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BUNDESTAG/9840: Heute im Bundestag Nr. 533 - 26.05.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 533
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Dienstag, 26. Mai 2020, Redaktionsschluss: 08.55 Uhr

1. Experten kritisieren Karlsruher EZB-Urteil
2. Internationaler Seeverkehr wird erleichtert
3. Wettbewerb bei Wartungen von Zügen


1. Experten kritisieren Karlsruher EZB-Urteil

Europa/Unterrichtung

Berlin: (hib/JOH) Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) ist bei Experten im Bundestag auf erhebliche Kritik gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Europaausschusses am Montag, dem 25. Mai 2020, sprachen zahlreiche Sachverständige von einer Kompetenzüberschreitung der Karlsruher Richter und warnten den Bundestag davor, den Konflikt infolge des Urteils weiter eskalieren zu lassen.

"Die europäische Rechtsgemeinschaft steht auf dem Spiel", urteilte Franz C. Mayer von der Universität Bielefeld. Der Richterspruch sei ein Angriff auf die Unabhängigkeit der EZB sowie des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), der die Anleihekäufe 2018 gebilligt hatte. Absehbar würde dies weitere Klagen nach sich ziehen, warnte Mayer mit Blick unter anderem auf das gerade beschlossene Pandemie-Notfallankaufprogramm PEPP. Für Bundestag und Bundesregierung bleibe "rätselhaft", was das BVerfG von ihnen verlange. Seiner Ansicht nach haben beide hinsichtlich der von den Richtern geforderten Verhältnismäßigkeitsprüfung, auf die sie gegenüber der EZB hinwirken sollen, "weiten Spielraum".

Von einem "Fehlurteil" sprach Bernhard W. Wegener von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. In dem das Bundesverfassungsgericht die europäischen Kompetenzen einhegen wolle, überziehe es seine eigenen "in eklatanter Art und Weise". Der im Urteil aufgeworfene Maßstab der Verhältnismäßigkeit sei in einer Rechtsgemeinschaft zudem "an jeder Stelle und zu jedem Zeitpunkt" streitbar. Dem Bundestag empfahl Wegener, sich inhaltlich von dem Beschluss abzugrenzen. Außerdem sollten die Abgeordneten die Unabhängigkeit von EuGH und EZB betonen und die EZB bitten, ihnen die eigene Einschätzung zu bestätigen, nach der an der Verhältnismäßigkeit des PSPP-Programms keine Zweifel bestünden.

Ähnlich äußerte sich Martin Höpner vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung (MPIfG). Die an die EZB gerichtete Bitte auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung sollte der Bundestag um eine Erklärung ergänzen, in der unter anderem klargestellt würde, dass er keine Eingriffe in den Instrumentenkasten der EZB wünsche und bezwecke.

Christian Walter (Ludwig-Maximilians-Universität München) sprach wegen der Verpflichtung auf die Unabhängigkeit der EZB von einer "heiklen politischen und rechtlichen Situation" für den Bundestag. Das Bundesverfassungsgericht nehme das Parlament in die Pflicht, weil ihm selbst die "Kastrationsbefugnis gegenüber den Rechtsakten der EU fehle". Dies stelle eine "weitgehende Instrumentalisierung von Verfassungsorganen" dar. Walter betonte, die Reaktion der Abgeordneten könne nicht über eine "vorsichtig formulierte Bitte" hinausgehen.

Auch Claus-Dieter Classen von der Universität Greifswald warnte, das Urteil habe das Potenzial, eine "große Krise" auszulösen. Der Bundestag könne nur Rechtspositionen formulieren, inwieweit diese die EZB beeindrucken würden, bleibe aber abzuwarten.

Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) legte das Augenmerk auf das Mandat der EZB, wonach deren Aufgabe sei, die Preisstabilität zu wahren. Würde dieses Mandat eingeschränkt, gefährde dies die Glaubwürdigkeit und Effektivität der Zentralbank. "Wie kann eine Geldpolitik, die versucht, ihr Mandat zu erfüllen, nicht verhältnismäßig sein?", fragte Fratzscher.

Christian Callies von der Freien Universität Berlin betonte ebenfalls das vorrangige Ziel der Preisstabilität. Zwar könne die EZB ausnahmsweise gerichtlich kontrolliert werden, wenn sie ihr Mandat überschreite. Nach der Konzeption der EU-Verträge sei dafür jedoch nicht das BVerfG, sondern der EuGH zuständig. Der Bundestag könne, so er denn mehrheitlich der Meinung wäre, dass die EZB mit dem PSPP-Programm ihr Mandat überschreite, eine Entschließung verabschieden, in der er die Bundesregierung zu einer Nichtigkeitsklage vor dem EuGH auffordere. Bernhard W. Wegener verwies jedoch darauf, dass der Bundestag diese Rechtsauffassung aber nie geteilt habe.

Kritischer gegenüber der EZB und der Rolle der EU-Mitgliedstaaten äußerten sich Jürgen Rocholl von der European School of Management and Technology (ESMT) und Dirk Meyer von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg. Rocholl wertete das Urteil als "Sprengstoff" für weitere Aktionen der EZB und warnte davor, das Mandat der EZB zu weit auszulegen. Deren Rolle sei in den vergangenen Jahren immer größer geworden, sodass eine Überforderung drohe. Ein Grund dafür sei das Versäumnis der politischen Ebene, mehr Schritte in Richtung europäische Integration zu machen.

Nach Ansicht von Meyer ergibt die Analyse des PSPP-Programms in drei Punkten Hinweise, dass die deutschen Verfassungsorgane ihrer Integrationsverantwortung nicht ausreichend nachgekommen seien und es unter anderem Verstöße gegen das Verbot zur monetären Staatsfinanzierung gegeben habe. Um das zukünftig - etwa beim Pandemie-Notfallankaufprogramm - zu verhindern, sprach er sich in seiner Stellungnahme für eine institutionalisierte und regelmäßige Kontrolle entsprechender Programme, beispielsweise durch den Europaausschuss, aus.

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2. Internationaler Seeverkehr wird erleichtert

Verkehr und digitale Infrastruktur/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/HAU) Die Bundesregierung hat den "Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. April 1965 zur Erleichterung des Internationalen Seeverkehrs (FAL-Übereinkommen)" (19/19380) vorgelegt, der am Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestags steht. Mit dem Gesetzentwurf soll die Zustimmung des Bundestags zu dem Übereinkommen einschließlich der Anlage in ihrer aktuell geltenden Fassung eingeholt werden, schreibt die Bundesregierung. Dies sei erforderlich, "um der völkerrechtlichen Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland nachzukommen".

Ziel des Übereinkommens ist es den Angaben zufolge, den internationalen Seeverkehr zu erleichtern und zu beschleunigen und unnötige Verzögerungen für Schiffe und an Bord befindliche Personen und Güter zu vermeiden. Hierzu bezwecke das Übereinkommen eine Reduzierung, Vereinfachung und Vereinheitlichung von nationalen Formalitäten, die beim Einlaufen, Aufenthalt und Auslaufen von zivilen Seeschiffen in und aus Häfen der Vertragsparteien zu erfüllen sind, heißt es in dem Gesetzentwurf.

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3. Wettbewerb bei Wartungen von Zügen

Verkehr und digitale Infrastruktur/Unterrichtung

Berlin: (hib/HAU) Auf den Märkten für die Instandhaltung von Triebzügen des Schienenpersonenfernverkehrs (SPFV) ist laut Bundesnetzagentur ein fehlender Wettbewerb zu verzeichnen. Das geht aus dem "Bericht über die Märkte für Wartungseinrichtungen für Eisenbahnen" hervor, der als Unterrichtung durch die Bundesregierung (19/19100) vorliegt. Unter fehlendem Wettbewerb litten demnach die "betriebsnahe Instandhaltung von Triebzügen des SPFV" als auch die "schwere Instandhaltung von Triebzügen des SPFV". Die Bundesnetzagentur habe hier lediglich die Instandhaltung der Triebzüge des Produktes Intercity-Express (ICE) der Deutschen Bahn AG (DB AG) erfasst, die in konzerneigenen Wartungseinrichtungen erfolge. "Sollte ein neuer Nachfrager auf dem Markt erscheinen, sähe er sich gegenwärtig lediglich der DB AG als potentiellem Anbieter mit bereits bestehenden Wartungseinrichtungen gegenüber", heißt es in dem Bericht. Aufgrund der hohen technischen Komplexität von Triebzügen im SPFV bestünden zudem hohe Markteintrittshürden.

Bei der Mehrheit der von der Bundesnetzagentur für den Bericht definierten Märkte finde Wettbewerb statt, heißt es in der Vorlage. Einen "stabilen Wettbewerb" gebe es auf sechs Märkten - wie etwa bei der Instandhaltung von Diesellokomotiven, Güter- und Kesselwagen. Diese Märkte seien vor allem geprägt durch rege Handelsbeziehungen, ausgewogen verteilte Marktanteile der Anbieter von Instandhaltungsleistungen, eine Vielzahl von Nachfragern und Anbietern, eher niedrigen Markteintrittshürden und einer höheren Zufriedenheit der Marktteilnehmer.

Einen "moderaten Wettbewerb" hat die Bundesnetzagentur der Vorlage zufolge auf sechs Märkten erkannt. Sie zeigten schwächere Handelsbeziehungen als die Märkte mit stabilem Wettbewerb. Bei allen Märkten - außer dem Markt für die Instandhaltung von Gleisbau- und Sonderfahrzeugen - seien Konzernunternehmen der DB AG mit einem hohen Marktanteil vorherrschend. "Daraus könnten möglicherweise Diskriminierungspotentiale erwachsen", heißt es in dem Bericht.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 533 - 26. Mai 2020 - 08.55 Uhr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Mai 2020

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