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AFRIKA/1019: Südafrika - Zuma sieht sich bestätigt aber Zille tanzt (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 3, Mai/Juni 2011

Zuma sieht sich bestätigt aber Zille tanzt

Kommunalwahlen in Südafrika

Von Armin Osmanovic


Am 18. Mai 2011 fanden in Südafrika Kommunalwahlen statt. Die Wahlbeteiligung lag in diesem Jahr deutlich höher als bei den letzten Kommunalwahlen 2006. Die große Gewinnerin war die Demokratische Allianz von Helen Zille. Der ANC dagegen musste prozentuale Verluste hinnehmen, wenngleich aufgrund der größeren Wahlbeteiligung mehr Wählerinnen und Wähler für ihn stimmten.


Der ANC sieht sich mit 62 Prozent der Stimmen als Sieger der Kommunalwahlen 2011. Die größte Oppositionspartei, die Demokratische Allianz DA, die 24 Prozent der Stimmen gewinnen konnte, reklamiert ebenfalls den Sieg für sich. Bei den letzten Kommunalwahlen 2006 hatte sie nur 16 Prozent erreicht, bei den Parlamentswahlen 2009 erhielt sie 17 Prozent der abgegebenen Stimmen.

Als Gewinner kann sich auch die noch junge südafrikanische Demokratie fühlen, denn nie zuvor seit 1994 beteiligten sich so viele Menschen bei einer Kommunalwahl. Die Wahlbeteiligung stieg auf 57,6 Prozent, so die Unabhängige Wahlkommission. Vor allem in den Städten gingen die Menschen zur Wahl, wo sich vor den Wahllokalen teilweise große Schlangen bildeten.

Verlierer sind die kleinen Parteien, die landesweit nicht über drei Prozent hinausgekommen sind. Nur regional spielen die IFP (Inkhata Freedom Party) und deren Abspaltung NFP (National Freedom Party) in der Provinz KwaZulu-Natal noch eine Rolle. Cope (Congress of the People), eine Abspaltung vom ANC, die 2009 bei den Parlamentswahlen noch 7 Prozent der Stimmen landesweit erhalten hatte, kam bei den Kommunalwahlen nur auf enttäuschende 2,2 Prozent.

Der ANC bleibt auch nach den Kommunalwahlen die dominante politische Kraft in Südafrika. Dennoch sehen Beobachter weitere Hinweise darauf, dass die seit 1994 regierende Partei langsam an Macht verliert. Von der einstigen Zweidrittelmehrheit entfernt sich der ANC weiter. Vor allem in den großen Städten hat er Einfluss verloren. Pretoria und auch Port Elizabeth konnten knapper als in der Vergangenheit gegen eine erstarkte DA gehalten werden. In Durban stieg die DA gegenüber 2006 von 16,7 auf 21 Prozent, in Nelson Mandela Bay (Port Elizabeth) von 24,39 auf 40,13 Prozent; in Tshwane (Pretoria) von 30,62 auf 38,65 Prozent und Greater Johannesburg von 27,01 auf 34,62 Prozent.

Dass das nationale Ergebnis nicht deutlich schlechter ausgefallen ist, ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass der ANC in KwaZulu-Natal wegen der dortigen Schwäche der IFP, die eine Abspaltung erlebte, Stimmen hinzugewinnen konnte.


ANC in Kapstadt gescheitert

Gescheitert ist der ANC klar im Kampf um das Amt des Bürgermeisters von Kapstadt. Dort hatte der ANC den regionalen Gewerkschaftsführer Tony Ehrenreich ins Rennen gegen Patricia De Lilie von der DA geschickt. Man hoffte auf eine Rückeroberung Kapstadts. Doch der DA mit der populären De Lilie an der Spitze gelang es sogar, deutlich an Stimmen hinzuzugewinnen. Nach 45,4 Prozent bei den letzten Wahlen erreichte die DA nun 60,9 Prozent und damit fast doppelt so viele Stimmen wie der ANC (33 Prozent).

Die Stimmenzuwächse, die die DA in diesen Kommunalwahlen erlebte, sind nach Meinung von Experten, wie dem Politikwissenschaftler Adam Habib von der Universität Johannesburg, vor allem der neuen Strategie der Parteichefin Helen Zille geschuldet.

In der Vergangenheit zog die DA noch unter Wahlslogans wie "Fight back" in die politische Auseinandersetzung mit dem ANC. Diese Strategie zielte hauptsächlich auf die mit der neuen Regierung unzufriedenen Weißen. Hellen Zilles Kommunalwahlkampf war dagegen von einer Strategie geprägt, die auf Inklusion setzte, die keine Bevölkerungsgruppe vor den Kopf stoßen wollte. So zeigte sich die DA mit drei Frauen - weiß, farbig und schwarz - auf allen Wahlplakaten im Land.

Positiv formulierte die DA denn auch: "We deliver for all" und griff den ANC dort an, wo er Schwächen hat, nämlich bei der Erfüllung der eigenen Versprechen für "a better Life for all" zu sorgen. Service Delivery, die Versorgung mit öffentlichen Dienstleistungen, war das bestimmende Thema der Wahlen. Viele Menschen sind verärgert, dass die Leistungen des Staates wie die Versorgung mit Wasser und Strom sowie Häuser weiter ausbleiben oder dass nur Beziehungen einem zu den Diensten verhelfen. Korruption und Vetternwirtschaft waren denn auch Gründe, warum es dem ANC schwerer als in der Vergangenheit fiel, Unterstützung zu gewinnen. Allgemein fällt die Zufriedenheit mit der Regierung seit einigen Jahren beständig.

Zum ersten Mal gelang es denn auch der DA vor allem in den Großstädten, schwarze Südafrikaner für sich zu gewinnen. In Alexandra, dem innerstädtischen Township Johannesburgs, konnte man am Wahltag auf so manchen schwarzen Südafrikaner treffen, der sich offen dazu bekannte, dieses mal für die DA gestimmt zu haben, weil der ANC nicht in der Lage sei, endlich für sozialen Fortschritt zu sorgen. Die DA konnte in den Townships vor allem dort Stimmen hinzuzugewinnen, wo wie in Teilen Sowetos die neue aufstrebende Mittelklasse lebt.

Die Stimmengewinne der DA bei den schwarzen Wählerinnen und Wählern bleiben landesweit noch im Umfang beschränkt. Was die DA aber für sich in Anspruch nehmen kann, ist, dass sie sich zur Partei der Minoritäten entwickelt hat. Mache Kommentatoren sprechen schon von der DA als Regenbogenpartei, denn neben den noch wenigen schwarzen DA-Wählern ist sie zur Partei der südafrikanischen Minoritäten (Weiße, Farbige und Asiaten) geworden.

Der ANC, dessen Wählerschaft hingegen vornehmlich schwarz ist, hat bei den Minoritäten weiter an Boden verloren, nicht zuletzt deshalb - wie er selbstkritisch nach der Wahl einräumte -, weil einige Repräsentanten des ANC immer wieder mit sprachlichen Ausfällen auf sich aufmerksam machten, die auf die weiße oder farbige Wählerschaft zielte.

Der Chef der ANC-Jugendliga Julius Malema ließ auf einer Wahlveranstaltung durchblicken, dass Helen Zille wie ein Affe tanze. Kurz vor den Wahlen tobte dann ein Streit innerhalb des ANC, bei dem der ANC-Minister Trevor Manuel seinem Parteifreund Jimmy Manyi Rassismus vorwarf, nachdem dieser ein übermäßiges Wachstum der farbigen Bevölkerung in der Provinz Western Cape beklagt hatte. Die Coloureds pflegen mehrheitlich die DA zu wählen.

Insgesamt setzte der ANC vor allem auf die Mobilisierung der schwarzen Wählerschaft und hatte weniger die Minoritäten im Land im Auge. Präsident Jacob Zuma gab selbst den Ton vor, in dem er die schwarzen Wähler davor warnte, die DA zu wählen, da nur die Wahl des ANC die Vorfahren zufrieden stimmen würde. Alles andere als ein Kreuz beim ANC würde nur Unglück bringen.


Test für Zuma

Das Ergebnis der Kommunalwahlen war auch ein Test für Jacob Zuma, der seit 2009 das Land regiert und der sich 2012 auf dem ANC-Parteikongress zur Wiederwahl als ANC-Parteichef stellen muss. Mit auf dem ersten Blick kaum weniger Zustimmung als bei den letzten Wahlen hat sich Zuma zum Sieger erklärt. Zumas Position im ANC hat sich durch die Kommunalwahlen nicht wesentlich verändert. Die Führungsschwäche Zumas, die viele Experten beklagen, ist dem großen Einfluss des ANC auf die Regierungsführung geschuldet. "Inclusive Leadership", die Formulierung von Regierungszielen durch den ANC selbst, hatten wichtige Strömungen im ANC in der Vergangenheit immer wieder angemahnt. Zu Thabo Mbekis Sturz als ANC-Präsident und kurz darauf Staatspräsident kam es vor allem deshalb, weil er die Regierungspolitik in einem kleinen Kreis festlegte.

Zuma selbst hat die Schwächen der ANC-geführten Linksregierung Südafrikas erkannt. Nach 17 Jahren Regierung kann es für Versäumnisse keine Ausreden mehr geben. Armut, Arbeitslosigkeit und die trotz Fortschritten in Teilen immer noch schlechte Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Strom und Wohnraum hat auch mit der Politik der vergangenen Jahre zu tun.

2009 hatte Zuma die Wahl unter der Überschrift "Ich habe verstanden, wir machen es besser" gewinnen können. Doch Zuma gelingt es gegenüber den verschiedenen ANC-Strömungen, links und rechts, Traditionalisten und Modernisierer, nicht, eine eigene Regierungspolitik zu formulieren. Viele seiner eigenen Wähler vermissen eine klare politische Richtungsbestimmung durch den Präsidenten. So könnte seine Zeit an der Spitze des ANC und damit des Landes bald zu Ende gehen, wird spekuliert. Denn innerhalb des ANC haben viele die Signale der Kommunalwahlen trotz allen Jubels und hupenden Autokorsi durchaus verstanden und drängen auf Veränderungen, damit die Vorherrschaft des ANC in Südafrika nicht verloren geht.


Der Autor ist Leiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Südafrika


Kommunalwahlen in Südafrika

Partei
Kommunalwahlen 2011 in %
Nationale Wahlen 2009 in %
Kommunalwahlen 2006 in %
ANC
DA
IFP
NFP
Cope
andere
62,93
24,08
3,56
2,38
2,22
4,83
65,9
16,7
4,6
            n.a. 7,4
5,4
66,3
14,8
8,1
          n.a.
          n.a. 10,8

n.a.: nicht angetreten
2011 gingen insgesamt 13.357.511 Menschen zur Wahl, 2006 waren es 9.851.099
Quelle: www.elections.org.za


Resultate einzelner Städte und Provinzen

ausgew. Städte in %:
Tshwane/Pretoria
Johannesburg
Kapstadt
eThekwini/Durban
Port Elizabeth
Bloomfontein
ANC
55,3
58,6
32,8
61,1
51,9
66,3
DA
38,6
34,6
60,9
21,0
40,1
27,1
IFP
0,12
1,63
0,13
4,13
n.a.
n.a.
NFP
0,04
0,78
0,07
4,70
n.a.
n.a.
Cope
0,90
1,15
1,11
0,38
4,95
3,16
Provinzen in %:
Free State
Gauteng
KwaZulu-Natal
Limpopo
Mpumalanga
Ostkap
Nordkap
Nordwest
Westkap
71,0
59,7
56,8
80,6
78,0
71,4
63,1
74,0
33,6
20,0
33,4
11,9
4,5
13,8
16,2
22,0
16,0
57.7
0,05
0,97
15,80
 n.a. 0,25
0,00
 n.a.
 n.a. 0,08
0,06
0,62
10,39
 n.a. 0,59
0,10
 n.a. 0,27
0,06
3,46
1,04
0,32
3,74
1,08
4,05
11,79
2,71
1,75

Quelle: www.elections.org.za


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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2011