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BUNDESTAG/9412: Heute im Bundestag Nr. 102 - 27.01.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 102
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 27. Januar 2020, Redaktionsschluss: 16.06 Uhr

1. Mitarbeiterbeteiligung attraktiver machen
2. Konkreter Schutz vor Mobbing
3. Regierung will Stabilität in Hongkong


1. Mitarbeiterbeteiligung attraktiver machen

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Um internationale Spitzenkräfte für deutsche Technologie-Unternehmen zu gewinnen, ist eine lukrative Kapitalbeteiligung ein wichtiges Argument. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung im Finanzausschuss am Montag deutlich. Anlass waren Anträge der FDP-Fraktion (19/14786) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (19/15118), in denen es insbesondere um Änderungen bei der Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen geht. Beide argumentieren, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Mitbeteiligung in Deutschland sowohl im Vergleich mit den USA als auch innerhalb Europas besonders schlecht seien.

Tesla-Chef Elon Musk habe über eine Mitarbeiterbeteiligung beim Bezahlsystem PayPal sein erstes Geld gemacht, sagte der Gründer des Online-Touristikunternehmens GetYourGuide Deutschland, Johannes Reck. Wenn er internationale Talente anwerben wolle, sei die Beteiligung am Unternehmen das wichtigste Argument. Allerdings, fügte er an, sei eine solche Mitarbeiterbeteiligung "für uns doppelt so teuer wie im Silicon Valley". Es gehe bei diesem Thema letztlich "um den politischen Willen, hier Champions aufzubauen".

In den beiden zur Begutachtung stehenden Anträgen steht, dass die Steuerfreibeträge, die Arbeitnehmer für die Mitbeteiligung geltend machen können, im internationalen Vergleich sehr niedrig seien und deutlich angehoben werden sollten. Damit sei es aber nicht getan, erklärte Christian Vollmann vom Bundesverband Deutsche Startups. Im Erfolgsfall, etwa bei einem Börsengang, könnten sich leicht fünf- bis sechsstellige Beträge ergeben, bei denen dann auch ein höherer Freibetrag kaum mehr ins Gewicht falle. Ein weit größeres Problem sei, dass Mitarbeiterbeteiligungen nach dem Einkommenssteuer-Tarif versteuert werden, während für ihn selbst die Kapitalertragssteuer gelte. "Mitarbeiter zahlen höhere Steuern als ich als Unternehmer, das ist ungerecht", sagte Vollmann.

Auf die unterschiedlichen Formen von Mitbeteiligung wies Heinrich Beyer vom Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung hin. Bei Großunternehmen würden Mitarbeiter in der Regel in Form von Aktien beteiligt und hätten damit auch dieselben Rechte wie andere Aktionäre. Es gebe in Deutschland rund 1,3 Millionen solche Belegschaftsaktionäre in rund 700 Unternehmen. Dazu kämen rund 2.000 mittelständische Unternehmen, bei denen Arbeitnehmer über meist stille Beteiligungen und Genussrechte beteiligt seien. Daneben gebe es, vor allen bei Start-Ups, sogenannte virtuelle Beteiligungen, das heißt Erfolgsbeteiligungen, die nicht mit Kapitalanteilen verbunden sind.

Generell seien Familienunternehmen heute aufgeschlossener für die Mitbeteiligung als früher, betonte Beyer. Dies hinge mit dem Wettbewerb um Führungskräfte zusammen, aber auch mit dem Generationswechsel in der Unternehmensführung und einer damit verbundenen neuen Denken.

Mehrere Sachverständige kritisierten, dass Arbeitnehmer eine Mitbeteiligung bereits dann versteuern müssen, wenn sie Anteile erhalten, und nicht erst, wenn sie diese verkaufen und zu Geld machen. Sie müssten also aus ihrem Lohn etwas versteuern, das sie noch gar nicht zur Verfügung haben. Diese sogenannte Zuflussbesteuerung mache die Mitbeteiligung für Arbeitnehmer weniger attraktiv, betonte Sylvia Mein vom Deutschen Steuerberaterverband. Sie stehe denn auch im Vergleich zu anderen Vergünstigungen "eher am Ende der Wunschliste von Arbeitnehmern".

Rainald Thannisch vom Deutschen Gewerkschaftsbund lenkte den Blick auf das Risiko, das mit einer Mitbeteiligung verbunden ist. Bei einer Insolvenz des Unternehmens sei für die Mitarbeiter nicht nur der Job weg, sondern auch das Kapital. So sei es etwa den Mitarbeitern des Baukonzerns Holzmann ergangen. Thannisch wies auch darauf hin, dass 80 Prozent der Start-Ups nicht das dritte Jahr überlebten. Vor diesem Hintergrund mahnte er zur Vorsicht bei steuerlichen Erleichterungen. "Wir würden abraten, mit Steuergeldern einen Anreiz zu riskanten Anlagen zu geben", erklärte der Gewerkschafter. Eine solche Risikoabwägung sei in den vorliegenden Anträgen "nicht angemessen berücksichtigt", bemängelte Thannisch.

Björn Hinderlich von der Unternehmensberatung Mercer Deutschland kam allerdings zu der Ansicht, dass die Chancen der Mitbeteiligung solche Risiken überwiegen. Um das Insolvenzrisiko für die Arbeitnehmer weiter zu verringern, verwies Hinderlich auf die Möglichkeit eines Insolvenzschutzes über einen Pensions-Sicherungs-Verein oder die Verlagerung des Anlagerisikos auf eine Fondslösung.

Auf steuerrechtliche Unsicherheiten aufgrund der geltenden Rechtslage verwies Marc Schmitz vom Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften. Dies betreffe auf Arbeitnehmerseite die Abgrenzung zwischen Einkünften aus Kapitalvermögen und Einkünften aus Arbeit sowie den Zeitpunkt der Besteuerung. Es betreffe aber auch die Arbeitgeberseite. Denn Unternehmen könnten nur den Teil der eingeräumten Beteiligung als Betriebskosten geltend machen, der bei den Arbeitnehmern zu den Einkünften aus Arbeit zählt. Zur Überwindung dieser Unsicherheit sah Schmitz in den vorliegenden Anträgen richtige, aber noch nicht hinreichende Ansätze.

Peter Möllmann von der Anwalts- und Steuerberatungskanzlei Schnittker Möllmann Partners hielt allerdings keine grundlegende Änderung der Steuersystematik für notwendig. Es gebe bereits heute die Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung in Form von Genussrechten, die als Kapitaleinkünfte versteuert werden. Wenn aber die gesamte Mitarbeiterbeteiligung als Kapitaleinkünfte gerechnet werde, seien "die Probleme gelöst".

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2. Konkreter Schutz vor Mobbing

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Beschäftigte sollten besser vor Mobbing durch Kollegen oder Vorgesetzte geschützt werden. Diese Ansicht vertrat eine knappe Mehrheit der geladenen Sachverständigen in einer Anhörung des Ausschusses für Arbeit und Soziales am Montagnachmittag. Gegenstand der Anhörung waren zwei Anträge der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen.

Die Linke fordert in ihrem Antrag (19/16480) unter anderem, das Arbeitsschutzgesetz entsprechend zu ergänzen und Mobbing als eigenen Rechtsbegriff zu definieren. Die Grünen verlangen in ihrem Antrag (19/6128) von der Bundesregierung, ein Gesetz zum Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz zu erarbeiten und darin Mobbing als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu definieren.

Gegen diese Initiativen argumentierte unter anderem der Arbeitsrechtler Gregor Thüsing, indem er darauf verwies, dass jede Konkretisierung des Mobbingbegriffs zugleich eine Begrenzung bedeuten würde. Das sei aber angesichts der Bandbreite der Fälle, um die es jeweils gehe, schwierig, so Thüsing. Dieser Auffassung schlossen sich auch Roland Wolf für die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und der Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bissels an. "Es gibt keine Lücke, denn es wird etwas gefordert, was es derzeit im Arbeitsrecht schon gibt", sagte Bissels.

Für gesetzliche Konkretisierungen sprach sich dagegen der Deutsche Gewerkschaftsbund aus. Deren Vertreterin Micha Klapp sagte: "Ein Gesetz zum Schutz vor Mobbing ist grundsätzlich richtig. Der Erfolg hängt jedoch von der konkreten Ausgestaltung ab." Denn derzeit sei die Ausübung der Rechte, die es zweifellos gebe, ein großes Problem. Das müsste sich mit einem neuen Gesetz ändern, betonte Klapp. Thomas Berger, ebenfalls Arbeitsrechtler, führte aus, dass das Arbeitsschutzgesetz eigentlich genüge und eine gute Grundlage zum Schutz vor Mobbing biete. Das Problem sei jedoch, dass es Firmen gebe, die sich systematisch nicht daran halten wollten. "Deshalb braucht es eine Konkretisierung", sagte Berger. Dieter Zapf, Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie, begrüßte in seiner Stellungnahme zwar die Etablierung eines Mobbingbegriffs in der Rechtsprechung. Dies sei jedoch nicht unproblematisch, da das Problem der meisten Gerichtsverfahren die schwierige Beweislage sei. Das würde sich durch einen solchen Begriff nicht grundlegend ändern, so Zapf. Er empfahl, Mobbing als eigenen Abschnitt in das Arbeitsschutzgesetz mit aufzunehmen. Peter Wickler, ehemaliger Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts Thüringen, kritisierte, die von der Justiz derzeit angewendeten Mobbingschutzkonzeptionen glichen einem Flickenteppich und hätten zu einer Zersplitterung der Rechtsschutzlage geführt. Allein deshalb müsse der Gesetzgeber eine allgemeingültige Kodifizierung des Mobbingschutzes anstreben, betonte er.

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3. Regierung will Stabilität in Hongkong

Petitionen/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Die Bundesregierung hat ein starkes Interesse an Stabilität in Hongkong. Das machte Petra Sigmund, Leiterin der Abteilung Asien und Pazifik im Auswärtigen Amt, am Montag vor dem Petitionsausschuss deutlich. Zu den dortigen Protesten und Demonstrationen habe sich das Auswärtige Amt in mehreren Erklärungen geäußert, sagte Sigmund. Dabei sei ein "Aufruf an alle Seiten zur Deeskalation" ebenso erfolgt wie eine Verurteilung jeglicher Gewalt. Zudem habe die Bundesregierung die Verhältnismäßigkeit des Einsatzes der Sicherheitskräfte in Hongkong eingefordert. Deutlich gemacht worden sei in den Erklärungen auch das große Interesse Deutschlands und der EU "an einem hohen Grad an Autonomie für Hongkong innerhalb Chinas", sagte die Außenamts-Vertreterin.

Grundlage der öffentlichen Sitzung war die Petition einer Gruppe in Deutschland lebender Hongkonger, vertreten durch die Petentin Ho Yan Cindy Cheong und ihren Begleiter Chin Kit Lam. Darin heißt es unter anderem, die Situation in Hongkong habe sich "aufgrund der eskalierenden Gewalt der Hongkonger Polizei (HKPF) zu einer humanitären Katastrophe entwickelt". Die Petentin fordert Deutschland auf, "unverzüglich konkrete und umsetzbare Maßnahmen zu ergreifen". In der Eingabe werden missbräuchlicher Waffeneinsatz und Pflichtverletzungen der HKPF kritisiert. So habe die Polizei Gewalt gegen Demonstranten angewendet sowie Beweismitteln manipuliert und "vorsätzlich platziert".

Von der Bundesregierung wird nun unter anderem die Einstellung des Exports von Massenkontrollgeräten und "weniger tödlichen" Waffen an die HKPF gefordert. Außerdem solle sie Besorgnis über die eskalierenden Spannungen in Hongkong und die Sicherheit in Hongkong lebender Deutscher äußern. Schließlich setzt sich der Petent noch für die Anerkennung der politischen Verfolgung von Demonstranten in Hongkong und eine entsprechende Anpassung der Asylpolitik an die Hongkonger Asylbewerber ein.

Chin Kit Lam machte vor den Abgeordneten deutlich, dass es sich bei der Protestbewegung nicht um eine Unabhängigkeitsbewegung handle. "Hongkong ist eine Stadt Chinas", sagte er. Der völkerrechtlich geregelte Sonderstatus der Stadt müsse aber geschützt werden. Lam übte massive Kritik am Einsatz der Polizei gegen die Demonstranten. Diese sei wie eine Besatzungstruppe aufgetreten und habe versucht, die Demonstranten einzuschüchtern. Trotz massiver Polizeigewalt würden die Polizisten für ihre Straftaten aber nicht angeklagt. Deutschland, so seine Forderung, müsse sich hier klar positionieren. Benötigt werde eine unabhängige Untersuchungskommission.

Zutreffend sei, dass das umstrittene Gesetz für Auslieferungen nach China zurückgezogen worden sei, so Lam. Die Reaktion der Regierung sei aber zu spät erfolgt und reiche nicht aus, da weiterhin die Polizeigewalt in Abrede gestellt werde.

Die Bundesregierung werbe für eine Untersuchung der Gewalttaten in Hongkong und habe dabei Unterstützung angeboten, sagte Außenamts- Vertreterin Sigmund. Auf Nachfrage machte sie zugleich deutlich, dass genehmigungspflichtige Rüstungsgüter, wie etwa Wasserwerfer, ebenso wie Überwachungstechnologien in den vergangenen fünf Jahren nicht nach Hongkong exportiert worden seien. Zur Frage, ob es ausländische Einflussnahme auf die Protestbewegung in Hongkong gebe, sagte Sigmund, die chinesische Regierung in Peking sehe das so. "Die Ursachen für die Proteste in Hongkong sind in unseren Augen aber andere", fügte sie hinzu.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 102 - 27. Januar 2020 - 16.06 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Januar 2020

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