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BUNDESTAG/7686: Heute im Bundestag Nr. 838 - 05.11.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 838
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 5. November 2018, Redaktionsschluss: 16.46 Uhr

1. Keine Reduzierung der Beamtenarbeitszeit
2. Asylrechtsänderung umstritten
3. Kritik an geplanter Familienförderung


1. Keine Reduzierung der Beamtenarbeitszeit

Petitionen/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) In der laufenden Legislaturperiode wird es zu keiner Absenkung der Wochenarbeitszeit für die Beamten des Bundes kommen. Das machte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI), Stephan Mayer (CSU), während der öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses am Montag deutlich. Im Koalitionsvertrag sei eine solche Reduzierung nicht vorgesehen, sagte er. Um die Belastungen der Bundesbeamten durch Überstunden frühzeitiger auszugleichen, sei jedoch zwischen Union und SPD vereinbart worden, durch Arbeitszeitkonten für einen zeitnahen Abbau der Überstunden zu sorgen.

Für eine Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit von 41 auf 39 Stunden spricht sich die Petentin Claudia Maurus in einer Petition aus, die mehr als 58.000 Unterstützer gefunden hat. Maurus sagte während der Sitzung, bei der Anhebung der Arbeitszeit auf 41 Wochenstunden sei den Beamten im Jahr 2006 zugesichert worden, "dass bei besserer Wirtschaftslage wieder eine Absenkung erfolgt". Dies sei bis heute ohne eine nachvollziehbare Begründung nicht geschehen, obwohl seit 2014 die schwarze Null stehe. Die Petentin sprach von "reiner Willkür". Die Bundesbeamten würden seit zwölf Jahren unbezahlte Überstunden leisten, sagte sie. In zwölf von 16 Bundesländern sei hingegen die Ausweitung der Wochenarbeitszeit inzwischen wieder rückgängig gemacht worden.

Die Konsolidierung des Haushalts sei "kein einmaliges Ziel, sondern eine Daueraufgabe", entgegnete Innen-Staatssekretär Mayer. Es habe auch 2006 keine verbindliche rechtliche Vereinbarung gegeben, die vorgesehen hätte, dass die Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückgenommen wird. Gleichwohl habe es die politische Aussage gegeben, dass die Erhöhung kein Dauerzustand wird. Das sehe das BMI auch heute noch so, betonte der Ministeriumsvertreter. Eine sofortige Reduzierung der Wochenarbeitszeit würde jedoch zu einem Mehrbedarf von 6.914 Stellen und finanziellen Mehrbelastungen in Höhe von 276,5 Millionen Euro pro Jahr führen, sagte Mayer.

Aus Sicht des Vorstandsmitgliedes des Verbandes der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden (vbob), Michael Wolter, der die Petentin begleitete, stellt die schwarze Null die seinerzeit als Ziel ausgegebene Konsolidierung dar. Von der Erfüllung sämtlicher Maastricht-Kriterien sei 2006 nicht die Rede gewesen, sagte Wolter. Der Gewerkschaftsvertreter forderte, die aktuelle "Gerechtigkeitslücke" zu Ungunsten der Bundesbeamten auszugleichen. Die Arbeitszeit sei im Übrigen "ein ganz wichtiger Motivationsfaktor", weshalb die Reduzierung schnell kommen müsse.

Staatssekretär Mayer sah sich gleichwohl nicht in der Lage, eine konkrete Zusage zu machen, wann es zu einer Reduzierung kommt. Gefragt nach der Zeitschiene für das angekündigte Arbeitszeitkontenmodell sagte Mayer, er habe die Hoffnung, dass es im kommenden Jahr zur Umsetzung dieses Vorhabens kommen werde.

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2. Asylrechtsänderung umstritten

Inneres und Heimat/Anhörung

Berlin: (hib/wid) Die Absicht der Bundesregierung, Asylberechtigte künftig zur Mitwirkung in Verfahren zu verpflichten, die die Aufhebung ihre Flüchtlingsstatus zur Folge haben können, findet überwiegend die Zustimmung der Praktiker in Justiz und Verwaltung. Kritik äußerten dagegen am Montag in einer Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat die Vertreter der Anwaltschaft. Generell haben die Behörden drei Jahre nach einem positiven Asylbescheid zu überprüfen, ob die Voraussetzungen dafür noch vorliegen. Bisher können sie die Betroffenen nicht verpflichten, sie dabei durch eigene Angaben zu unterstützen. Mit einer Änderung des Asylgesetzes (19/4456) will die Bundesregierung hier nun Abhilfe schaffen.

Der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Hans-Eckhard Sommer, wies in der Anhörung darauf hin, dass seine Behörde bis Ende 2020 nicht weniger als 773.000 Asylbescheide zu überprüfen habe. Dies sei eine "bis dato einmalige" Herausforderung, von der zu befürchten sei, dass sich in diesem Zeitraum sämtliche Ressourcen auf Widerrufsverfahren konzentrieren könnten. In dieser Lage sei die geplante Einführung einer Mitwirkungspflicht der Betroffenen ein "wichtiger und zielführender Beitrag" von "außerordentlicher Bedeutung" für die Arbeit des BAMF. Die Behörde hätte damit etwa die Möglichkeit, ärztliche Atteste direkt von den Asylberechtigten anzufordern, um Klarheit über mögliche Abschiebehindernisse zu gewinnen.

Von einem "sehr, sehr guten Gesetz", von dem er sich viel erhoffe, sprach auch der Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Engelhard Mazanke. Er wies darauf hin, dass Asylberechtigte nach drei Jahren einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis stellen können, die ihnen ein dauerhaftes Bleiberecht garantiert. Die zuständigen Ausländerbehörden könnten über solche Anträge aber erst entscheiden, wenn das BAMF ihnen bestätige, dass sich an den Gründen für die Asylberechtigung der Betroffenen nichts geändert habe. Derzeit sei die Nürnberger Behörde aber regelmäßig außerstande, eine solche Überprüfung innerhalb der gebotenen Frist vorzunehmen. Wenn die Einführung einer Mitwirkungspflicht der Betroffenen dazu helfe, die Widerrufsverfahren zu beschleunigen, sei dies zu begrüßen.

Der Leiter der Rechtsabteilung der Berliner Vertretung des UN- Flüchtlingshilfswerks UNHCR, Roland Bank, machte geltend, dass aus völkerrechtlicher Sicht der Rücknahme fehlerhafter Asylentscheidungen oder dem Widerruf eines Flüchtlingsstatus nach Wegfall der Voraussetzungen nichts im Wege stehe. Die Genfer Flüchtlingskonvention diene schließlich nicht dem Zweck, "Personen Schutz zu gewähren, die dieses Schutzes gar nicht bedürfen". Die Mitgliedsstaaten der EU seien europarechtlich sogar verpflichtet, Asylberechtigten den Schutz zu entziehen, wenn die Voraussetzungen dafür nicht mehr gegeben seien. Allerdings sei jeder Widerruf unter den Gesichtspunkten des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit eingehend zu prüfen. Eine solche Maßnahme dürfe auch nicht anlasslos, sondern nur bei "konkreten Anhaltspunkten für den Wegfall des Schutzbedarfs" erfolgen.

Für den Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein wandte sich Berenice Böhlo gegen die Annahme, es habe in den Krisenjahren 2015 und 2016 zahlreiche fehlerhafte Asylbewilligungen gegeben, die nun um der "Befriedung der gesellschaftlichen Verhältnisse" willen dringend zu korrigieren seien. Böhlo sprach von einer Scheindebatte. Dass damals Asylbewerber eine überforderte Behörde massenhaft getäuscht hätten, treffe nicht zu. Der Anteil der tatsächlich belegbaren Fälle dieser Art liege im unteren einstelligen Prozentbereich. Der gesellschaftlichen Befriedung sei mehr gedient, wenn "Fakten und Tatsachen" korrekt benannt würden, mahnt Böhlo.

Als "weder notwendig noch geeignet" kritisierte auch Thomas Oberhäuser vom Deutschen Anwaltsverein den Entwurf. Er sei nicht mehr als ein "monströser Beschäftigungsapparat für das Bundesamt, die Anwaltschaft und die Verwaltungsgerichte".

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3. Kritik an geplanter Familienförderung

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Die von der Bundesregierung geplante Entlastung der Familien ist von mehreren Experten in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses als unzureichend kritisiert worden. So erklärte der Bund der Steuerzahler, die Pläne der Bundesregierung würden "hinter den Erwartungen vieler Familien zurückbleiben". Die Bundessteuerberaterkammer wies auf den hohen Anteil von Alleinerziehenden in Deutschland hin. Die Freibeträge für Alleinerziehende und Freibeträge für Erziehungs- und Ausbildungsbedarf seien seit mehreren Jahren nicht mehr angehoben worden und würden im Zeitablauf inflationsbedingt an Wert verlieren. Eine Anpassung müsse geprüft werden.

Grundlage der vom stellvertretenden Ausschussvorsitzenden Albrecht Glaser (AfD) geleiteten öffentlichen Anhörung war der von der Bundesregierung eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Entlastung der Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (19/4723), der eine Entlastung um jährlich knapp zehn Milliarden Euro vorsieht. Zu den einzelnen Maßnahmen gehört eine Erhöhung des Kindergeldes um zehn Euro monatlich ab 1. Juli 2019. Allein dies führe zu Mehrausgaben von rund 3,3 Milliarden Euro, erwartet die Bundesregierung. Die Erhöhung des Kindergeldes führt im Gegenzug allerdings zu einer Anrechnung bei den Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende.

Außerdem werden die steuerlichen Kinderfreibeträge ab 1. Januar 2019 von derzeit 7.428 um 192 auf 7.620 Euro angehoben. Zum 1. Januar 2020 steigt der Kinderfreibetrag weiter um 192 Euro auf dann 7.812 Euro. Zur Sicherstellung der Freistellung des steuerlichen Existenzminimums wird der Grundfreibetrag (derzeit 9.000 Euro) erhöht. 2019 erfolgt eine Erhöhung um 168 Euro, 2020 um 240 Euro. Diese beiden Erhöhungen führen zu Steuermindereinnahmen von über drei Milliarden Euro (volle Jahreswirkung). Um den Effekt der "kalten Progression" auszugleichen, werden außerdem die Eckwerte des Einkommenstarifs verschoben, wodurch es zu einer Entlastung der Steuerzahler kommt, was 2019 zu Mindereinnahmen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro und 2020 in Höhe von 2,1 Milliarden Euro führen soll (jeweils volle Jahreswirkung).

Der Bund der Steuerzahler monierte, bei dem Paket handele es sich nicht um politisch motivierte Entlastungen, sondern um das "verfassungsrechtlich notwendige Pflichtprogramm". Es werde nur ein bisschen mehr getan als getan werden müsse. Wie schon die Bundessteuerberaterkammer kritisierte auch der Steuerzahlerbund, dass der Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf seit 2010 unverändert bei 1.320 Euro pro Kind und Elternteil liege. Zudem verlangte die Organisation eine deutliche Erhöhung des steuerlichen Existenzminimums. Insbesondere Bezieher des Mindestlohns sollten keine oder nur eine geringe Steuer entrichten müssen. Der Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine regte an, die Erhöhung des Kindergeldes um ein halbes Jahr auf den 1. Januar 2019 vorzuziehen. Nach Angaben des deutschen Kinderschutzbundes ist die Kinderarmut drastisch angestiegen. Erforderlich sei daher die Einführung einer Kindergrundsicherung von 619 Euro im Monat.

Auch der Verband alleinerziehender Mütter und Väter kritisierte, "dass die geplanten Verbesserungen nicht alle Familien erreiche werden. Insbesondere Alleinerziehende werden wenig profitieren." Die Erhöhung der Steuerfreibeträge komme bei Alleinerziehenden mit oft kleinen Erwerbseinkommen kaum an. "Die Erhöhung des Kinderfreibetrags verstärkt insgesamt die bereits bestehende soziale Schieflage im System der Familienförderung, das Besserverdienende über den Kinderfreibetrag überproportional gegenüber denjenigen unterstützt, die lediglich das Kindergeld erhalten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) bezeichnete den Grundfreibetrag als zu niedrig und wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass schon die gesetzliche Pfändungsfreigrenze bei 1.140 Euro im Monat liege und damit höher als die geplanten Anhebungen. Kritisiert wurde auch, dass Höherverdienende durch die Nutzung des Kinderfreibetrages stärker entlastet würden als Steuerzahler mit niedrigerem Einkommen, denen Kindergeld gezahlt werde. Jedes Kind müsse dem Staat gleich viel wert sein, verlangte der DGB.

Dagegen bescheinigte Professor Achim Truger (Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin) dem Maßnahmenpaket "insgesamt spürbare Entlastungen". Nach seinen Berechnungen erhält ein Single mit einem Bruttojahreseinkommen von 45.000 Euro eine jährliche Entlastung (inklusive Solidaritätszuschlag) von 207 Euro oder 0,46 Prozent des Bruttoeinkommens. Für ein Ehepaar mit gleichem Einkommen würde die Entlastung 241 Euro (0,53 Prozent des Bruttoeinkommens) betragen und für ein Ehepaar mit zwei Kindern sogar 470 Euro (1,04 Prozent). Professor Frank Hechtner (Technische Universität Kaiserslautern) sprach von "wahrnehmbaren Entlastungen der Einkommensteuerpflichtigen". Abseits dieser positiven Maßnahmen stelle sich aber die Frage, inwieweit sich in dieser Legislaturperiode weitere Spielräume für eine Entlastung der Steuerpflichtigen bieten würden.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag begrüßte die Erhöhung von Kindergeld und Kinderfreibeträgen sowie die Maßnahmen gegen die Effekte der alten Progression. "Bessere wäre es aus Sicht der Unternehmen allerdings, eine automatische Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Inflationsentwicklung einzuführen", so die Organisation.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 838 - 5. November 2018 - 16.46 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
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Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. November 2018

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