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AFRIKA/1143: Südafrika - Die Öko-Genossenschaft von Ivory Park (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 4, Juli/August 2012

Zusammen aus der Misere
Die Öko-Genossenschaft von Ivory Park.

von Armin Osmanovic



Südafrikas Townships quellen über mit Menschen, die auf der Suche nach Arbeit aus den ländlichen Gebieten kommen. Doch Arbeit gibt es kaum. Helfen kann da nur die Eigeninitiative, weswegen sich die Menschen zu Genossenschaften zusammenschließen. Noch fehlt es aber an staatlicher Unterstützung.


Auf halber Strecke zwischen Johannesburg und Pretoria liegt das Township Ivory Park. Nur wenig entfernt von den Bürogebäuden und Einfamilienhaussiedlungen, die sich entlang der großen Highways zwischen Südafrikas Wirtschaftsmetropole Johannesburg und der Hauptstadt Pretoria aufreihen, leben hier dicht an dicht über hunderttausend Menschen unter zumeist sehr einfachen Verhältnissen. Und täglich kommen neue Bewohner hinzu.

Die Suche nach Arbeit treibt die Menschen aus den ländlichen Gebieten Südafrikas und aus anderen Ländern des afrikanischen Kontinents hierher nach Johannesburg. Wohnraum ist in Südafrikas Städten teuer und so finden sich viele in Ivory Park wieder, weit draußen vor der Stadt, wo Unterkünfte billiger sind. Ivory Park gleicht den vielen anderen gesichtslosen Siedlungen in Südafrika, die in den Jahren der Apartheid am Rande der den Weißen vorbehaltenen Städte wuchsen und nun immer weiter wuchern.

Häuserreihe an Häuserreihe steht in Ivory Park. Hinter den Häusern stehen die Toiletten aufgereiht. Daneben findet man einfache Blechhütten von Neuankömmlingen, die hier teilweise noch ohne Strom hausen müssen, bis sie an der Reihe sind und in die staatlich subventionierten Häuser umziehen können.

Auf den staubigen Straßen des Townships sieht man Ziegen und Hunde streunen, Kinder spielen und Erwachsene mehr oder weniger beschäftigt ihrer Wege gehen. Am Straßenrand wird von Frauen auf kleinen Ständen Gemüse, Tomaten, Spinat und Zwiebeln angeboten. Und wie in jedem größeren Township findet sich auf dem zentralen Platz ein großer Supermarkt. Gleich daneben gibt es die Taxistände. Dort fahren die Minibusse ab, welche die Township-Bewohner dort hin bringen, wo es Arbeit gibt: in Sandton und den anderen reichen Vororten im Norden Johannesburgs oder in Pretoria, wo viele der Einwohner Ivory Parks als Hausangestellte oder Gärtner ihr Einkommen verdienen.

In Ivory Park gibt es kaum eine Arbeit. Nur ein paar kleinere Reparaturbetriebe und Auto-Waschfirmen sieht man. Ohne Arbeit und ohne Aussicht auf Arbeit haben sich einige der Bewohner zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen. 1999 wurde die erste Kooperative in Ivory Park gegründet. Mittlerweile gibt es eine ganze Handvoll verschiedener Zusammenschlüsse.

Vishwas Satghar erwartet uns schon vor den einfachen Gebäuden der Genossenschaft. Er führt uns in eine kleine Hütte. In einem Raum nebenan mit ein paar Stühlen gibt es auch ein Flip-Chart, auf der uns der Mitdreißiger mit indischen Wurzeln zusammen mit drei Mitgliedern der Genossenschaft den Aufbau der Kooperative erklärt. Dann führt er uns auf den zentralen Platz der Genossenschaft. Mehrere kleinere Häuschen und Lagerräume gruppieren sich um eine Art Konferenzhalle. "Es ist mehr als eine Genossenschaft. Wir haben hier eine Art Öko-Dorf errichtet. Wir wollen solidarisch und ökologisch wirtschaften", erklärt uns einer der anderen Männer.

Die Idee mit dem Ökodorf, so erzählt Satghar, ist mit dem Weltgipfel in Johannesburg im Jahr 2002 entstanden. Ihre Kooperative gehört dazu. Öko ist das Dorf bislang wegen des Recyclings, wegen Stromeinsparung und einer Radspur. Unterstützt wird die Initiative von der örtlichen Verwaltung in Midrand.

Was die Genossenschaft in Ivory Park genau unternimmt, wollen wir wissen. "Viel verschiedenes", so Satghar. Man betreibt Papier-Recycling für die Herstellung von Kunstwerken aus Pappmaschee für die Touristen. Nashörner und Hippos aus Altpapier, in das man Pflanzenfasern mischt, sind sehr beliebt, aber auch Büromaterialien wie Hefter werden angefertigt.

Daneben gibt es in einem kleinen Atelier auf dem Gelände eine Näherei. Hier produzieren vier bis sechs ältere Frauen gebeugt über ihre alten Pfaff-Nähmaschinen vor allem Schuluniformen. Abnehmer sind neben den eigenen Kindern die Schüler des Townships und der lokale Supermarkt. Der wird auch mit dem Gemüse des genossenschaftseigenen Gartens beliefert. Rüben, Spinat, Tomaten und Erdbeeren pflanzen fünf Frauen an. Vor allem aber wird direkt an die Township-Bewohner verkauft.

Der Township-Supermarkt, der zu Pick and Pay, eine der größten Supermarktketten Südafrikas, gehört, ist an einer Kooperation mit der Genossenschaft prinzipiell interessiert, doch eine konstante Belieferung, die das Unternehmen von der Genossenschaft fordert, macht Schwierigkeiten, da die Fläche des Gemüsegartens noch zu klein ist, um beständig liefern zu können. Der Zukauf von mehr Anbaufläche steht denn auch ganz oben auf der Ausbauwunschliste der Genossenschaftler.

Unterstützung erhält die Genossenschaft von der Nichtregierungsorganisation COPAC (Co-operative and Policy Alternative Center) aus Johannesburg, einer kleinen Nichtregierungsorganisation, die von Vishwas Satghar gegründet wurde. COPAC berät die Genossenschaftsmitglieder in Fragen von Organisation und Finanzen, plant mit den Mitgliedern und bildet sie fort.


Ohne finanzielle Hilfe geht es nicht

Das größte Problem der Genossenschaften ist das fehlende Kapital. Geld für den Unterhalt und den Ausbau der Gebäude kommt bislang aus dem Verkauf, doch das ist nicht genug. Der Staat unterstützt mit diversen Programmen Genossenschaften im Land, doch im bürokratischen Dschungel braucht man Hilfe und sehr oft gute Beziehungen.

Andere Genossenschaften in Ivory Park täten sich leichter, so einer der Männer der Genossenschaft, der uns auf dem Rundgang über das Gelände begleitet. Vor allem jene mit Beziehungen zum Gewerkschaftsdachverband Cosatu, der eng mit dem regierenden ANC verbunden ist, haben leichteres Spiel, an staatliche Gelder heranzukommen. Wie sonst auch in Südafrika seien Beziehungen entscheidend.

"Wir geben nicht auf, mit unseren Versuchen staatliche Fördergelder zu erhalten", sagt Vishwas Satghar. "In der Zwischenzeit setzen wir aber auch in Sachen Kapitalbereitstellung auf Eigeninitiative". Geplant ist ein Fonds, in den die Mitglieder der Genossenschaften einbezahlen und aus dem dann notwendige Maßnahmen finanziert werden. Woran man schon arbeitet, ist eine Vernetzung der verschiedenen Genossenschaften in Südafrika. Gemeinsam will man voneinander lernen, aber auch mehr Druck auf den Staat ausüben, damit dieser mehr für die Kooperativen tut. Großprojekte stünden weiterhin im Vordergrund staatlicher Förderung. Kleine Initiativen vor Ort, die Arbeit schaffen, werden weiterhin zu häufig vernachlässigt.

Ohne staatlichen Zuschuss wird es für die Genossenschaften in Ivory Park schwer bleiben, denn der Kapitalbedarf für Neuinvestitionen ist groß. Sowohl die Näherei mit ihren Uraltmaschinen als auch die Papier-Recycling-Genossenschaft müssen dringend in Maschinen und Räumlichkeiten investieren, wollen sie mit dem Billigangebot nebenan im Supermarkt konkurrieren.

Wir verlassen die Kooperative mit gemischten Gefühlen. Allgemein begegnet den Genossenschaften häufig das Vorurteil, dass diese Form des Wirtschaftens ineffizient sei, dass die einzelnen Mitglieder nur an ihrem eigenen Vorteil interessiert seien. Misswirtschaft sei die Folge. Geschichten, wonach sich Genossenschaftler mit der Kasse der Kooperative aus dem Staub gemacht haben, sind Legende. Häufig wird auch davon erzählt, dass gerade in Afrika Genossenschaften nicht funktionieren könnten, da die Großfamilien die Mitglieder der Kooperativen finanziell ausbluten lassen.

Viele Genossenschaften endeten in Afrika in der Vergangenheit mit enttäuschenden Ergebnissen. Nach Jahren großer Skepsis setzen internationale Organisationen wieder neue Hoffnung in diese Form des Wirtschaftens. Alte Fehler wie mangelnde Professionalität im Management sollen vermieden werden.

Das Beispiel von Ivory Park zeigt bislang, dass man zusammen in einer Gruppe erfolgreich wirtschaften kann, doch es zeigt auch, dass es ohne mehr staatliche Hilfe kaum gehen wird, denn allein können die Mitglieder der Kooperative nicht genug sparen, um zu investieren.


Der Autor leitet das Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Südafrika.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
41. Jahrgang, Nr. 4, Juli/August 2012, S. 13-14
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2012