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BUNDESTAG/9252: Heute im Bundestag Nr. 1402 - 11.12.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 1402
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 11. Dezember 2019, Redaktionsschluss: 14.45 Uhr

1. Expertenstreit um Tegel-Schließung
2. Steuergestaltungen sind mitzuteilen
3. Weg frei für neue Meisterpflicht
4. Nein zu Rekommunalisierungswünschen
5. AfD: Afrikanischen Binnenmarkt fördern
6. Erste Digitalprojekte für Frauen gefördert


1. Expertenstreit um Tegel-Schließung

Verkehr und digitale Infrastruktur/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Der Geschäftsführer der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, Engelbert Lütke-Daldrup, hält die Kapazität des zukünftigen Hauptstadtflughafens BER mit 44 Millionen Passagieren pro Jahr für "durchaus auskömmlich" und sieht einen Parallelbetrieb des BER mit dem Flughafen Tegel "aus rechtlichen und physikalischen Gründen" als unmöglich an. Das machte Lütke-Daldrup am Mittwoch während einer öffentlichen Anhörung des Verkehrsausschusses, der Anträge der FDP-Fraktion (19/13101) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/14826) zugrunde lagen, deutlich. Es gebe am BER zwei voneinander unabhängige Start- und Landebahnen, zudem werde die Flughafeninfrastruktur im Terminalbereich und bei den Flugbetriebsflächen schrittweise ausgebaut, sagte er.

Der Luftverkehrsrechtsexperte Elmar Giemulla hält hingegen die Schließung des Flughafens Tegel für rechtswidrig. Der Konsensbeschluss aus dem Jahr 1996, in dem die Länder Berlin, Brandenburg und der Bund vereinbart hätten, dass Tegel sechs Monate nach Eröffnung des BER schließen müsse, ziele auf eine mit dem BER verbundene angemessene Kapazitätserweiterung ab, die es seiner Auffassung nach aber nicht gebe, sagte Giemulla. Der Honorarprofessor für Luftverkehrsrecht an der TU Berlin sagte weiter, es gehe nicht darum, den Flughafen Tegel in seinem jetzigen Umfang zu erhalten. Vielmehr müsse er als Ergänzung zum Hauptstadtflughafen BER betrachte werden, der Regierungsflüge, Geschäftsflieger oder das Flugaufkommen bei Großereignissen mitaufnehmen könnte, befand Giemulla.

Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV), forderte hingegen, am Konsensbeschluss festzuhalten, der eine "Ein-Flughafen-Lösung" für Berlin vorsehe. Es gelte den Weg mutig weiterzugehen, auf den man sich mehrfach verständigt habe. So könne der BER gestärkt werden, sagte Beisel. Das gebietet aus seiner Sicht auch der Vertrauensschutz gegenüber den Anwohnern und Nachnutzern. Dank der zwei Start- und Landebahnen sei für ausreichende Kapazität "luftseitig" gesorgt, befand der ADV-Vertreter. Der vorgelegte Masterplan, auf den er vertraue, gehe zudem auf das zu erwartende Wachstum bei den Passagierzahlen ein.

Auf den Vertrauensschutz bezog sich auch Klaus Dietrich von der Bürgerinitiative "Tegel endlich schließen". Es sei geregelt, dass Tegel dann schließt, wenn der BER eröffnet ist. Da laut Flughafen-Chef Lütke-Daldrup die Kapazität ausreichend sei, gebe es keine Begründung, Tegel offen zu halten.

Rainer Teschner-Steinhardt, Leiter des Umwelt- und Naturschutzamtes beim Bezirksamt Neukölln von Berlin, verwies darauf, dass Tegel im Grunde nie deutsches Planungsrecht durchlaufen habe, da der Flughafen von den Alliierten errichtet und betrieben worden sei. Man müsse daher von einer "fiktiven Planfeststellung" sprechen, bei der es die benötigten Beteiligungsverfahren nicht gegeben habe, sagte der Bezirksamts-Vertreter. Wolle man nun den Flugverkehr in Tegel modifizieren, brauche es ein neues Planfeststellungsverfahren. Problematisch sei aber auch, dass für einen ständigen Parallelbetrieb die verschiedenen Flugrouten angepasst werden müssten, was langwierig sei und große Konsequenzen für den Luftraum hätte.

Die Beuth-Hochschule für Technik in Berlin ist ein Nachnutzer der Flächen des Flughafens Tegel und wartet nun nach Aussage ihres Präsidenten Werner Ullmann seit 2012 auf die Tegel-Schließung. Mit 12.5000 Studenten sei die Beuth-Hochschule für Technik ein großer Player in der deutschen Wissenschaftslandschaft, insbesondere im MINT-Bereich, sagte Ullmann. Schon seit langem sei durch den Berliner Senat das Flächendefizit der Hochschule anerkannt. Würde Tegel als Flughafen weiterbetrieben, könnten wichtige Studiengänge nicht mehr angeboten werden, betonte der Hochschulpräsident.

Der Rückfall des Flughafengeländes an Berlin sei ein Geschenk für die Stadt, befand Philipp Bouteiller, Geschäftsführer der Tegel Projekt GmbH, die das Gelände für innovative Forschungsprojekte erschließen möchte. Die "Urban Tech Republic" etwa befasse sich mit Zukunftsentwicklungen in Städten. Bouteiller lehnte eine Offenhaltung des Flughafens ab. Es sei falsch, dem Gestern hinterher zu laufen, befand er.

Flughafenplaner Dieter Faulenbach da Costa sprach sich hingegen für die Offenhaltung von Tegel in den kommenden vier bis fünf Jahren aus. Der BER sei von Beginn an ein Engpassszenario, kritisierte er. Daher brauche es die Alternative Tegel. Faulenbach da Costa nannte den Konsensbeschluss von 1996 falsch, da man sich damit für den Bau eines Regionalflughafens am Standort Schönefeld und gegen einen modernen Großflughafen in Sperenberg entschieden habe.

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2. Steuergestaltungen sind mitzuteilen

Finanzen/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Grenzüberschreitende Steuergestaltungen müssen ab 2020 den Behörden mitgeteilt werden. Der Finanzausschuss beschloss am Mittwoch unter Leitung der Vorsitzenden Bettina Stark-Watzinger (FDP) den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen (19/14685, 19/15117), nachdem zuvor 14 Änderungsanträge der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zu dem Entwurf beschlossen worden waren. Zahlreiche Änderungs- und Entschließungsanträge von Oppositionsfraktionen wurden abgelehnt. Für den Gesetzentwurf in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung stimmten die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD, dagegen stimmten die Fraktionen von AfD und FDP. Linksfraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich.

Das Gesetz sieht eine Pflicht zur Mitteilung von grenzüberschreitenden Steuergestaltungsmaßnahmen für sogenannte Intermediäre vor. Würden diese jedoch von ihrer Verschwiegenheitsverpflichtung als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Steuerbevollmächtigter oder vereidigter Buchprüfer (Berufsgeheimnisträger) nicht entbunden, gehe die Mitteilungspflicht auf den Nutzer der Steuergestaltung selbst über, wird in dem geänderten Gesetzentwurf erläutert. Die Mitteilung soll gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern erfolgen. In einem weiteren Schritt sollen die deutschen Finanzbehörden die erlangten Informationen zu grenzüberschreitenden Steuergestaltungen mit Finanzbehörden der anderen Mitgliedstaaten der EU automatisch austauschen.

Mit den Änderungsanträgen wurden auch andere steuerliche Sachverhalte geändert. So wurde die Verlustverrechnungsmöglichkeit bei Einkünften aus Termingeschäften und aus dem Ausfall von Kapitalanlagen im Privatvermögen beschränkt. Verluste aus Termingeschäften wie dem Verfall von Optionen können nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und mit Erträgen aus sogenannten Stillhaltergeschäften ausgeglichen werden. Die Verlustreduzierung ist auf 10.000 Euro begrenzt. Nicht verrechnete Verluste können allerdings auf die Folgejahre vorgetragen werden.

Eine ähnliche Regelung gibt es für Totalverluste zum Beispiel wegen der Ausbuchung wertloser Wirtschaftsgüter. Die Regelungen sollen nach Ablauf von zwei Jahren evaluiert werden, um zu verhindern, dass mit der Verlustberücksichtigung neue steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet werden können. Während die FDP-Fraktion die Begrenzung der Verlustverrechnung als falsch bezeichnete, wäre es der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen lieber gewesen, wenn es bei der Ursprungsfassung geblieben wäre. Denn zunächst hatte die Regierung der Verlustverrechnung in diesen Fällen einen Riegel vorschieben wollen.

Außerdem wurde beschlossen, die Umsatzgrenze für die Beantragung der Inanspruchnahme der sogenannten Istversteuerung bei der Umsatzsteuer von 500.000 auf 600.000 Euro anzuheben, was von der FDP-Fraktion ausdrücklich begrüßt wurde.

Die CDU/CSU-Fraktion begrüßte, dass eine nationale Anzeigepflicht für Steuergestaltungen entfalle. Diese sei auch nicht notwendig. Eine "überbordendene Meldeflut" werde vermieden. Auch mit der vorgesehenen Erstellung einer "Whitelist" könne die Zahl der Meldungen reduziert werden. Die SPD-Fraktion wiederum hätte es besser gefunden, auch nationale Gestaltungen in die Meldepflicht einzubeziehen. Insgesamt sei aber ein "hervorragendes Gesetz" entstanden.

Dagegen befürchtet die AfD-Fraktion ein Anwachsen der Bürokratie. Es handele sich um ein ungeheuer komplexes Thema, das selbst Experten nicht übersehen könnten. Möglich seien bis zu 100.000 Meldefälle. Auch die FDP-Fraktion erwartet Unruhe und Unsicherheit angesichts einer Vielzahl von unpräzisen Rechtsbegriffen.

Linksfraktion und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bezeichneten es übereinstimmend als falsch, rein auf Deutschland beschränkte Steuergestaltungen bei der Meldepflicht außen vor zu lassen. Die Höhe der Bußgelder bei Verstößen gegen die Meldepflicht wurde als zu niedrig bezeichnet.

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3. Weg frei für neue Meisterpflicht

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/PEZ) Der Wirtschaftsausschuss hat die Wiedereinführung der Meisterpflicht in zwölf Gewerken auf den Weg gebracht. Mit den Stimmen von allen Fraktionen außer den Grünen votierten die Abgeordneten in ihrer Sitzung am Mittwoch für einen entsprechenden Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD zur Änderung der Handwerksordnung (19/14335) in geänderter Fassung. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen enthielt sich.

Die jüngsten Änderungen betreffen vor allem Übergangsfristen, beispielsweise für Mischbetriebe - also etwa Fliesenleger, die auch mit Fliesen handeln und somit bei Handwerkskammer und Industrie- und Handelskammer Mitglied sind. Dies erklärte ein Vertreter der Unionsfraktion im Ausschuss. Er verteidigte zudem die Auswahl der Gewerke, die im Einklang mit Europarecht und in Abstimmung mit den Kammern erfolgt sei. Eine Vertreterin des Koalitionspartners SPD sagte mit Blick auf einen Antrag der Linksfraktion (19/10154), die Novelle werde nicht die letzte gewesen sein. Man müsse über Aspekte wie die Tarifbindung diskutieren, habe aber nicht alles in diese erste Gesetzesreform mit hineinnehmen können.

Die AfD-Fraktion plädierte erneut für ihr Ansinnen, alle Gewerke unter Meisterzwang zu stellen beziehungsweise mindestens die, die dies wollten. Aus der FDP-Fraktion hieß es, die Logik der Auswahl erschließe sich nicht, vor allem nicht bei Aspekten des Kulturgüterschutzes. Ein Vertreter der Linksfraktion sagte, der Gesetzentwurf sei ein Schritt in die richtige Richtung, werde aber nicht reichen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Man müsse die Tarifbindung stärken. Auch die Grünen erklärten, die Initiative sei richtig, löse allerdings bei ihnen keine Euphorie aus - der Fachkräftemangel werde nicht behoben.

Ein Vertreter der Bundesregierung verteidigte die Auswahl mit den Worten, man sei verfassungsrechtlich bis ans Mögliche gegangen.

Die Abgeordneten lehnten eine Vielzahl von Änderungsanträgen und weiteren Anträgen (19/4633, 19/10154, 19/10628) sowie einen Gesetzentwurf (19/11120) der Oppositionsfraktionen ab. Ein dem angenommenen Gesetzentwurf gleichlautender Entwurf der Bundesregierung (19/14974) wurde für erledigt erklärt.

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4. Nein zu Rekommunalisierungswünschen

Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen/Ausschuss

Berlin: (hib/PEZ) Der Bauausschuss hat sich gegen Unterstützungsmaßnahmen zu weitreichenden Rekommunalisierungsvorhaben ausgesprochen. Die Abgeordneten lehnten in ihrer Sitzung am Mittwoch einen Antrag der Linksfraktion (19/10755) ab, der vorsieht, Gemeinden mit einem Rekommunalisierungsgesetz unter die Arme zu greifen. Rekommunalisierungsprozesse sollten auf Basis einer neu zu gründenden Anstalt öffentlichen Rechts neu geregelt werden. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau(KfW) solle außerdem Projekte in öffentlich-privater Partnerschaft nicht mehr über ein spezielles Kreditprogramm fördern, sondern stattdessen Kommunen bei Rekommunalisierungsvorhaben zinsfreie Darlehen zur Verfügung stellen. Der Wind habe sich gedreht sei den Privatisierungswellen der Nachwendejahre, begründete eine Vertreterin der Linken den Vorstoß.

Von der Fraktion CDU/CSU hieß es, man setze auf die kommunale Selbstverwaltung statt auf Bevormundung. Ein SPD-Abgeordneter erklärte, der Antrag sei in vielen Punkten überholt, etwa weil Projekte öffentlich-privater Partnerschaft schon lange nicht mehr im Fokus von Förderungen stünden. Die AfD-Fraktion erklärte ebenfalls, Kommunen wüssten selbst am besten, wo welcher Handlungsbedarf besteht. Vertreter von FDP und Grünen äußerten sich ähnlich.

Für den Antrag stimmten nur die Antragsteller, die Fraktion der Grünen enthielt sich.

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5. AfD: Afrikanischen Binnenmarkt fördern

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/JOH) Die AfD-Fraktion fordert die Bundesregierung in einem Antrag (19/15737) auf, die afrikanischen Staaten im Rahmen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit stärker dabei zu unterstützen, einen gemeinsamen Binnenmarkt zu schaffen. Dabei solle auch die deutsche Privatwirtschaft einbezogen werden.

Sowohl auf kontinentaler als auch auf regionaler Ebene entstehe in Afrika eine "synergetische Dynamik, die sich aus dem Willen der Afrikaner speist, ihre Entwicklung durch eine selbstbestimmte Politik voranzutreiben", schreiben die Abgeordneten. Eine entsprechende Unterstützung von deutscher Seite zur Schaffung eines funktionierenden afrikanischen Binnenmarktes ist ihrer Ansicht nach somit von zentraler Bedeutung "nicht nur in Hinblick auf die Entwicklung in Afrika, sondern auch, um Migrationsströme und Abwanderung von Fachkräften aus Afrika zu unterbinden".

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6. Erste Digitalprojekte für Frauen gefördert

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antwort

Berlin: (hib/JOH) Nach Angaben der Bundesregierung hat das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) im Rahmen der sogenannten #eSkills4Girls-Initiative bereits in den Aufbau digitaler Kompetenzen von Mädchen und Frauen in Südafrika, Mosambik und Kamerun investiert. Auch die erste Programmierakademie Ruandas für Frauen sei schon unterstützt worden, schreibt die Bundesregierung in einer Antwort (19/14963) auf eine Kleine Anfrage (19/14444) der AfD-Fraktion zum Stand der Umsetzungsstrategie der Bundesregierung "Digitalisierung gestalten". Für weitere Informationen verweist sie auf die Homepage der Initiative unter www.eskills4girls.org sowie die Internetseiten des BMZ.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 1402 - 11. Dezember 2019 - 14.45 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2019

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