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BUNDESTAG/7249: Heute im Bundestag Nr. 399 - 12.06.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 399
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 12. Juni 2018, Redaktionsschluss: 11.00 Uhr

1. Kritik an Musterfeststellungsklage
2. Regierung: Keine Risiken durch Kryptogeld
3. Datenausschausch im CTG-Rahmen
4. Förderung von Migrantenorganisationen
5. Politisch rechts motivierte Kriminalität
6. Stellen bei Beauftragten erfragt


1. Kritik an Musterfeststellungsklage

Recht und Verbraucherschutz/Ausschuss

Berlin: (hib/mwo) Das schnelle Gesetzgebungsverfahren zur Einführung der Musterfeststellungsklage hat Experten zufolge Auswirkungen auf die Qualität der Entwürfe der Koalitionsparteien und der Bundesregierung (19/2439, 19/2507). In einer öffentlichen Sachverständigenanhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz unter Leitung des Vorsitzenden Stephan Brandner (AfD) sprachen sich Professoren sowie Vertreter von Justiz und Verbraucherschutzverbänden für zum Teil deutliche Nachbesserungen aus oder stellten das Vorhaben ganz infrage und machten eine Vielzahl von Verbesserungsvorschlägen. Auch der ebenfalls zur Diskussion stehende Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Einführung einer Gruppenklage (19/243) führt nach Meinung der Experten nicht zu dem gewünschten Ergebnis.

Mit der Einführung der Musterfeststellungsklage im Zivilrecht soll ein Rechtsschutzinstrument für durch unrechtmäßige Verhaltensweisen von Anbietern gleichartig geschädigte Verbraucher geschaffen werden. Eingetragene Verbraucherschutzverbände sollen die Möglichkeit erhalten, zugunsten von mindestens zehn Verbrauchern das Vorliegen oder Nichtvorliegen zentraler anspruchsbegründender beziehungsweise anspruchsausschließender Voraussetzungen feststellen zu lassen, heißt es in dem Entwurf. Angesichts des erforderlichen hohen Aufwands im Einzelfall sähen Betroffene oft von einer Klage ab, und der unrechtmäßig erlangte Gewinn verbleibe bei dem Anbieter. Das Gesetz soll am 1. November dieses Jahres in Kraft treten, um eine Verjährung zu verhindern, und war vor allem vor dem Hintergrund des Dieselabgasskandals gefordert worden. Die betroffenen Verbraucher sollen ihre Ansprüche zu einem Klageregister anmelden können. Außerdem soll das Musterfeststellungsurteil Bindungswirkung für nachfolgende Klagen der Verbraucher entfalten. Der Entwurf der Grünen sieht ebenfalls die Bündelung von Verbraucheransprüchen vor.

Kritikpunkte der Sachverständigen am Entwurf des Musterfeststellungsklagegesetzes betrafen vor allem die Schnelligkeit, mit der das Gesetz verabschiedet werden soll, was eine tiefere Auseinandersetzung mit der Thematik, die für Deutschland juristisches Neuland sei, erschwere. Zum anderen sei es die geplante Zweistufigkeit des Verfahrens, nachdem einem Musterfeststellungsurteil eine Leistungsklage folgen müsse, welche einen unsicheren Ausgang haben könne. Namens der SPD verwies der Abgeordnete Johannes Fechner auf den Vorteil, den die Verbraucher dadurch hätten, dass durch das Gesetz das Kostenrisiko für klagende Verbraucher entfalle. Wie auch Heribert Hirte von der CDU bedankte sich Fechner für die vielen Verbesserungsvorschläge und kündigte Änderungen an dem Entwurf an. Abgeordnete von FDP, Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen fühlten sich durch die Sachverständigen in ihrer Kritik an dem Gesetzesvorhaben bestätigt.

Susanne Augenhofer von der Berliner Humboldt-Universität bezeichnete den Entwurf als "nicht überzeugend". Das Problem des "rationalen Desinteresses" werde damit nicht gelöst, denn Verbraucher seien gezwungen, zwei Mal vor Gericht gehen zu müssen. Für den Bund der Versicherten erklärte dessen Vorstandsprecher Axel Kleinlein, trotz der Defizite im Entwurf für die Musterfeststellungsklage werde die Einführung dieser neuen Klagemöglichkeit in die Zivilprozessordnung grundsätzlich unterstützt. Nach jahrelangem Stillstand dürfe dieses wichtige rechtsstaatspolitische Thema nicht erneut jahrelang geschoben werden. Allerdings hätte ein neu einzuführendes Rechtsdurchsetzungsinstrument sachgerechterweise nicht nur lediglich als Feststellungsklage, sondern gleichzeitig auch als Leistungsklage ausgestaltet werden müssen.

Otmar Lell vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) begrüßte den Gesetzentwurf als wichtigen Meilenstein zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung. Aus Sicht des vzbv komme es jetzt vor allem darauf an, das Gesetz zügig zu verabschieden. An einzelnen Punkten sieht der vzbv noch Bedarf fu?r Verbesserungen und bat die Abgeordneten um Berücksichtigung bei der Beschlussfassung. So dürfe unter anderem die Klagebefugnis nicht weiter verengt werden, und die Anmeldung im Klageregister müsse für Verbraucher einfach und ohne anwaltliche Hilfe möglich sein. Der Berliner Rechtsanwalt Marc Liebscher von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger führte neun Punkte auf, die seiner Meinung nach an dem Entwurf der Koalition nach verbesserungswürdig seien und die sich teilweise mit den Verbesserungsvorschlägen der anderen Experten deckten. Der Entwurf der Grünen werde den Verbraucherinteressen besser gerecht.

Gesa Lutz, Vorsitzende Richterin am Landgericht München I, betonte, dass den hohen Erwartungen der Öffentlichkeit, wonach dem Verbraucher ein einfaches, kostengünstiges und effektives Verfahren zur Verfügung gestellt wird, die Vielfältigkeit der Lebenssachverhalte entgegen steht. Deshalb verbleibe es folgerichtig nach der Durchführung der Musterklage bei der individuellen Anspruchsdurchsetzung. Der Vorschlag einer Gruppenklage im Gesetzentwurf der Grünen könne das Dilemma der Durchsetzung der individuellen Ansprüche nur scheinbar lösen.

Caroline Meller-Hannich von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg erklärte, eine Musterfeststellungsklage sei zur zivilprozessualen Bewältigung von Streuschäden und Massenschäden ungeeignet, da sie keine greifbaren Konsequenzen habe und deshalb weder der Kompensation noch der Sanktion oder Prävention dienen könne. Sie werde zu umständlichen, langwierigen und häufig erfolglosen Nachverfahren führen, die berechtigten Erwartungen der betroffenen Personen an rechtssichere und effektive Justizgewährleistung enttäuschen und zu Haftungsrisiken für die klagenden Verbände führen. Verfahrensziel im kollektiven Rechtsschutz sollte demgegenüber die Entscheidung über die Leistungsansprüche von möglichst vielen von einem Schadensereignis betroffenen Personen sein.

Carsten A. Salger vom Deutschen Anwaltverein (DAV) betonte, es sei wichtig, dass es keinen Wettlauf zum Gericht gibt - wer zuerst kommt, wird der Musterkläger -, sondern dass das Gericht den geeignetsten Musterkläger auswählen darf. Daher müsse auch der einzelne Betroffene zur Musterfeststellungsklage befugt sein und als Musterkläger in Betracht kommen. Außerdem sollte das Musterfeststellungsverfahren nicht nur auf das Verhältnis Verbraucher - Unternehmer beschränkt werden. Martin Schmidt-Kessel von der Universität Bayreuth sagte, die Geschwindigkeit, mit der der Entwurf ausgearbeitet worden sei, "ist der Verfahrensqualität abträglich". Konkret bemängelte er die Klagemöglichkeiten, das "völlig sachfremde" Windhundprinzip bei der Klageanmeldung und die privatrechtliche Lösung der Klagebefugnis. Er prophezeite einen "Markt der Musterfeststellungskläger". Stephan Wernicke, Chefjustitiar des Deutscher Industrie- und Handelskammertags (DIHK), bezweifelte die Notwendigkeit der Einführung neuer Instrumente des kollektiven Rechtsschutzes und kritisierte die im Entwurf vorgesehene Klagebefugnis. Schon heute hätten Verbraucher hinreichende Möglichkeiten der Rechtsverfolgung und gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche, auch bestünden Möglichkeiten der Gewinnabs chöpfung. Der Entwurf schwäche auch die Verhandlungsposition Deutschlands in der EU.

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2. Regierung: Keine Risiken durch Kryptogeld

Finanzen/Antwort

Berlin: (hib/HLE) Bitcoins und andere Krypto-Token stellen nach Ansicht der Bundesregierung keine Gefahr für die Finanzmarktstabilität dar. In einer Antwort der Regierung (19/2454) auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion (19/2171) wird als Grund die geringe Marktkapitalisierung der Kryptowährungen angegeben. Es bestehe aber die Möglichkeit, mit Kryptowährungen Geldwäsche zu betreiben, und es gebe auch Erkenntnisse, dass diese Währungen von verschiedenen Terrororganisationen für grenzüberschreitende Finanztransaktionen herangezogen würden. Der Umfang könne nicht verlässlich eingeschätzt werden.

Die Bundesregierung erinnert an gesetzliche Vorgaben: So ist für den gewerblichen Handel mit Kryptowährungen einer Erlaubnis der Finanzaufsichtsbehörde BaFin erforderlich. Handelsplätze für Kryptowährungen müssten dieselben geldwäscherechtlichen Vorschriften beachten wie andere Finanzdienstleister.

Anleger seien zudem von der BaFin vor dem Handel mit Krypto-Tokens gewarnt worden. Aufgrund der weltweiten Handelbarkeit seien nationale Maßnahmen aber nicht ausreichend, teilt die Bundesregierung mit.

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3. Datenausschausch im CTG-Rahmen

Inneres und Heimat/Antwort

Berlin: (hib/STO) Die Zusammenarbeit der Inlandsnachrichtendienste der EU-Staaten sowie Norwegens und der Schweiz in der "Counter Terrorism Group" (CTG) ist Thema der Antwort der Bundesregierung (19/2374) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (19/2077). Wie aus der Antwort hervorgeht, besteht der benötigte formelle Rahmen für den dort erledigten Datenaustausch in den gesetzlichen Rechtsgrundlagen der teilnehmenden Staaten, aufgrund deren die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit innerhalb der CTG erfolgt. Der Datenaustausch richte sich dabei nach den jeweiligen einschlägigen nationalen Übermittlungsvorschriften, führt die Bundesregierung weiter aus. Die Errichtung gemeinsamer Dateien beziehungsweise die Teilnahme an gemeinsamen Dateien erfolge ebenfalls nach Maßgabe jeweiliger gesetzlicher nationaler Vorgaben.

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4. Förderung von Migrantenorganisationen

Inneres und Heimat/Antwort

Berlin: (hib/STO) Um die Strukturförderung von Migrantenorganisationen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) geht es in der Antwort der Bundesregierung (19/2376) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/2107). Danach ist das zentrale Ziel der Strukturförderung, Migrantenorganisationen als kompetente und professionelle Ansprechpartner des Bundes zu etablieren und ihre Rolle als Interessensvertretung zu stärken. Ein weiteres Ziel der Strukturförderung sei gewesen, dass die Verbände die finanzielle Unabhängigkeit ihrer Geschäftsstellen durch die Gewinnung von eigenen Mitteln und Drittmitteln erreichen.

Den bislang geförderten Organisationen sei es im Rahmen der Förderung gelungen, ihre Arbeit zu professionalisieren, heißt es in der Antwort weiter. Das Bamf unterstütze die geförderten Verbände darin, eigene Konzepte zur Finanzierung ihrer Verbandsarbeit zu entwickeln und umzusetzen. Alle Verbände hätten sich um eine alternative Finanzierung ihrer Geschäftsstellen bemüht. Daneben hätten fast alle Migrantenorganisationen zusätzlich zu der Strukturförderung Projektmittel gewinnen können.

"Eine komplett unabhängige Finanzierung der Geschäftsstellen ist den Migrantenorganisationen, die strukturgefördert werden, bislang nicht gelungen", schreibt die Bundesregierung ferner. Sie sei sich der Tatsache bewusst, "dass die eigenständige finanzielle Sicherung von Organisationsstrukturen für die Migrantenselbstorganisationen eine Herausforderung darstellt". Derzeit werde geprüft, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Migrantendachorganisationen langfristig gefördert werden können.

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5. Politisch rechts motivierte Kriminalität

Inneres und Heimat/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Die Linke will wissen, wie viele Fälle politisch rechts motivierter Kriminalität es nach Kenntnis der Bundesregierung im April 2018 in Deutschland gegeben hat. Ferner erkundigt sie sich in einer Kleinen Anfrage (19/2389) unter anderem danach, wie viele Menschen dabei verletzt oder getötet wurden.

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6. Stellen bei Beauftragten erfragt

Inneres und Heimat/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will von der Bundesregierung wissen, wie viele Stellen mit welcher Eingruppierung der Regierungsentwurf des Haushalts 2018 für die Staatsministerin und Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration vorsieht. Ferner erkundigt sie sich in einer Kleinen Anfrage (19/2407) unter anderem danach, wie viele Stellen mit welcher Eingruppierung der Etatentwurf 2018 für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, für den Beauftragten für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus sowie für den Beauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten vorsieht.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 399 - 12. Juni 2018 - 11.00 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
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Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
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Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2018

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