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INNEN/4854: Lindner - Es darf keinen Kontrollverlust bei der Einwanderung geben


Pressemitteilung der Fraktion der Freien Demokraten vom 3. März 2020

LINDNER-Statement: Es darf keinen Kontrollverlust bei der Einwanderung geben


Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner gab vor der Fraktionssitzung folgendes Statement ab:

"[...] Hanau wird ein Thema sein im Rahmen einer Debatte des Deutschen Bundestages. Der Rechtsextremismus muss bekämpft werden. Er ist in der Vergangenheit unterschätzt worden, ist aber die größte Gefahr für ein friedliches Zusammenleben im Deutschland des Jahres 2020. Wir wollen, dass jeder Mensch, egal welcher Herkunft, welchen Geschlechts, welcher Religion, sich in unserem Land zuhause fühlen kann und auch den Schutz der staatlichen Gemeinschaft erfährt. Das ist eine Frage des gesellschaftspolitischen Klimas, aber auch der Handlungsfähigkeit und der Organisation unserer Sicherheitsbehörden. [...]

Die Frau Bundeskanzlerin hat in der Vergangenheit immer wieder unterstrichen, dass sich eine Situation wie im Jahr 2015 nicht wiederholen darf. Der von vielen beklagte Kontrollverlust bei der Einwanderung nach Deutschland und Europa ist eine Mahnung, eine solche Situation nicht erneut sich ereignen zu lassen. Es darf keinen Kontrollverlust bei der Einwanderung nach Europa geben. Gleichzeitig stehen wir aber in einer humanitären Verantwortung. Wir fordern einen Sondergipfel der EU-Regierungschefs zur Situation in Syrien und an der türkisch-griechischen Grenze. Es muss jetzt eine klare, abgestimmte europäische Position geben. Europa muss mit einer Stimme zu Herrn Erdogan sprechen und Europa muss Verantwortung im Gespräch mit Russland und der Türkei übernehmen, um die Situation in Syrien zu befrieden, mindestens zu stabilisieren, um menschliches Leid zu verhindern. Erdogan setzt Zehntausende, vielleicht sogar Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen Menschen ein, um seine politischen Ziele gegenüber der Europäischen Union zu erreichen. [...] Darauf darf man sich nicht einlassen. Wir fordern erstens, den Menschen dort zu helfen, wo sie sind, also nahe der Krisenregion. Dann müssen wir auch zusammen mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen mehr Verantwortung übernehmen. Wir dürfen auch Griechenland anders als in der Vergangenheit nicht allein lassen. Was der griechische Staat braucht, personell, logistisch, finanziell, das sollten wir ihm als Europäerinnen und Europäer, auch als Deutsche gewähren. Zweitens: Es muss eine klare Kommunikation geben, dass wer nach Europa kommt, nicht mit dauerhaftem Aufenthalt bei uns quasi automatisch rechnen kann. Die Grenzen werden nicht einfach geöffnet, sondern Europa muss selbst die Kontrolle behalten, wer kommen kann, wer bleiben darf und bei wem wir diese Möglichkeiten eben nicht eröffnen wollen. Das, was die Grünen jetzt vortragen, einfach Grenzen zu öffnen und unsere Flüchtlingsinfrastruktur der letzten Jahre wieder zu reaktivieren, halten wir für ein falsches Signal. [...] Zum Dritten muss es eine klare Sprache gegenüber der Türkei geben. Wenn Herr Erdogan sich an gegebene Zusagen und Verabredungen nicht hält, kann es mit ihm keine Kooperation geben. Dann kann es insbesondere auch keine Mittel der Europäischen Union mehr an Hilfsorganisationen, die in der Türkei tätig sind, oder gar an den türkischen Staat selbst geben. Kooperation setzt Gegenseitigkeit voraus. [...]

Das zweite Thema, auch Gegenstand einer Regierungserklärung, ist das Coronavirus. Die erste Priorität hat der Schutz der Bevölkerung. Die Menschen haben ganz offensichtlich Befürchtungen und Ängste. Jeder Gang in den Supermarkt zeigt, welche Verunsicherung bei den Menschen besteht. Wir unterstützen die Regierung bei allem, was geeignet ist, gesundheitliche Risiken zu reduzieren und die Menschen zu beruhigen. Jetzt ist nicht die Zeit für eine kleinkarierte parteipolitische Auseinandersetzung mit der Regierung in dieser gesundheitspolitischen Frage, wie das von anderer Seite angestellt wird. [...] Jede Maßnahme, die in gesundheitspolitischer Hinsicht ergriffen werden muss, findet unsere Unterstützung. Über gesundheitliche Risiken hinaus gibt es allerdings auch wirtschaftliche Risiken, die nicht zu unterschätzen sind. Lieferketten können unterbrochen werden, weil beispielsweise Vorprodukte aus dem Ausland, aus der Volksrepublik China zum Beispiel, nicht nach Deutschland gelangen. Es können psychologische Abwärtsspiralen entstehen [...]. Deshalb ist es notwendig, genauso entschlossen auf die wirtschaftlichen Risiken des Coronavirus? einzugehen. [...] Wir fordern den Wirtschafts- und den Finanzminister auf, wie im Gesundheitsministerium ein gemeinsames Krisenzentrum für die Wirtschafts- und Finanzpolitik einzurichten. Wir brauchen eine europäische Abstimmung der Wirtschafts- und Finanzminister in dieser Frage, um frühzeitig intervenieren zu können. Schon jetzt wäre es sinnvoll, ein Akutprogramm aufzulegen, damit es überhaupt gar nicht erst zu einem Absturz der deutschen Wirtschaft kommt. Zu einem solchen Akutprogramm müsste gehören das Vorziehen bereits beschlossener Entlastungsmaßnahmen. [...] Die teilweise Abschaffung des Solidaritätszuschlags war und ist uns zu wenig, aber immerhin ist sie eine Absicht der Großen Koalition, die in einer solchen Krisensituation vorgezogen werden könnte, rückwirkend auf den 1.1. Ein Signal zur Stärkung der Binnenkaufkraft in Deutschland. Zum zweiten sollten sowohl die Betriebe als auch die Verbraucher von Energiekosten entlastet werden, indem die Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß gesenkt wird. Auch das eine Maßnahme, die umgehend im Deutschen Bundestag beschlossen werden könnte [...] Eine weitere Maßnahme wäre ein Programm mit Sofortabschreibungen oder schnelleren, beschleunigten Abschreibungen für Investitionen in Wirtschaftsgüter oder in digitale Produktionsmittel. Auch das würde private Investitionen in Deutschland stärken. Nicht zuletzt dann, wenn Lieferketten unterbrochen sind und Produktion für eine kurze Zeit unterbrochen werden muss, bietet sich das Instrument der Kurzarbeit an. [...] Bei einer ganz kurzfristigen krisenbegründeten und nicht konjunkturell begründeten Unterbrechung der Produktion wäre es sinnvoll, dieses Instrument praxistauglicher und flexibler zu machen. Auch das könnte, im Notfall nur befristet, Teil einer Entbürokratisierungsoffensive sein, die zu einem solchen Akutprogramm passt. Wir fordern die Regierung auf, nicht zu warten, bis die Krise da ist, sondern aktiv eine Krise abzuwenden. Die Beobachter-Position von Peter Altmaier ist in dieser Situation zu wenig. [...]"

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Quelle:
Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag
Pressestelle
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: 030-227 51990
E-Mail: presse@fdpbt.de
Internet: www.fdpbt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. März 2020

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