Vergabeverfahren geändert
3. Anhörung zum Kartellrecht und Startups
4. Kritik an Heil- und Hilfsmittelreform
5. Prävention vor gewaltbereitem Islamismus


1. Mehr Information für Internet-Kunden

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Kunden von Telekommunikationsunternehmen werden bald bessere Informationen über die Qualität ihrer Internetzugänge erhalten. Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie stimmte am Mittwoch einer Verordnung der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen zur Förderung der Transparenz auf dem Telekommunikationsmarkt (18/8804) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zu. Die Fraktion Die Linke votierte dagegen, die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielt sich der Stimme. Die Verordnung schreibt vor, dass die Unternehmen den Kunden vor Vertragsabschluss ein Produktinformationsblatt zur Verfügung stellen müssen, das die wesentlichen Vertragsbestandteile aufzeigt. In dem Produktinformationsblatt müssen die Anbieter die Vertragslaufzeiten, die minimale, normalerweise zur Verfügung stehende und die maximale Datenübertragungsrate ebenso nennen wie die Rahmenbedingungen zu einer etwaigen Reduzierung der Datenübertragungsrate ("Drosselung"). Die Verordnung enthält noch weitere Verbesserungen für die Kunden.

Abgelehnt wurde von der Koalitionsmehrheit ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Die Abgeordneten hatten Maßnahmen zur Sicherstellung der Netzneutralität und klare Mindestqualitätsvorgaben für Internetzugangsdienste verlangt.

*

2. Vergabeverfahren geändert

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Das Verfahren zur Vergabe sogenannter Wegenutzungsrechte für Verteilnetze (Gas, Strom) in den Kommunen soll verbessert werden. Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie stimmte am Mittwoch dem von der Regierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften zur Vergabe von Wegenutzungsrechten zur leitungsgebundenen Energieversorgung (18/8184) zu. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD votierten für den Entwurf, die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen waren dagegen. Zuvor hatte die Koalition mit ihrer Mehrheit noch einen Änderungsantrag beschlossen. Die Wegenutzungsrechte zur leitungsgebundenen Energieversorgung (auch "Konzessionen" genannt) müssen in vergabeähnlichen Verfahren alle 20 Jahre neu vergeben werden. Mit dem Gesetzentwurf werden mehrere Instrumente eingeführt beziehungsweise erweitert. Dazu gehört unter anderem eine Konkretisierung des Auskunftsanspruchs der Gemeinde gegenüber dem Inhaber des Wegenutzungsrechts im Hinblick auf relevante Netzdaten. Mängel im Vergabeverfahren müssen in Zukunft innerhalb bestimmter Fristen vorgebracht werden. Bei der Übereignung der Netze "gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung" soll regelmäßig der Grundsatz des objektivierten Ertragswertes gelten.

*

3. Anhörung zum Kartellrecht und Startups

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Ausschuss für Wirtschaft und Energie hat am Mittwoch die Durchführung einer öffentlichen Anhörung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (18/10207) beschlossen. Die Anhörung soll am 23. Januar 2017 stattfinden. Der Gesetzentwurf sieht Änderungen bei der Fusionskontrolle vor. Junge innovative Unternehmen, so genannte Startups, sollen nicht mehr durch große etablierte Unternehmen übernommen werden können, ohne dass eine Kontrolle durch Kartellbehörden stattfindet. Außerdem sollen mit dem Entwurf für Kooperationen von Presseverlagen Ausnahmen vom Kartellverbot geschaffen werden. Grund ist der anhaltende Rückgang insbesondere des Anzeigenaufkommens und der Werbeerlöse im Printbereich.

*

4. Kritik an Heil- und Hilfsmittelreform

Gesundheit/Anhörung

Berlin: (hib/PK) Die von der Bundesregierung geplante Reform der Heil- und Hilfsmittelversorgung wird von Gesundheitsexperten sowie den betroffenen Branchenvertretern sehr befürwortet. Einzelne Regelungen in dem Gesetzentwurf (18/10186) stoßen jedoch auf Bedenken, wie sich anlässlich der öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses zu der Vorlage am Mittwoch in Berlin zeigte und auch aus den schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen hervorgeht.

So fürchten etwa die Hersteller und Anbieter von medizinischen Hilfsmitteln, dass sie bei der Vergabe von Aufträgen künftig benachteiligt werden könnten. Auch die Qualitätsoffensive wird in der praktischen Anwendung kritisch gesehen. Ferner sorgen sich Experten wegen der zusätzlich geforderten Angaben um den Datenschutz und die Bürokratielasten.

Während Heilmittel wie Krankengymnastik oder Massagen zur Gesundung beitragen, dienen Hilfsmittel wie Rollstühle, Prothesen oder Brillen dazu, Defizite auszugleichen.

Die Reform soll mehr Qualität und Transparenz in diesen Markt bringen. Mit dem Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) soll der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) dazu verpflichtet werden, bis Ende 2018 das Hilfsmittelverzeichnis zu aktualisieren. Zudem soll der Spitzenverband bis Ende 2017 eine Systematik schaffen, um das Verzeichnis auch künftig aktuell zu halten.

Die Krankenkassen sollen bei ihren Vergabeentscheidungen künftig neben dem Preis auch qualitative Anforderungen an die Hilfsmittel berücksichtigen. Zudem werden die Krankenkassen auch bei Ausschreibungen dazu verpflichtet, den Patienten eine Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen mehrkostenfreien Hilfsmitteln einzuräumen.

Um mehr Transparenz zu schaffen, müssen die Anbieter die Versicherten künftig beraten, welche Hilfsmittel und zusätzlichen Leistungen für sie geeignet sind und von den Krankenkassen als Regelleistung bezahlt werden. Die Anbieter werden verpflichtet, die Höhe der Mehrkosten anzugeben.

Die Krankenkassen sollen über ihre Hilfsmittel-Vertragspartner und die Inhalte der Verträge informieren. So können Versicherte die Angebote der Krankenkassen im Bereich der Hilfsmittel vergleichen.

Heilmittelerbringer, also Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden (Sprachtherapie) und Podologen (Fußheilkunde), sollen künftig über sogenannte Blankoverordnungen stärker in die Verantwortung genommen werden. Demnach wird das Heilmittel weiter von einem Arzt verordnet, der Heilmittelerbringer bestimmt aber Auswahl, Dauer und Abfolge der Therapie.

In dem Gesetzentwurf umstritten ist die sogenannte 40/60-Regelung, die bewirken soll, dass die Krankenkassen den Zuschlag für ein HILFSMITTEL nicht nur aufgrund des guten Preises erteilen, sondern auch die Qualität maßgeblich ist. Im Gesetz heißt es dazu, soweit die qualitativen Anforderungen nicht "erschöpfend" in der Leistungsbeschreibung festgelegt seien, müsse bei der Gewichtung der Zuschlagskriterien der Qualitätsaspekt zu mindestens 40 Prozent berücksichtigt werden.

Der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) hält das für problematisch und meint, wie auch die Herstellervereinigung eurocom, damit liefe die eigentliche Absicht ins Leere. Schon heute rechtfertigten die Krankenkassen die Wahl des Preises als einziges Zuschlagskriterium mit dem Argument, die Qualität sei abschließend im Rahmen- und Hilfsmittelvertrag geregelt, gibt BVMed zu bedenken. Die 40/60-Regelung werde somit voraussichtlich auch künftig, gerade bei Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses, nicht angewendet. Das alleinige Zuschlagskriterium bliebe dann der günstigste Preis.

Nach Ansicht des GKV-Spitzenverbandes ist die Qualitätsoffensive in der Intention sehr zu begrüßen. Jedoch lasse die Ausgestaltung der neuen Regelung "entscheidende Fragen unbeantwortet" und werde eher zu neuen Rechtsunsicherheiten als zu einer Qualitätsverbesserung führen. Statt der Gewichtung von Zuschlagskriterien sollte den Krankenkassen generell ermöglicht werden, qualitativ höherwertige Leistungen anbieten zu können. Dazu seien größere vertragliche Gestaltungsspielräume nötig.

In dem Zusammenhang bemerkte der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT), angesichts der geplanten Regelungen zur Daten- und Informationsübermittlung stelle sich die Frage, wer bei der Verarbeitung und Weitergabe von medizinischen und ökonomischen Messdaten welche Rechte besitze. Die Meldung privater Aufzahlungen der Versicherten verstoße gegen das Verfassungsrecht und das Bundesdatenschutzgesetz. Im Bereich der individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) würden von den Krankenkassen keine Daten erhoben. Es gebe keinen Grund, die Höhe des privaten Aufzahlungsbetrags von der GKV zu erheben und zu nutzen. Auch die Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung sieht diese Regelung kritisch und rät zu einem anderen Verfahren.

Der Deutsche Industrieverband für optische, medizinische und mechatronische Technologien forderte Mitentscheidungsrechte der Hersteller bei der Verfahrensordnung zur Aufnahme von Hilfsmitteln und zur Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses. So sollte der GKV-Spitzenverband dazu verpflichtet werden, ein Expertengremium mit medizinischen Fachgesellschaften und Verbänden der Hersteller und Leistungserbringer zu installieren.

Ein Sachverständiger aus der Praxis erinnerte in der Anhörung an den Skandal mit minderwertigen Inkontinenzprodukten (Windeln) und hob die Bedeutung verlässlicher Qualitätsstandards auch in diesem Bereich hervor. Ein Sprecher des Zentralverbandes Orthopädieschuhtechnik (ZVOS) gab in der Expertenrunde zu Bedenken, dass etwa bei der Anpassung orthopädischer Einlagen für Diabetiker die Dienstleistung entscheidend sei. Dies müsse bei der Ausschreibung individuell gefertigter Hilfsmittel berücksichtigt werden.

Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) appellierte in seiner Stellungnahme an den Gesetzgeber, die "schwerwiegende Versorgungslücke" in Fällen von gravierender Fehlsichtigkeit mit der Novelle endlich zu schließen. Die Betroffenen seien ohne Brille oder Kontaktlinsen nahezu blind, bekämen aber die nötige Hilfe nicht, weil sie mit "hinzugedachten" Sehhilfen mehr als 30 Prozent sehen könnten. Wer sich die teuren Sehhilfen nicht leisten könne, sei in seiner Teilhabe am gesellschaftlichen Leben massiv beeinträchtigt und könne kaum ein eigenständiges Leben führen. Betroffen seien zum Beispiel Patienten mit pathologischer Myopie oder Aphakie (Linsenlosigkeit).

Was die HEILMITTEL angeht, plädierten der GKV-Spitzenverband wie auch einzelne Krankenkassen dafür, die Bewertung der bereits laufenden Modellprojekte zur Blankoverordnung abzuwarten und erst dann über das weitere Vorgehen zu entscheiden. Der Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) machte sich dafür stark, gleich den Direktzugang von Versicherten zu Heilmittelerbringern zu ermöglichen und dies zu erproben. Der Direktzugang wäre effektiv und mit Einsparungen verbunden. Eine Sprecherin des Deutschen Bundesverbandes für Logopädie (dbl) sagte in der Anhörung, der Direktzugang werde sofort benötigt, die Blankoverordnung sei nicht interessant.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) nannte die Intention des Gesetzgebers nachvollziehbar. Die Regelung könnte auch zu einer sinnvollen Entlastung der Ärzte führen. Allerdings müssten die Mediziner zwingend in die Modellvorhaben eingebunden werden, weil sie die Gesamtverantwortung trügen und damit die Möglichkeit haben müssten, kontraindizierte Heilmittel auszuschließen oder eine Heilmitteltherapie zu beenden. Zudem müsse es klare Regelungen zur Rückmeldung der Heilmittelerbringer an den Arzt geben.

Heftig umstritten ist die in den Jahren 2017 bis 2019 vorgesehene Aufhebung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität, die mehr Spielraum bei der Vereinbarung der Heilmittelpreise ermöglichen soll. Damit werde eine Preisspirale in Gang gesetzt, die bei den Beitragszahlern zu weiteren finanziellen Belastungen führen werde, warnte der GKV-Spitzenverband.

Im Gesetz ist dazu vorgesehen, in den drei Jahren die Anbindung der Heilmittelpreise an die Grundlohnsumme abzukoppeln. Die Grundlohnsumme setzt sich zusammen aus den beitragspflichtigen Einnahmen der Versicherten. Die Entwicklung der Grundlohnsumme ist maßgeblich für die Vergütung der Leistungen in der GKV, denn laut Gesetz müssen die Vergütungen so ausfallen, dass keine Beitragssatzerhöhungen notwendig werden.

Auch der Sozialverband Deutschland (SoVD) erklärte, diese Regelung werde nicht zu Leistungsverbesserungen führen, sondern lediglich die Verhandlungsposition der Heilmittelerbringer stärken. Die Interessengemeinschaft der selbstständigen Sprachtherapeuten hält hingegen die jetzigen Sockelbeträge für völlig unzureichend. Die freien Praxen seien nicht annähernd in der Lage, ihren Angestellten Tariflöhne zu zahlen. Zwischen den Gehältern im stationären und ambulanten Bereich klaffe eine Lücke von bis zu 40 Prozent. Nach Ansicht des SHV sollte die Grundlohnsummenanbindung für immer wegfallen.

In der Anhörung mitberaten wurden zwei Anträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/8399; 18/10247) zur Heilmittelversorgung sowie mehrere Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen von Union und SPD, die nicht unmittelbar mit der Heil- und Hilfsmittelreform zusammenhängen.

*

5. Prävention vor gewaltbereitem Islamismus

Inneres/Antrag

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dringt auf eine "bundesweite Präventionsstrategie gegen den gewaltbereiten Islamismus". In einem Antrag (18/10477) fordert die Fraktion die Bundesregierung auf, ein Konzept für die Entwicklung einer solchen Strategie zu erarbeiten. Zu den Eckpunkten soll dabei der Vorlage zufolge die Einrichtung eines bundesweiten Präventionszentrums gehören, zu dessen Aufgaben neben der Erarbeitung der Strategie die Begleitung und Koordination ihrer Implementierung als auch ihre Evaluation und nachfolgende Fortentwicklung zählen soll. Die Strategie entwickeln sollen laut Antrag zivilgesellschaftliche und staatliche Akteure "gemeinsam und auf gleicher Augenhöhe".

Ferner sollen unter anderem nach den Vorstellungen der Fraktion Bund und Länder die muslimischen Verbände und Moscheegemeinden "ermutigen oder gegebenenfalls dabei unterstützen, zu evaluieren, ob sie wirklich in der Lage sind, Radikalisierungstendenzen frühzeitig zu erkennen beziehungsweise ob sie allein imstande sind, adäquate und nachhaltige Gegenstrategien zu entwickeln". Auch sollten Bund und Länder helfen, die Voraussetzungen zu schaffen für die Einführung eines bedarfsgerechten Angebots für einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht, der den Schülern die Reflexion des eigenen religiösen Selbst- und Weltverständnisses ermöglicht. Ebenso sollten Bund und Länder bei der Schaffung der Voraussetzungen für den Aufbau einer kompetenten muslimischen Gefängnisseelsorge helfen sowie für die Unterstützung von "Initiativen in Richtung einer demokratischen muslimischen Jugendarbeit".

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 709 - 30. November 2016 - 17.32 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Dezember 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang