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AFRIKA/1069: Angola - Inspiriert vom Arabischen Frühling, Oppositionelle dringen auf Machtwechsel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. November 2011

Angola: Inspiriert vom Arabischen Frühling - Oppositionelle dringen auf Machtwechsel

von Louise Redvers

Dutzende Demonstranten wurden in Luanda festgenommen - Bild: © Louise Redvers/IPS

Dutzende Demonstranten wurden in Luanda festgenommen
Bild: © Louise Redvers/IPS

Luanda, 16. November (IPS) - Adolfo Andre weiß, was er für sein Land erreichen will. Der Angolaner hat sich vorgenommen, so lange zu kämpfen, bis er ans Ziel gekommen ist. "Der Präsident muss die Macht abgeben. Es ist Zeit für ihn zu gehen", meint er.

"Meine Brüder und Schwestern leben unter schrecklichen Bedingungen", so der 32-Jährige. "Obwohl das Land so reich ist, sterben Menschen, weil ihnen der Zugang zu Nahrung, sauberem Wasser oder Medikamenten versperrt wird."

Andre wurde zwei Wochen vor dem Amtsantritt von Staatschef Jose Edoardo dos Santos 1979 geboren. Angolaner seiner Generation haben sich nun zu einer Protestbewegung zusammengeschlossen, die seit Anfang dieses Jahres aktiv ist.

Die Oppositionellen sind vom Arabischen Frühling und ihren eigenen Erfahrungen im Ausland beeinflusst. Ihr größter Antrieb ist jedoch die Frustration über die große Ungleichheit in dem afrikanischen Land. Die Protestbewegung hat ansonsten kein klares politisches Profil und keine formelle Führung.

Am Anfang fanden sich nur einige wenige Menschen zu Protesten ein, bald wurden es aber viele mehr. Dazu haben auch soziale Netzwerke im Internet wie 'Facebook' beigetragen. Im Oktober trommelten sie etwa 700 Personen für einen Protestmarsch durch die Hauptstadt Luanda zusammen. Die Demonstranten trugen Transparente mit Aufschriften wie "Nieder mit dem Diktator" und "32 Jahre sind zu lang".


Ausufernde Vetternwirtschaft

Die neue Bewegung legt sich mit einer Regierung an, die die staatlichen und privaten Medien kontrolliert. Durch Vetternwirtschaft sorgen die Mächtigen im Lande dafür, dass kritische Stimmen unterdrückt werden.

"Viele Menschen in Angola haben erkannt, dass die Dinge nicht gut laufen. Trotzdem verlassen sie sich noch darauf, dass die Regierung und die herrschende Elite ihnen Jobs und Wohlstand sichern", kritisiert Andre, der 15 Jahre lang als Flüchtling in Südafrika lebte. "Die Menschen fürchten, das zu verlieren, was sie haben, wenn sie protestieren. Wir versuchen aber die Millionen Angolaner zu mobilisieren, die kein Essen, keine Häuser, keine Jobs und keine Hoffnung haben."

In den vergangenen Monaten fanden nicht nur in Luanda, sondern auch in anderen Städten Kundgebungen statt. "Angola ist zwar noch weit von einem Arabischen Frühling entfernt", meint Pedro Seabra vom Portugiesischen Institut für Internationale Beziehungen und Sicherheit in Lissabon. "Diese neuen Proteste sind jedoch sehr bedeutsam. Die Dinge fangen an sich zu ändern."

Das an Erdöl reiche Land hat seit dem Ende des 30-jährigen Bürgerkriegs 2002 ein rasantes Wachstum erlebt. Für 2012 wird ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um zwölf Prozent erwartet. Dennoch haben nur wenige Leute von dieser 'Friedensdividende' profitieren können.

Laut dem kürzlich veröffentlichten UN-Index für menschliche Entwicklung befindet sich Angola auf dem 148. von insgesamt 187 Plätzen. Mehr als die Hälfte der Einwohner leben unterhalb der Armutsgrenze und haben keinen Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen.

Nach dem Tod des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi, der 42 Jahre lang an der Macht war, konkurriert Dos Santos nun mit dem Präsidenten von Äquatorialguinea, Teodoro Obiang, um den fragwürdigen Titel des am längsten amtierenden Staatschefs in Afrika. Nachdem Dos Santos jahrzehntelang unangefochten auf dem Präsidentensessel gesessen hat, wird der 69-Jährige nun zur Hassfigur.

"Alle Mitglieder des Dos-Santos-Clans sind reich. Seine Töchter gehören zu den wohlhabendsten Frauen in ganz Afrika", sagt Makuta Nkondo, der für die größte Oppositionspartei UNITA im Parlament sitzt. Auch die Regierungsmitglieder seien reich. Das sei ein Skandal, da viele Leute in Angola weder Zugang zu Wasser und Strom noch zu Gesundheitsversorgung und Bildung hätten.


Repressalien gegen Regierungsgegner

Gegen die Regierung zu protestieren, hat allerdings Konsequenzen. Andre, der Erfahrungen im Bau- und Bankgewerbe hat und als Bürger eines portugiesisch sprachigen Landes fließend Englisch spricht, sucht seit seiner Rückkehr in die Heimat im Januar vergeblich nach Arbeit. Viele Oppositionelle, die sich an Demonstrationen beteiligten, haben inzwischen ihre Jobs verloren.

Die Proteste hätten sein Leben erschwert und ihn in Gefahr gebracht, gibt Andre zu. "Die Sicherheitsdienste folgen uns die ganze Zeit und wissen immer, wo wir sind. Man kann sich nirgendwo vor ihnen verbergen, sie hören immer zu und beobachten uns."

Im September wurde Andre gemeinsam mit Dutzenden weiteren Demonstranten in Luanda festgenommen. Er verbrachte mehr als sechs Wochen hinter Gittern, bevor seine Verurteilung wegen Störung der öffentlichen Ordnung aus unerklärlichen Gründen vom Obersten Gerichtshof aufgehoben wurde.


Bestechungsversuche

Vor der Demonstration sei auf sie ein General zugekommen, der ihnen Autos und Geld versprach, wenn sie ihren Protest einstellen würden. "Als wir die Geschenke zurückwiesen, sagte der Typ: 'Ihr werdet sehen, wie das Feuer brennt'. Ein paar Tage später wurden wir festgenommen und von der Polizei verprügelt."

Nachdem die Regierung zunächst mit Gewalt gegen die Demonstranten vorging, hat sie inzwischen ihre Taktik geändert. So wirft sie den jungen Leuten vor, durch ihre Aufmüpfigkeit den Bürgerkrieg neu entfachen zu wollen.

In Angola sollen 2012 Wahlen stattfinden. Dos Santos hat bisher nicht bestätigt, dass er wieder antreten will. Gemäß der neuen Verfassung, die im Februar 2010 ratifiziert wurde, wird derjenige zum Staatsoberhaupt bestimmt, der oben auf der Liste der Partei steht, die die meisten Wählerstimmen erhält. 2008, als erstmals nach 16 Jahren wieder Wahlen abgehalten wurden, gewann die seit der Unabhängigkeit 1975 herrschende Volksbewegung für die Befreiung Angolas (MPLA) 82 Prozent der Stimmen. (Ende/IPS/ck/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2011