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AFRIKA/1221: Somalia - Leichtes Spiel für Al-Shabaab-Islamisten, Anschlagsserie in Mogadischu (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. August 2013

Somalia: Leichtes Spiel für Al-Shabaab-Islamisten - Anschlagsserie in Mogadischu

von Muhyadin Ahmed Roble und Yusuf Ahmed


Bild: © Omar Faruq/IPS

Al-Shabaab terrorisiert erneut die somalische Hauptstadt Mogadischu
Bild: © Omar Faruq/IPS

Mogadischu, Nairobi, 5. August (IPS) - Die somalische Regierung will mit einer Küstenpatrouille der Piraterie in ihren Gewässern zu Leibe rücken. Doch Experten zufolge sollte sie sich zunächst dem Problem der zunehmenden Unsicherheit in der Hauptstadt stellen. Die vor zwei Jahren aus Mogadischu vertriebene 'Al-Shabaab'-Miliz ist erfolgreich dabei, verlorenes Terrain wieder wettzumachen.

Wie Osman Aweis Dahir, Leiter der lokalen Dr.-Ismail-Jimale-Menschenrechtsorganisation berichtete, "macht die Al-Shabaab mit einer neuen Anschlagsserie in Mogadischu dass bisschen Stabilität in der Stadt zunichte", seitdem die Islamisten am 6. August 2011 durch somalische Soldaten und die Friedenstruppe der Afrikanischen Union (AU) in die Flucht geschlagen werden konnten. Vor dem Rückzug der radikalen Kämpfer hatte die Regierung nur die Hälfte von Mogadischu unter ihrer Kontrolle gehabt.

Seit einigen Wochen wird die somalische Hauptstadt wieder von Hinterhalten, Morden und Selbstmordanschlägen heimgesucht. Mehr als 60 Menschen, mehrheitlich Zivilisten, kamen bei den verschiedenen Anschlägen ums Leben. "Das ist ein Rückschlag für die Hoffnung auf eine relative Sicherheit", so Dahir.

Am 30. Juli hatten Al-Shabaab-Kämpfer einen Mitarbeiter des somalischen Geheimdienstes NISA beseitigt. Er ist einer von vielen Staatsbediensteten, die in den letzten Wochen ermordet worden sind. Zu den Opfern gehört auch die Vizekommissarin des Mogadischu-Bezirks Yaqshid, Rahma Dahir Siad, die am 17. Juli einem Anschlag zum Opfer fiel.

Ausländische Diplomaten sind in der Stadt ebenso wenig sicher. Am 27. Juli bekannte sich die Al-Shabaab zu einem Attentat auf die türkische Botschaft, das drei Mitarbeiter das Leben kostete. Wenige Stunden zuvor war eine Bombe in einem Fahrzeug eines Parlamentsabgeordneten im Norden der Stadt hochgegangen.


Al Shabaab spricht von mehr als 100 Anschlägen in zwei Wochen

Am 24. Juli ließ der Al-Shabaab-Sprecher Sheikh Abdu Aziz Abu Musab verlauten, seine Gruppe haben zwischen dem 10. und dem 24. Juli mehr als 100 Angriffe durchgeführt, die Hälfte davon in Mogadischu. "Der steile Anstieg koordinierter Anschläge zeugt mehr als alles andere von der Stärke und den operativen Fähigkeiten der Mudschaheddin", sagte er gegenüber einem pro-islamistischen Radiosender in Somalia.

Ministerpräsident Abdi Farah Shirdoon räumte Sicherheitsmängel ein und gelobte Besserung. "Die Sicherheitslage ist beunruhigend und sie entspricht nicht unseren Vorstellungen", erklärte er am 18. Juli gegenüber Journalisten in Mogadischu.

Doch nach Ansicht des Sicherheitsexperten Jama Ahmed Siad fehlt es dem Staat an einer klaren Strategie, um auf die Stadtguerilla-Anschläge der Al-Shabaab wirksam zu reagieren. "Diese Stadt hat Ähnlichkeit mit einem Einkaufsladen, der von seinem Eigentümer vernachlässigt wird", meinte er. "Die Sicherheit herzustellen würde unsere Probleme bereits zur Hälfte lösen. Das muss die Regierung endlich begreifen."

Doch wie er kritisierte, hat der NISA in den letzten drei Monaten einen Teil seiner Mitarbeiter von den Kontrollposten an den Zufahrtsstraßen nach Mogadischu abzogen. Ihren Fahrzeugkontrollen war die Festnahme etlicher Al-Shabaab-Mitglieder zu verdanken. Einem hochrangigen NISA-Mitglied zufolge hat der Geheimdienst die Verantwortung an die regulären Streitkräfte abgetreten. Es gebe aber Pläne, die Entscheidung wieder rückgängig zu machen.

Nach Ansicht von Mohamed Elmi, einem Sozialaktivisten, muss sich die Regierung dringend Gedanken darüber machen, wie sie die Detonation von Autobomben verhindern will. Den Sicherheitskräften fehle es an modernen Waffen, Technologien und Training. Staatspräsident Hassan Sheikh Mohamud meinte dazu am 29. Juli, dass es für die Sicherheitskräfte nicht einfach sei, Autobomben in einer Stadt mit zwei Millionen Einwohnern zu finden und zu entschärfen.


Anti-Terror-Einheit

Der Sprecher des Staatspräsidenten, Abdirahman Omar Osman, und der Sprecher des Ministerpräsidenten, Ridwan Haji Abdiweli, weigerten sich, die Sicherheitslage gegenüber IPS zu kommentieren. Allerdings war von einem Regierungsvertreter zu hören, dass die Regierung am Tag des Anschlags auf die türkische Botschaft eine 1.000 Mann starke Anti-Terror-Einheit auf die Straßen Mogadischus entsandt hat. "Die uniformierte Elite-Truppe, die mit einheitlich lackierten Fahrzeugen und modernen Waffen ausgestattet ist, soll die Stadt von Al-Shabaab-Mitgliedern säubern", meinte der Regierungsvertreter, der sich Anonymität ausbat.

Siad zufolge wird eine solche Einheit jedoch kaum in der Lage sein, etwas gegen die Stadtguerilla-Strategie der Al-Shabaab auszurichten. Die Kämpfer agieren in Mogadischu von vielen geheimem Stützpunkten aus, erklärte er. Sinnvoller wäre es seiner Meinung nach, sich vor allem auf die Beschaffung von Geheimdienstinformationen über die geheimen Zellen und deren Anführer zu konzentrieren.

Dahir ist der Meinung, dass die schwierige Sicherheitslage die somalische Sechs-Säulen-Strategie gefährden könnte, die Sicherheit, Stabilität, Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliche Erholung, Frieden und funktionierende Dienstleistungen im Land am Horn von Afrika gewährleisten soll.

Das 'Heritage Institute for Policy Studies' (HIPS), die erste Denkfabrik des ostafrikanischen Landes, lobt zwar in einem im April veröffentlichten Papier die Auslandspolitik und diplomatischen Erfolge der Regierung. So habe Somalia in der internationalen Arena an Profil gewonnen, was auf die hochrangigen Besuche Mohamuds in Washington, London, Ankara, Brüssel, Kairo und anderen Ländern zurückzuführen sei. Doch gebe es gleichzeitig irritierende Anzeichen für ein Auseinanderklaffen zwischen außenpolitischen und innenpolitischen Erfolgen, heißt es in dem HIPS-Report. (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/08/extremist-violence-returns-to-hit-mogadishu/

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IPS-Tagesdienst vom 5. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2013