Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/7781: Heute im Bundestag Nr. 933 - 29.11.2018


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 933
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 29. November 2018, Redaktionsschluss: 16.13 Uhr

1. Ex-Senator über Chaos im Lageso
2. Ausgestaltung von Abschiebehaft
3. Asylanträge seit Januar 2013
4. Lobbyismus und Grundgesetz


1. Ex-Senator über Chaos im Lageso

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/wid) Vor dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") hat der ehemalige Berliner Sozialsenator Mario Czaja (CDU) die Umstände geschildert, die zur völligen Überlastung seiner Behörde in der Flüchtlingskrise 2015 führten. "Ich habe fast täglich weinende Mitarbeiter im Landesamt für Gesundheit und Soziales vorgefunden, die mit dieser Situation nicht mehr klarkommen konnten", sagte Czaja am Donnerstag. Das Landesamt ging damals unter dem Kürzel "Lageso" bundesweit durch die Medien. Der Tunesier Anis Amri, der im Dezember 2016 auf dem Berliner Breitscheidplatz den bisher opferreichsten radikalislamischen Anschlag in Deutschland verübte, hatte sich dort in der zweiten Jahreshälfte 2015 dreimal unter verschiedenen Namen als asylsuchend gemeldet.

Czajas Erzählung beschrieb den Prozess einer stetigen Eskalation. Als er im Dezember 2011 ins Amt gekommen sei, habe Berlin im Jahr 1.000 bis 1.500 Asylbewerber aufzunehmen gehabt. Im Januar 2014 habe die Bundesregierung für das laufende Jahr einen Zuzug von 140.000 Flüchtlingen prognostiziert. Laut Königsteiner Verteilschlüssel, dem zufolge Berlin fünf Prozent aller in Deutschland ankommenden Asylbewerber unterbringen muss, waren demnach etwa 7.000 Menschen zu erwarten. Im Sommer 2014 habe die Bundesregierung ihre Jahresprognose für das Land Berlin auf die Zahl von 16.000 bis 18.000 Flüchtlingen erhöht.

Die Stadt habe damals bis zum Monat August schon 6.000 Menschen aufgenommen und im Juli 2014 erstmals einen monatlichen Zuzug von mehr als 1.000 Asylbewerbern verzeichnet, was im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum einen Anstieg um 94 Prozent bedeutet habe, sagte Czaja. Seine Behörde habe damals die Registrierung von Flüchtlingen wegen Personalmangels für einige Tage ausssetzen müssen. Im Laufe des Jahres 2015 sei dann der monatliche Zuzug auf mehr als 2.000 Personen angestiegen. Die Entwicklung sei nicht mehr absehbar gewesen, weil sich die Bundesregierung ihrer gesetzlichen Verpflichtung entzogen habe, quartalsweise Prognosen über die zu erwartende Zahl der Zuzügler abzugeben. Erst 2016 habe sie damit wieder begonnen.

Im Mai 2015 habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Zahl der offenen Asylanträge auf 220.000 beziffert. Im Oktober seien es bereits 760.000 gewesen: "Das führte dazu, dass wir überhaupt keinen Abfluss über das BAMF mehr hatten, sondern nur noch mit Unterbringung und Versorgung beschäftigt waren." Abgesehen vom Personalmangel habe die Behörde vor allem mit der Schwierigkeit zu kämpfen gehabt, einer so hohen Anzahl von Zuzüglern ein Dach über dem Kopf zu verschaffen.

So habe sie im Herbst 2014 erstmals in eigener Regie sechs "Containerdörfer" errichtet und damit über die Grenzen ihrer eigentlichen Zuständigkeit hinausgegriffen. Dies sei bis dahin auch aus rechtlichen Gründen "undenkbar" gewesen, betonte Czaja. Ein Jahr später habe er "leider" 60 Turnhallen belegen müssen. Ein zusätzliches Problem sei gewesen, dass der Behörde Liegenschaften gefehlt hätten, in denen sie Migranten an einem Ort hätte registrieren und beherbergen können. Er habe sich immer wieder vergeblich an das Verteidigungsministerium mit der Bitte gewandt, leerstehende Kasernen zur Verfügung zu stellen, sagte Czaja.

In Berlin seien zunächst "weniger als eine Handvoll" Mitarbeiter für die Aufnahme und nicht viel mehr für die Unterbringung der Migranten zuständig gewesen. Erst 2014 sei personelle Verstärkung gekommen, nachdem der Senat dies zuvor wiederholt abgelehnt hatte. Schließlich seien rund 100 Soldaten sowie Polizisten und abgeordnete Mitarbeiter anderer Behörden als Aushilfskräfte eingesetzt gewesen. Diesem Personal habe allerdings die sozial- und asylrechtliche Qualifikation gefehlt.

*

2. Ausgestaltung von Abschiebehaft

Inneres und Heimat/Antwort auf Große Anfrage

Berlin: (hib/STO) Gesetzgebungspläne zur veränderten Ausgestaltung von Abschiebehaft und Ausreisegewahrsam sind ein Thema der Antwort der Bundesregierung (19/5817) auf eine Große Anfrage der Fraktion Die Linke (19/1488). Wie die Bundesregierung darin ausführt, werden die rechtlichen Voraussetzungen für Beantragung und Anordnung von Abschiebungshaft "teilweise als schwer handhabbar und unsystematisch empfunden". Daher sei im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vereinbart worden, "dass Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam praktikabler ausgestaltet, die Voraussetzungen abgesenkt und klarer bestimmt werden sollen". Zur Umsetzung der Vereinbarung werde das Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat "zeitnah" einen Gesetzentwurf vorlegen.

Zur Frage nach einer Prüfung beziehungsweise Schaffung von Alternativen zur Abschiebungshaft verweist die Bundesregierung darauf, dass eine solche Haft nach Paragraf 62 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes unzulässig sei, wenn ihr Zweck durch ein milderes, ebenfalls ausreichendes anderes Mittel erreicht werden kann. Auch sei die Inhaftnahme auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken. Somit könne Abschiebungshaft nur verhängt werden, wenn keine Alternativlösung als milderes Mittel verfügbar ist, um den gleichen Zweck zu erreichen.

"Solche milderen Mittel könnten vor allem Beschränkungen und Auflagen, insbesondere Meldepflichten darstellen, wenn zu erwarten ist, dass die betroffene Person sie einhält", heißt es in der Vorlage weiter. Minderjährige und Familien mit Minderjährigen dürften nur in besonderen Ausnahmefällen und nur so lange in Abschiebungshaft genommen werden, wie es unter Berücksichtigung des Kindeswohls angemessen ist.

Wie die Bundesregierung weiter darlegt, erfolgt die Anordnung der Abschiebungshaft durch richterliche Anordnung. Eine solche Anordnung erfolge nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen. Folglich sei "gewährleistet, dass Abschiebungshaft nur als Ultima Ratio zur Sicherung der Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht angeordnet wird".

*

3. Asylanträge seit Januar 2013

Inneres und Heimat/Antwort

Berlin: (hib/STO) Im Ausländerzentralregister (AZR) sind laut Bundesregierung zum Stichtag 30. September 2018 insgesamt 1.825.638 ausländische Staatsangehörige erfasst gewesen, "die - unabhängig davon, ob aktuell in Deutschland aufhältig oder nicht - seit Januar 2013 einen Asylantrag gestellt haben". Davon waren 21 Prozent im AZR "als nicht mehr aufhältig erfasst", wie aus der Antwort der Bundesregierung (19/5818) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion (19/4767) weiter hervorgeht.

16,2 Prozent hielten sich danach mit einer Aufenthaltsgestattung noch in Deutschland auf, 0,7 Prozent als Asylberechtigte nach Artikel 16a des Grundgesetzes, 31,1 Prozent als anerkannte Flüchtlinge nach der Genfer Flüchtlingskonvention, 11,5 Prozent als subsidiär Schutzberechtigte und 3,6 Prozent mit einer Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 25 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes. Ferner hielten sich den Angaben zufolge 6,9 Prozent noch in Deutschland als Ausreisepflichtige mit einer Duldung und 1,9 Prozent als Ausreisepflichtige ohne Duldung auf.

*

4. Lobbyismus und Grundgesetz

Finanzen/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/HLE) Um die Einflussnahme von Interessenvertretern auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 104c, 125c, 143e) geht es in einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (19/5962). Die Abgeordneten wollen unter anderem erfahren, welcher Regelungsvorschlag des Gesetzentwurfs mit konkreten Vorschlägen von Dritten identisch oder teilidentisch ist. Außerdem wird nach Gutachten und Studien gefragt, die von Dritten erstellt wurden und dem Gesetzentwurf als Erkenntnisquelle zugrunde lagen. Schließlich soll die Bundesregierung auch Auskunft über dienstliche Kontakte mit Interessenvertretern im Zusammenhang mit der Erstellung des Gesetzentwurfs geben.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 933 - 29. November 2018 - 16.13 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang