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AFRIKA/1273: Südsudan - Konfliktlösungsbemühungen nach Massakern, Region kommt Schlüsselrolle zu (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. April 2014

Südsudan: Konfliktlösungsbemühungen nach Massakern - Region kommt Schlüsselrolle zu

von Samuel Oakford


Bild: © Isaac Billy/UN

Eine Südsudanesin mit ihren Kindern im Flüchtlingslager Tomping
Bild: © Isaac Billy/UN

New York, 25. April (IPS) - Die jüngsten Massaker im Südsudan, die Erinnerungen an den Völkermord in Ruanda vor 20 Jahren hochkommen ließen, haben die internationale Gemeinschaft aufgeschreckt. Doch sind es weniger die Vereinten Nationen, die den Schlüssel für die Beilegung des Konflikts in Händen halten, sondern regionale Akteure.

Auf einem Treffen hinter verschlossenen Türen am 23. April haben sich die Vertreter des UN-Sicherheitsrats ein Video aus der südsudanesischen Stadt Bentiu angesehen, wo Rebellen Mitte des Monats hunderte Zivilisten in einer Moschee und im Krankenhaus der Stadt massakrierten. Nach der Einnahme der Stadt riefen Rebellenführer ihre Anhänger in Radiobeiträgen dazu auf, sich an den Dinka und Darfuri zu rächen, indem sie deren Frauen vergewaltigen.

Der UN-Sicherheitsrat brachte in einer Mitteilung seine Bestürzung und Empörung über die Massengewalt in Bentiu zum Ausdruck und verurteilte auch den Angriff auf ein UN-Flüchtlingslager in Bor am 18. April, bei dem mindestens 48 Menschen von einem bewaffneten Mob getötet wurden. In dem Auffanglager leben 5.000 Personen, die mehrheitlich den ethnischen Nuer angehören.

Wie aus dem Statement weiter hervorgeht, haben die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats das sofortige Ende aller Menschenrechtsverletzungen, Übergriffe und Verstöße gegen internationales humanitäres Recht gefordert und kündigten Strafmaßnahmen gegen die Verantwortlichen an. Die Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW) rief den Sicherheitsrat dazu auf, die Verantwortlichen auf beiden Seiten mit Sanktionen zu belegen.

US-Präsident Barack Obama hat bereits Maßnahmen ergriffen, die die Bewegungsfreiheit militärischer und politischer Entscheidungsträger erheblich einschränken soll. Auch ist geplant, die Konten der Verantwortlichen einzufrieren, doch konkrete Namen wurden bislang nicht genannt.


UN-Sanktionen gefordert

Philippe Bolopion, der UN-Beauftragte bei HRW, hält jedoch UN-Sanktionen im Fall des Südsudans für wirkungsvoller. "US-Sanktionen sind willkommen, doch haben viele der Personen, die in die Verbrechen involviert sind, Bankkonten in den Nachbarländern. Somit sind US-Sanktionen allein nicht ausreichend", erklärte er. Hingegen vermittelten UN-Sanktionen die Botschaft, dass die Verantwortlichen der Verbrechen zur Rechenschaft gezogen würden.

Die Gewalt im Südsudan war im Dezember ausgebrochen, als es zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Soldaten kam, die Präsident Salva Kiir treu ergeben sind, und Armeeangehörigen, die dem im Juli von Kiir geschassten Vizepräsidenten Riek Machar nahestehen.

Kiir gehört der Volksgruppe der Dinka an, Machar ist ein Nuer. Obwohl es bei dem Konflikt weitgehend um politische Macht und die Erdölgelder geht, hat er das Land längs der ethnischen Linien gespalten.

Im Dezember autorisierte der UN-Sicherheitsrat die Entsendung von 5.500 zusätzlichen Blauhelmen, die die UN-Mission im Südsudan (UNMISS) verstärken sollen. Doch bürokratische Hürden, Streitereien zwischen Mitgliedstaaten und eine überforderte Abteilung für Friedensoperationen (DPKO) der Vereinten Nationen haben zur Folge, dass bis April erst 700 UN-Soldaten im Südsudan angekommen sind.

Selbst wenn alle 12.500 genehmigten Blauhelme in kürzester Zeit vor Ort wären, ist unklar, ob sie außerhalb der von ihnen überwachten Flüchtlingslager für Frieden sorgen könnten. Seit dem Angriff in Bor mehren sich inzwischen sogar Zweifel an der Fähigkeit, die Menschen in den Auffanglagern zu schützen.

Der UN-Sicherheitsrat hat der Ermittlungskommmission der Afrikanischen Union (AU) seine Unterstützung zugesagt, doch kommt der Ausschuss, dessen Mitglieder sich noch in diesem Monat mit regionalen Staats- und Regierungschefs einschließlich dem sudanesischen Präsidenten Omar al-Bashir und dessen kenianischen Amtskollegen Uhuru Kenyatta treffen wollen, nur sehr langsam in Gang. Gegen beide ermittelt der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag.

Die Kommission wird nach eigenen Angaben auch mit dem ugandischen Staatsoberhaupt Yoweri Museveni zusammenkommen, dessen Truppen mit südsudanesischen Regierungssoldaten an der gemeinsamen Grenze zusammengestoßen sind. Dabei hatten Vertreter Ugandas, das dem regionalen Länderblock IGAD angehört, als Friedensvermittler an den Verhandlungen in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba teilgenommen.

Am 23. Januar kam es zu einem Waffenstillstandsabkommen, das aber nach wenigen Stunden gebrochen wurde. "Wir beobachten, dass keine Konfliktpartei bereit ist, ihre Feindseligkeiten einzustellen", meinte dazu der UN-Blaumhelmchef Hervé Ladsous nach der Sitzung des UN-Sicherheitsrats. "Das vor drei Monaten unterzeichnete Abkommen wurde nie umgesetzt. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass ihnen (den Konfliktparteien) ernsthaft daran gelegen ist, Friedensgespräche zu führen."


Durch Massaker wachgerüttelt

Innerhalb der Vereinten Nationen ist der Eindruck entstanden, dass die Hinrichtungen und Massaker in Bantiu die Delegierten wachgerüttelt haben, die bisher in dem bewaffneten Konflikt eher im Schneckentempo agierten. So hat der Sicherheitsrat unverzüglich das UN-Menschenrechtshochkommissariat aufgefordert, Vertreter nach Bentiu zu schicken, um das Blutbad zu untersuchen.

"Die Ausgangssituation ist die, dass Zivilisten aus einer Moschee geholt und ermordet wurden und Menschen im Radio zur Vergewaltigung von Frauen einer bestimmten Ethnie aufriefen", meinte Bolopion. "Wir haben einen Punkt in der Krise erreicht, an dem alles möglich ist."

Obwohl sich der UN-Sicherheitsrat bewegt, könnte die Lösung des Konflikts im Südsudan im regionalen Kontext zu suchen sein und dort von den politischen Entscheidungsträgern ausgehen, die sich bisher entweder neutral verhalten oder sich geweigert hatten, Druck auf Kiir oder Machar auszuüben.

Die IGAD hat Bereitschaft signalisiert, die ugandischen Soldaten durch regionale Kräfte zu ersetzen. Doch auch die Realisierung dieses Plans geht nur langsam vonstatten und vermag nicht die Bedenken der Parteilichkeit zerstreuen.

"Sanktionen können helfen, doch werden sie bei weitem nicht ausreichen, um das Problem zu lösen", meinte ein hochrangiger UN-Menschenrechtsbeauftragter, der sich Anonymität ausbat. "Ich glaube, dass sich die einflussreichen UN-Akteure im Klaren darüber sind, dass die regionalen Kräfte eine aktivere Rolle spielen müssen und das Richtige tun können. IGAD und die Nachbarländer sind extrem wichtig. Wenn sie den Konflikt nicht politisch lösen, wird es noch schlimmer kommen." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/04/violence-south-sudan-savage-turning-point/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2014