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INNEN/4357: Beer zu 100 Tagen Großer Koalition


fdk - freie demokratische korrespondenz 192/2014 - 25. März 2014

BEER zu 100 Tagen Großer Koalition



Berlin. Zu 100 Tagen Großer Koalition erklärte die FDP-Generalsekretärin NICOLA BEER vor Journalisten:

"Jede Regierung hat eine Schonfrist von einhundert Tagen verdient. Diese ist für Schwarz-Rot nun vorbei - Zeit für eine Bestandsaufnahme. Union und SPD haben den Anspruch, für die großen Aufgaben und die kleinen Leute da zu sein. Spätestens seit der Edathy-Affäre ist jedoch klar, dass die Große Koalition vor allem an die eigenen Leute und deren Vorteil denkt. Den Herausforderungen unserer Zeit oder gar der Zukunft stellen sich Union und SPD hingegen nicht. Statt durch Investitionen in Bildung, Forschung und Innovationen mehr Chancen für mehr Menschen in Deutschland zu schaffen, verheizt die Große Koalition nicht nur die Reformerfolge der Vergangenheit, sondern auch noch die Zukunft der aktuellen und der kommenden Generationen. Ihr Schaden ist groß - ihr Nutzen für die Menschen in unserem Land klein.


I. Taschenspielertricks in der Haushaltspolitik

Die Konjunktur brummt und die Steuereinnahmen sprudeln. 2013 gab es Rekordsteuereinnahmen von über 570 Mrd. Euro. Der Staat schwimmt im Geld und könnte endlich Schulden tilgen, wie in der letzten Legislatur vorgesehen. Doch Union und SPD geben das Geld lieber aus, als gäbe es kein Morgen mehr. Für die im Koalitionsvertrag geplanten prioritären Maßnahmen werden im Laufe dieser Wahlperiode mindestens 23 Mrd. Euro zusätzlich benötigt.

Die Bilanz schönt die Große Koalition mit Taschenspielertricks. Die Überschüsse, die von Beitragszahlern in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung erarbeitet wurden, wandern in den Haushalt. Das kommt einer Veruntreuung von Beitragsmitteln gleich. Sind die Rücklagen in den Sozialversicherungen erst einmal verbraucht, sind steigende Beiträge, höhere Steuern und mehr Schulden die Folge. Kurzsichtiger kann man Politik nicht machen.

Die FDP steht für die Schwarze Null im Haushalt und den Einstieg in die Schuldentilgung. Das wäre generationengerecht, vorbildlich in Europa und würde Deutschland aus der Abhängigkeit der Finanzmärkte befreien.


II. Rückwärtsrolle in der Rentenpolitik

Das Rentenpaket ist ein Sammelsurium teurer Wahlversprechen, die sich Deutschland nicht leisten kann. Bei den kalkulierten 160 Mrd. Euro bis 2017 wird es nicht bleiben - es droht eine Kostenexplosion. Denn Zusatzkosten etwa durch Frühverrentung aufgrund der Rente mit 63 sind nicht einberechnet. Laut Berechnungen der Universität Duisburg-Essen könnten die Rentenpläne der Großen Koalition bis 2030 nochmals 73 Mrd. Euro extra kosten und den Fachkräftemangel verschärfen. Zahlen müssen für diesen Raubzug durch die Rentenkasse alle, insbesondere aber junge Menschen. Laut Deutschem Gewerkschaftsbund schrumpft die Rentenreserve bis 2017 auf 1,6 Mrd. Euro. Als Folge wird der Beitrag zur Rentenversicherung unweigerlich steigen müssen.

Der Nutzen des Rentenpakets bleibt hingegen gering: Nur 28 Euro mehr im Monat wird die Mütterrente bringen. Rentnerinnen, die auf die Grundsicherung angewiesen sind oder eine Witwenrente erhalten, sehen keinen Cent.

Am Ende destabilisiert das Rentenpaket das gesamte Rentensystem. Das Max-Planck-Institut für Sozialrecht und -politik hat prognostiziert, dass die Beiträge bis 2030 über den gesetzlich garantierten Höchstsatz von 22 Prozent steigen werden und das Rentenniveau gleichzeitig unter das gesetzlich garantierte Niveau von 43 Prozent sinken wird.

Die FDP will mehr Stabilität, eine bessere Vorsorge und mehr Entscheidungsfreiheit. Die Menschen sollen mit entsprechenden Zu- und Abschlägen selbst entscheiden können, wann sie in den Ruhestand gehen (flexibler Renteneintritt). Gleichzeitig wollen wir die Altersvorsorge verbessern, indem wir neben der gesetzlichen Rente auch die betriebliche und private Vorsorge stärken. Zudem wollen wir die Riester-Rente für Geringverdiener attraktiv machen.


III. Jobkiller in der Arbeitsmarktpolitik

Union und SPD schaffen am Arbeitsmarkt mit der Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns einen wahren Jobkiller und Chancentod. Laut Einschätzung der Wirtschaftsweisen bringt er die Gefahr mit sich, Geringqualifizierte, Langzeitarbeitslose, Zweitverdiener oder Jugendliche aus dem Arbeitsmarkt zu drängen. Nach Berechnungen des Ifo-Instituts werden knapp 900.000 Arbeitsplätze gefährdet, das Bundesfinanzministerium kommt unter Berücksichtigung der arbeitsmarktpolitischen und rentenpolitischen Vorhaben sogar auf 1,5 bis 1,8 Mio. Arbeitsplätze. Die anhaltende Diskussion um die Ausnahmen ist nichts anderes als das Eingeständnis, dass der Mindestlohn tatsächlich schädlich ist.

Die FDP setzt auf Chancenpolitik statt Chancentod. Wir brauchen mehr Investitionen in Bildung, um Aufstieg zu ermöglichen. Die Tarifautonomie muss als Garant des Jobbooms erhalten bleiben. Die Möglichkeit, nach Branchen und Regionen differenzierte Lohnuntergrenzen einzuführen, hat sich bewährt.


IV. Pfusch in der Energiepolitik

Die Energiewende ist in einer Sackgasse. Die Kosten für Verbraucher und Unternehmen sind explodiert. Die Energiewende braucht dringend einen Neustart, der Versorgungssicherheit und Kosten in den Mittelpunkt rückt. Statt mutiger Reformpläne pfuscht die Große Koalition. Es reicht nicht, am bestehenden System herumzudoktern. Mit ihren Plänen schaffen Union und SPD lediglich zusätzliche Kosten für die Wirtschaft, mehr Bürokratie und verzetteln sich mit den Ländern. Sicher ist bei dieser Reform nur eines: Energie wird für alle noch teurer.

Die FDP wendet sich gegen die schleichende Deindustrialisierung und die damit verbundene Attacke auf unseren Wohlstand. Wir wollen das planwirtschaftliche EEG durch ein marktwirtschaftliches Mengenmodel ersetzen. Es braucht mehr Markt, mehr Europa und die Absenkung der Stromsteuer, um den Strompreis in den Griff zu bekommen.


V. Belastungsprobe in der Steuerpolitik

Union und SPD belasten die Bürgerinnen und Bürger und gerade die Mitte durch Unterlassung. Die heimliche Steuererhöhung aus der kalten Progression kostet die Menschen nach Berechnungen des Steuerzahlerbundes 56 Mrd. Euro bis 2017. Um das Rentenpaket zu finanzieren, wurde die gesetzlich vorgeschriebene Beitragssenkung ausgehebelt. Die Plünderei der Sozialversicherungsreserven wird zudem in absehbarer Zeit zu Beitragserhöhungen führen. Für die Pflege ist sie von der Großen Koalition sogar explizit vorgesehen. Die Kostenexplosion bei den Strompreisen tut ihr Übriges, um die Belastungsprobe komplett zu machen.

Die FDP will die gekniffene Mitte entlasten. Gegen Steuererhöhungen unter der Tarnkappe helfen nur die Abschaffung der kalten Progression, die Reform der sozialen Sicherungssysteme und einen europäischen Energiemarkt statt EEG-Subvention.


VI. Ausverkauf in der Bürgerrechtspolitik

Die NSA-Affäre hat Bürgerrechte und Datenschutz zurück auf die Agenda gebracht - gegenüber Staaten, aber auch großen Konzernen. Der lückenlosen Überwachung durch die USA haben Union und SPD nicht viel entgegenzusetzen, vielmehr sind sie selbst zu Datenschutz-Bremsern und Überwachern geworden. So blockiert die Große Koalition eine europäische Datenschutzgrundverordnung und verwaltet den Dissens mit den USA über ein No-Spy-Abkommen in einem Arbeitskreis. Statt die Bürgerinnen und Bürger gegen Gefahren von außen zu schützen, schaffen Union und SPD durch die Wiedereinführung der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung neue Gefahren von innen. Das ist der Ausverkauf der Bürgerrechte.

Die FDP will die europäische Datenschutzgrundverordnung und hält am No-Spy-Abkommen mit den USA fest. Das Safe Harbour-Abkommen und das SWIFT-Abkommen müssen ausgesetzt werden. Was ausländische Geheimdienste nicht machen sollen, muss auch für deutsche Sicherheitsbehörden gelten: Es darf keine Vorratsdatenspeicherung mehr geben.


VII. Parteienstaat vor Rechtsstaat und Selbstbedienungsmentalität

Große Koalition heißt nicht etwa große Verantwortung, sondern bedenkliches Rechtsstaatsverständnis und Selbstbedienungsmentalität. Was die Edathy-Affäre zutage gefördert hat, war ein Offenbarungseid. Erst die Partei, dann der Rechtsstaat ist die Devise, für die Hans- Peter Friedrich das Bauernopfer geben musste. Das Vertrauen in die Große Koalition ist schwer erschüttert.

Gerechtigkeit bedeutet in der Großen Koalition hauptsächlich Selbstgerechtigkeit. Auf die längsten Koalitionsverhandlungen der Geschichte folgte eine beispiellose Postenvergabe. Wo sich Union und SPD nicht einigen konnten, wurden einfach neue Stellen geschaffen. So gönnt man sich einen zusätzlichen Bundestagsvizepräsidenten und sechs weitere Staatssekretäre, von den zusätzlichen Stellen in den Ministerien ganz zu schweigen. Alles ist möglich, wie die Wahl von Andrea Voßhoff zur Bundesdatenschutzbeauftragten zeigt. Und auch die Bundestagsabgeordneten gingen nicht leer aus. Eine deutliche Erhöhung der Abgeordnetenbezüge ließ nicht lange auf sich warten. Laut Steuerzahlerbund verursacht diese Mehrkosten von über sieben Mio. Euro im Jahr."

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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2014