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AFRIKA/1203: Lesotho - Friedliche Machtablösung im Königreich (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 1, Januar/Februar 2013

Friedliche Machtablösung im Königreich
In Lesotho gab es einen Machtwechsel

von Brigitte Reinhardt



Am 26. Mai 2012 hatten Parlamentswahlen stattgefunden, aus denen der bisherige Premierminister Mosisili mit seinem Democratic Congress als Sieger hervorging. Die Regierung bildeten jedoch andere. Was war geschehen?


Drei Monate vor den Wahlen hatten die Spannungen in der Führung der Regierungspartei Lesotho Congress for Democracy (LCD) ihren Höhepunkt erreicht. Parteiführer und Premierminister Bethuel Pakalitha Mosisili und seine Getreuen entschlossen sich dazu, den LCD zu verlassen und eine neue Partei, den Democratic Congress (DC), zu gründen. Die Mehrheit der LCD-Abgeordneten im Parlament schloss sich ihnen an und sprach der DC-Regierung unter Mosisili ihr Vertrauen aus. Die restlichen LCD-Abgeordneten fanden sich auf der Oppositionsbank wieder. Die Empörung angesichts dieses "Staatsstreiches" war groß Für die Wahlen - und vor allem für die Zeit danach - verhieß dies nichts Gutes.


IEC setzt auf Transparenz

Deshalb kam der Unabhängigen Wahlkommission (Independent Electoral Commission - IEC) besondere Bedeutung zu. Noch immer sind Wahlen in Lesotho keine Routineangelegenheit. Allein die logistischen Herausforderungen, die sich der IEC schon im Vorfeld stellen, sind enorm. Ohne ein Meldewesen ist die Erstellung einer Wählerliste die erste große Hürde. Hinzu kommt die Registrierung von Neuwählerinnen und Wählern. Hunderte neuer Registriermaschinen wurden diesmal angeschafft und auf Wahlveranstaltungen der Parteien, am Rande von Fußballspielen und in Fabriken eingesetzt, auch in Südafrika, wo viele Wanderarbeiter aus Lesotho tätig sind.

Zum ersten Konflikt kam es, als einige Wahlkreise neu bestimmt werden mussten, um den gesetzlichen Vorgaben von maximal 15.900 Wahlberechtigten in einem Wahlkreis zu genügen. Reflexartig schürte dies bei Oppositionsparteien den Verdacht, hier werde zugunsten der Regierungspartei manipuliert.

Um dem Misstrauen gegenüber der JEC zu begegnen und die Glaubwürdigkeit der Wahlen zu erhöhen, setzte die Leiterin der IEC, Limakatso Mokhothu, auf totale Transparenz. Alle 19 an den Wahlen teilnehmenden Parteien und zahlreiche gesellschaftliche Gruppen wurden in einen kontinuierlichen Informations- und Konsultationsprozess einbezogen. Parallel dazu lief eine breit angelegte Kampagne zur Wähleraufklärung. Zweifellos haben diese Bemühungen zur Akzeptanz des Wahlergebnisses beigetragen und der IEC erstmals seit ihrer Gründung das Lob der Parteien und auch des Königs beschert.


Sieger und doch Verlierer

Wahlen werden in Lesotho auf dem Land entschieden, nicht in Maseru oder den anderen Städten der Lowlands. Von daher konnte nicht überraschen, dass Pakalitha Mosisili das Rennen machen würde. Zum einen ist er als Nachfolger des legendären Ntsu Mokhehle und langjähriger Regierungschef der bekannteste Politiker, zum anderen verfügen nur LCD/ DC über Parteistrukturen im ganzen Land. Ohne die Parteispaltung hätte Mosisili mit den 48 Sitzen des DC und den 28 des LCD über eine satte Mehrheit verfügt. So aber war DC zwar die stärkste Partei, konnte jedoch keine Regierung bilden, da dazu 61 von den 120 Sitzen im Parlament erforderlich gewesen wären.

Was war da für Mosisili naheliegender, als die ehemaligen Parteigenossen zu Koalitionsgesprächen einzuladen? Das Scheitern war jedoch programmiert, da sich beide Seiten nach wie vor nicht über die Rolle des ehemaligen Bergbauministers Monyane Moleleki, der von der LCD-Führung abgelehnt wird, einigen konnten.

Dies war die Stunde, auf die Oppositionsführer Tom Thabane jahrelang gewartet hatte. Thabane verließ 2006 den LCD und gründete die All Basotho Convention (ABC). Der 73-jährige gilt als erfahrenster Staatsdiener des Landes, hatte sowohl zur Zeit der Einparteienherrschaft der BNP als auch unter der Militärherrschaft hohe Positionen inne und gehörte von 1998 bis 2006 dem Kabinett Mosisili als Minister verschiedener Ressorts an.

Mit 30 Sitzen war ABC die zweitstärkste Kraft und konnte zusammen mit den 28 Sitzen der LCD und den fünf Sitzen der Basotho National Party (BNP) die erforderliche Mehrheit im Parlament erreichen. Nach kurzen Verhandlungen war die Koalition geboren. Mosisili und sein Democratic Congress gingen in die Opposition.

Als an einem kalten Junitag die Machtübergabe stattfand, kannte der Jubel der Tausenden, die singend und tanzend ins Stadion der Hauptstadt Maseru gekommen waren, keine Grenzen. In seiner Rede verwies Mosisili darauf, dies sei das erste Mal in der Geschichte Lesothos, dass die Regierungsgewalt friedlich übergeben werde - nicht nur an eine andere Partei, sondern an eine Koalition mehrerer Parteien. "Dies ist ein Markstein in der Entwicklung unserer Nation und ein Ausdruck politischer Reife. Ich hoffe und bete, dass diese Errungenschaft von Dauer sein wird, zum Wohle unseres Volkes." Seinem Nachfolger, dem designierten Premierminister Tom Thabane, wünschte er Erfolg und Gottes Segen in seinem schweren Amt.

Für sein staatsmännisches Verhalten wurde Mosisili von allen Seiten Respekt und Anerkennung gezollt. Einige Kommentatoren meinten, man solle ihn nun nicht in den Himmel heben, es sei ihm ja schließlich nichts anderes übrig geblieben, da er die absolute Mehrheit verfehlt habe. Andere erinnerten daran, dass der afrikanische Kontinent nicht gerade gesegnet sei mit Beispielen für eine friedliche Machtablösung. Die Zeitschrift Pinnacle legte noch eins drauf und fragte, ob Mosisili nicht den Friedensnobelpreis verdiene.


Koalition als Chance

Als erstes machte sich die neue Administration daran, vorhandene Posten zu verteilen und neue zu schaffen, um die Erwartungen aller Beteiligten zu befriedigen und die Koalition zusammen zu schweißen. Zum Beispiel wurden durch die Aufspaltung von mehreren Ministerien zusätzliche Ministerposten geschaffen. Im Ergebnis hat Lesotho heute neben Premierminister Tom Thabane und seinem Stellvertreter Mothetjoa Metsing (LCD) 23 Minister und sieben stellvertretende Minister - eine stattliche Anzahl gut dotierter Stellen in einem armen Land mit knapp zwei Millionen Einwohnern. "Sei's drum", lautete ein Kommentar, "wenn's dem Frieden dient."

Skepsis gegenüber dieser "polygamen Regierung" (Lesotho Times) ist angebracht, schließlich ist die Parteienlandschaft in Lesotho eher durch Spaltungen als durch konstruktive Zusammenarbeit gekennzeichnet. Und doch könnte es einen Kitt geben, der stärker ist als das Profilierungsstreben einzelner: Das Wissen, nur gemeinsam die politische Macht und die damit einhergehenden materiellen Segnungen genießen zu können. Dem kommt auch entgegen, dass auf der politischen Ebene keine Unterschiede zwischen den drei Parteien auszumachen sind, die Anlass zu ernsthaften Auseinandersetzungen bieten könnten. "Alle wollen das Gute, nicht das Böse", meinte ein ausländischer Beobachter.

Die meisten Menschen im Land interessieren sich sowieso kaum noch für die Machtspiele in der Hauptstadt. Sie erwarten Lösungen für eine Reihe drängender Probleme. Dazu gehört das Verhältnis zu Südafrika, besonders im Hinblick auf das seit Juni 2010 verschärfte Grenzregime, unter dem viele Basotho, die von Arbeitsplätzen in Südafrika abhängen, noch immer zu leiden haben. Grundproblem ist die an "kriminelle Nachlässigkeit" (Lesotho Times) grenzende Unfähigkeit des lesothischen Staates, alle seine Bürgerinnen und Bürger mit Ausweisen bzw. Reisepässen auszustatten, die ihnen einen legalen Grenzübertritt ermöglichen würden.

Kaum fünf Monate im Amt geriet die Regierung unter Druck durch einen Streik von Textilarbeiterinnen. Sie forderten die Einlösung des Wahlversprechens der Koalitionsparteien, für Lohnerhöhungen zu sorgen, und verlangten die Entlassung des Arbeitsministers, da er ihre Forderungen gegenüber den Arbeitgebern nicht durchgesetzt habe. Premierminister Thabane sagte zu, ihr Anliegen im Kabinett zu beraten, verwies jedoch auch darauf, dass die Regierung hier nur eine vermittelnde Rolle einnehmen könne.

Der Streik machte die Schwäche der lesothischen Gewerkschaften deutlich, aber auch das Dilemma der globalen Niedriglohnkonkurrenz. So berechtigt die Forderungen der 40.000 Textilarbeiterinnen und Arbeiter nach einem Ausgleich für die gestiegenen Lebenshaltungskosten sind, so groß ist jedoch auch die Gefahr, dass die Unternehmen nach Ablauf des Präferenzabkommens mit den USA (AGOA) 2015 in Länder mit noch niedrigerem Lohnniveau weiterziehen. Von daher gehört es zu den zentralen Herausforderungen für die neue Regierung, die Wirtschaft Lesothos zu diversifizieren, weg von der Konzentration auf den Textilsektor.

Der Erfolg der Regierung wird auch daran gemessen werden, ob sie der Korruption im öffentlichen Dienst effektiver begegnet, als dies unter Mosisili der Fall war. Die Ausplünderung des Staates durch Manipulationen bei Ausschreibungen und Beschaffungen hat ein besorgniserregendes Ausmaß angenommen.

Mit der Koalition bietet sich die Chance für eine Veränderung der politischen Kultur in Lesotho: statt Diffamierung und Konfrontation gegenseitiger Respekt und Kooperation. Ob dies gelingt, wird von allen Beteiligten abhängen, Regierung und Opposition.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
42. Jahrgang, Nr. 1, Januar/Februar 2013, S. 35 - 36
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Mai 2013