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AFRIKA/1010: Südsudan - Drastischer Benzinmangel kurz vor der Unabhängigkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Juni 2011

Südsudan: Drastischer Benzinmangel kurz vor der Unabhängigkeit

Von Charlton Doki


Juba, 24. Juni (IPS) - Wenige Wochen vor der politischen Unabhängigkeit der erdölreichen Region Südsudan ist fast nirgendwo mehr Benzin zu bekommen. Vor den wenigen Tankstellen, die noch geöffnet sind, stehen die Autofahrer über Nacht in der Schlange, um noch Treibstoff zu ergattern.

Alle Bereiche des öffentlichen Lebens sind von dem Spritmangel betroffen. Zahlreiche Büros in der Hauptstadt Juba sind seit zwei Wochen geschlossen oder nur noch halbtags geöffnet, da die Stromgeneratoren nicht mehr durchgehend arbeiten. Auch der Taxifahrer Moses Kenyi ist ratlos. "Ich habe überall vergeblich nach Benzin gesucht", beschwert er sich. Er wäre inzwischen bereit, jeden Preis zu zahlen, um weiterarbeiten zu können.

Der Treibstoffmangel hat die Spritpreise drastisch in die Höhe getrieben. Kostete der Liter bisher umgerechnet 1,10 US-Dollar, so müssen Kunden inzwischen fast das Doppelte bezahlen. Auf dem Schwarzmarkt wird ein Liter Öl mit rund zehn Dollar gehandelt.

Die Behörden des Südsudan, der bis zur Unabhängigkeit am 9. Juli den Status einer autonomen Region inne hat, Entwicklungshelfer und die lokalen Medien machen die nordsudanesische Regierung in Khartum für die seit Mai spürbare Verknappung von Kraftstoffen und Lebensmitteln verantwortlich.


Gegenseitige Schuldzuweisungen

"Die Regierung hat die Handelsstraßen an der Grenze zwischen dem Norden und dem Süden geschlossen. Sie will die Bevölkerung des Südsudans verunsichern", sagte Yien Mathew Chol, der Sprecher der im Südsudan regierenden Partei SPLM. "Die Menschen sollen den Eindruck gewinnen, dass es die SPLM nicht schafft, die Treibstoffversorgung zu garantieren." Der Nordsudan bestreitet die Vorwürfe.

Aus Industriekreisen ist zu hören, dass der Südsudan der Einfuhr von Benzin nicht die nötige Priorität eingeräumt habe und einen Streit mit den Treibstofflieferanten über die Preiskontrolle vom Zaun gebrochen habe. Das größtenteils im Südsudan vorhandene Erdöl wird von internationalen Konzernen wie der 'China National Petroleum Corporation', der indischen 'Oil and Natural Gas Corporation' und dem malaysischen Unternehmen 'Petroliam Nasional Berhad' gefördert.

Mitte Mai hatte der Südsudan ein Preislimit von umgerechnet 1,90 US-Dollar pro Liter für Benzin und Diesel festgelegt. Dagegen protestierten Erdölunternehmen wie 'Imatongas', 'Hass Petroleum' und 'Global Petroleum' und erklärten, aufgrund der Regelung Verluste zu schreiben. Die Firmen klagen seit geraumer Zeit über künstlich erhöhte Treibstoffpreise kenianischer Benzinlieferanten und hohe Einfuhrzölle.

Die Erdölunternehmen importieren den größten Teil des von ihnen benötigten Diesels, Benzins und Kerosins aus Kenia, weil der Südsudan näher an Kenia liegt als an der nordsudanesischen Hauptstadt Khartum. Wie aus informellen Quellen zu hören ist, haben die Erdölkonzerne die Einfuhr kenianischen Benzins eingestellt und wollen ihre Lieferungen erst wieder aufnehmen, wenn die Regierung die Preiskontrollen aufhebt. Aus dem südsudanesischen Energieministerium ist jedoch zu hören, dass man der Forderung nicht nachkommen werde.


Kompromiss erforderlich

Bisher teilen sich der Süden und der Norden Sudans die Einkünfte aus der Erdölproduktion auf einer Fifty-Fifty-Basis. Darauf hatten sich beide Seiten in ihrem Umfassenden Friedensabkommen von 2005 geeinigt, das 20 Jahren Bürgerkrieg das Ende bereitete. Nach der Unabhängigkeit im kommenden Monat stehen dem Südsudan 75 Prozent der Einnahmen aus der Erdöltagesproduktion von 490.000 Barrel pro Tag zu.

Allerdings werden sich die neuen Nachbarstaaten künftig auf einen Modus einigen, wie sie den für beide Seiten wichtigen Erdölsektor gestalten wollen. Der Südsudan verfügt zwar über die meisten Erdölreserven, der Nordsudan besitzt jedoch die Raffinerien und den derzeit einzigen Erdölexport-Terminal.

Regierungsvertreter von Nord- und Südsudan konnten sich bislang nicht auf ein für beide Seiten zufriedenstellendes Prozedere einigen. Der Nordsudan will die Fortsetzung der Fifty-Fifty-Regelung. Der Südsudan hingegen ist lediglich nur bereit, den Behörden in Khartum eine Transitgebühr für die Nutzung der Erdöltransportinstallationen und der Raffinerien zu zahlen. Beobachter befürchten, dass der Benzinmangel im Südsudan auch nach einer Einigung mit dem Nordsudan ein Problem bleiben wird. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2011