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AFRIKA/1298: Demokratie à la Namibia (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 4, Juli/August 2014

Demokratie à la Namibia

von Henning Melber



Seit der Unabhängigkeit rangiert Namibia in punkto guter Regierungsführung neben Mauritius, Botswana, Südafrika und den Kapverden unter den Bestplatzierten auf dem Kontinent. Art und Inhalt einer aktuell betriebenen Verfassungsänderung deuten darauf hin, dass es damit nicht sonderlich weit her ist.

Ende November werden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Lande stattfinden. Dann wiederholt sich das Vorhersehbare: Die Swapo wird weiterhin ziemlich sicher eine Zweidrittel-Mehrheit erhalten und ihr Kandidat mit ebensolcher Mehrheit zum nächsten Präsidenten gewählt. Es bedarf dazu nicht einmal erheblicher Manipulationen. Die Swapo erhält noch immer mangels ernsthafter Alternativen die meisten Wählerstimmen, zumal sie unter der Bevölkerungsmehrheit in und aus den nördlichen Landesteilen eine Basis hat, die ihr eine absolute Mehrheit so gut wie sicher beschert. Ausgestattet mit der mehrfachen Legitimation, sowohl was die ideologisch-populistische Komponente als Befreiungsbewegung an der Macht betrifft als auch die unangefochtene Zustimmung in der Bevölkerung, kann die Swapo fast uneingeschränkt regieren. Dabei respektiert sie bisher meist die formalen Spielregeln einer verfassungsrechtlich verankerten Demokratie. Doch die tendenzielle Gleichung, dass die Partei die Regierung und die Regierung der Staat ist, trägt immer wieder dazu bei, Spielregeln jenseits der formalen Ebene nicht ganz so ernst zu nehmen.

So nutzte die Partei ihre Zweidrittel-Mehrheit im Parlament, um Ende der 1990er Jahre dem Staatspräsidenten Sam Nujoma durch eine erste Verfassungsänderung eine dritte Amtszeit von 2000 bis 2005 zu gewähren. Das war formaljuristisch durchaus korrekt, wenn auch nicht gerade ein ermutigendes Zeichen. Denn die Mehrheit der Partei lässt zu, dass sie die Verfassung immer dann ändern kann, wenn es ihr passt. - Wohin dies führen kann, zeigte nicht zuletzt Simbabwe, wo das herrschende Recht in krasser Form zum Recht der Herrschenden degenerierte. Auch die namibische Legislative (sprich: Swapo) kann dieser Versuchung nicht ganz widerstehen. So wurde 2009/10 ein neues Gesetz verabschiedet, das dem Präsidenten die Ernennung der Regionalgouverneure überträgt. Diese wurden bis dahin durch die ihrerseits gewählten Vertreter in den Regionalräten gewählt.

Seitdem wird die Region Kunene (in der die Swapo keine absolute Mehrheit hat) von einem altgedienten Swapo-Kader geleitet. Ende November 2012 legte der vom Swapo-Kongress neu gewählte Generalsekretär der Partei, Nangolo Mbumba, sein Ministeramt nieder, um sich voll der Aufgabe widmen zu können. Seit 1. Dezember 2012 ist das Amt des Generalsekretärs eine Vollzeitstelle und darf nicht gleichzeitig mit einem Ministerposten bekleidet werden. Er war damit der erste Funktionär, der die Doppelung als vollzeitlicher Kader im Ministeramt beendete. Flugs wurde er vom Partei- und Staatspräsident Hifikepunye Pohamba zum außerordentlichen Mitglied im Kabinett befördert. Eine Amtsanmaßung, die durch die Verfassung nicht gedeckt wird.

Nun schickt sich die Swapo an, im Vorfeld der kommenden Wahlen in letzter Minute zahlreiche Verfassungsänderungen durchs Parlament zu boxen (siehe den Artikel in diesem Heft). Sie sehen weit reichende Änderungen vor, die im Vorfeld nur halbherzig und en passant den Oppositionsparteien zur Kenntnis gegeben und nach flüchtigen Beratungen teilweise modifiziert wurden. Eine Information der Öffentlichkeit blieb aus. Einer Debatte im öffentlichen Raum entzieht sich die Partei, die zunehmend selbstgerechter regiert. Die Proteste seitens der zivilgesellschaftlichen Organisationen, die einen sorgfältigen Beratungsprozess fordern, scheinen ohne Wirkung zu bleiben. Was im nationalen Interesse ist, bleibt immer mehr ihrer alleinigen Definitionsmacht überlassen. Damit wird ganz praktisch Schritt für Schritt die ohnehin fragile Demokratie abgebaut. Bleibt abzuwarten, mit welchen Noten in punkto guter Regierungsführung solche Praktiken von den internationalen Gralshütern weiterhin belohnt werden. Der demokratische Heiligenschein jedenfalls wird immer mehr zum Scheinheiligenschein.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
43. Jahrgang, Nr. 4, Juli/August 2014, S. 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2014