Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/1311: Malawi - Problemland in Sachen Korruption (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5, September/Oktober 2014

Problemland in Sachen Korruption

Zusammengestellt von Rita Schäfer



Korruptionsskandale belasten die Regierungen in Malawi seit Jahren. Anti-Korruptionsmaßnahmen sollen Abhilfe schaffen, ihre Wirkung ist umstritten.


Seit dem 31. Mai 2014 ist Präsident Peter Mutharika in Malawi im Amt. Anfang September 2014 kündigte er einen Vertrag über 145 Millionen US-Dollar mit der privaten Waffenfirma Paramount Group in Südafrika. Diesen hatte seine Vorgängerin, Joyce Banda, geschlossen. Paramount hatte Geschäftsbeziehungen mit der früheren Präsidentin gepflegt und ihre Kampagnen unterstützt, lauten die Vorwürfe der Kritiker. Der vorgesehene Kauf von Militärausrüstung sei illegal und überteuert gewesen, hieß es nun.

Mitte September 2014 wurde Treza Namathanga Senzani, die unter Joyce Banda im Tourismusministerium gearbeitet hatte, wegen Korruption für schuldig gesprochen. Zwar waren über sechzig Staatsdiener und einige Politiker wegen systematischen Gelddiebstahls aus öffentlichen Kassen und wegen Geldwäsche verhaftet worden, aber mit Strafprozessen und Gefängnishaft musste bislang kaum jemand rechnen. Der Korruptionsskandal, der ab Oktober 2013 zum Politikum wurde, hatte eine lange Vorgeschichte, wie Wiseman Chijere Chirwa darlegt. Demnach bezog sich der Skandal auf Geldtransfers aus dem staatlichen Finanzmanagementsystem auf private Konten seit 2005. Die Einführung des computerbasierten Systems hatten damals internationale Geldgeber verlangt, um der Korruption in Malawi vorzubeugen - bewirkt hat es das Gegenteil. Die frühere Präsidentin Banda entließ zwar etliche Minister, an den Ausmaßen der Misere änderte das aber nur wenig.

Entwicklungsorganisationen und internationale Geber waren empört, im November 2013 hielten sie 110 Millionen Euro und damit vierzig Prozent der Budgetförderung für den malawischen Staatshaushalt zurück. Bereits unter dem früheren Präsidenten Bingu wa Mutharika, dem älteren Bruder des heutigen Präsidenten, hatten die Geber im Finanzjahr 2011-2012 Fördergelder wegen schlechter Regierungsführung gestoppt.

Gut strukturierte Detailinformationen über Korruption und Anti-Korruptionsmaßnahmen in Malawi bietet die faktenreiche und differenzierte U4 Expert Answer von Farzana Nawaz:


Anti-Korruptionsmaßnahmen

Seit 2008 ist eine umfassende nationale Anti-Korruptionsstrategie in Malawi in Kraft, auf deren Basis ein nationales und sektorübergreifendes Integritätssystem entwickelt werden soll. Sie baut auf eine Regierungserklärung "Null-Toleranz zur Korruption" von 2007 auf. Im gleichen Jahr ratifizierte Malawi die Konventionen der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen gegen Korruption. Bereits 1995 hatte das malawische Parlament ein Anti-Korruptionsgesetz verabschiedet, das zur Einrichtung eines Anti-Korruptionsbüros (ACB) führte. 1995 wurde auch das Büro eines Ombudsmanns eingerichtet. Das National Audit Office (NAO) soll ebenfalls für Transparenz im öffentlichen Sektor und für gute Regierungsführung sorgen. 2006 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Strafverfolgung von Geldwäsche.

Das Büro des Ombudsmanns, das Anti-Korruptionsbüro und die 2006 etablierte Menschenrechtskommission sind mit einigen anderen Kommissionen im Body of Case Handling Institutions (BCHI) zusammengeschlossen. Diese Koordinationsinstanz ist an das Justizministerium angeschlossen und hat ein eigenes Sekretariat, das von internationalen Gebern finanziert wird. Damit bleibt es von deren Förderung abhängig, es hat kein eigenes legales Mandat und kein eigenes Budget im nationalen Haushalt.

Finanzielle Limits beeinträchtigen auch die Arbeit des Ombudsmanns, der Kritikern zufolge kaum in ländlichen Gebieten tätig sei. Zudem geschehe die Personalauswahl zum Teil unter Bezug auf Patronagenetze und nicht auf der Basis von Qualifikationen, was die Effektivität der Arbeit behindere. Internationale Studien stellten schon 2010 fest, das Antikorruptionsbüro würde zwar vergleichsweise erfolgreich bei lokalen Korruptionsfällen in Aktion treten, jedoch Ermittlungen gegen hochrangige Regierungsvertreter vermeiden. Auch von der Instrumentalisierung des Büros für politische Zwecke war die Rede.

Das National Audit Office wird kritisiert, weil es zu wenig gegen korrupte Amtsträger unternommen habe. Entgegen der Gesetzesgrundlagen, Vorschriften und Institutionen zur Korruptionsbekämpfung erodierte also die Rechenschaftspflicht von Verantwortlichen in Ämtern und Institutionen in den letzten Jahren weiter. Gleichzeitig bemängeln kritische Beobachter seit längerem, dass Korruptionsvorwürfe gegen Oppositionspolitiker manchmal als politische Waffe eingesetzt werden. Zudem existiere keine Vorschrift zur Offenlegung der Parteien- oder Wahlkampffinanzierung von Politikern. Wenn die Anti-Korruptionseinrichtungen Empfehlungen formulieren, richten sich diese nur selten an die Legislative oder Exekutive. Die Mandate und Macht der Anti-Korruptionseinrichtungen sind auf dem Papier stärker als in Wirklichkeit, so eine Einschätzung von Beobachtern und Forschern.

Auf dem Index zur Korruptionswahrnehmung von Transparency International rangierte Malawi 2013 auf Platz 37 von 100, im Jahr 2011 lag es auf Platz 100 von 148; im innerafrikanischen Vergleich belegte es Platz 10 von 48. Bei einer Meinungsumfrage im gleichen Jahr sagten 57 Prozent der Befragten, die Korruption sei im Lauf von drei Jahren gestiegen. Der Open Budget Index 2012 bemängelte, dass über die Hälfte aller zentralen Budget-Informationen nicht öffentlich zugänglich waren.

Auch andere Indizes und Indikatoren, beispielsweise von der Weltbank, der Heritage Foundation oder des Ibrahim Index of African Governance, stuften Malawi unter Bezug auf die Korruption als Problemland ein. Gleichzeitig erkannte der Global Integrity Report 2011 die Gesetzesgrundlagen und Vorschriften zur Korruptionsbekämpfung an, bemängelte aber deren unzureichende Umsetzung. Eine Einschätzung, die er 2013 bestätigte. Als Gründe benannten die Weltbank und Menschenrechtsorganisationen die Patronage, unzureichende Ausstattung von Institutionen, Ineffizienz der öffentlichen Verwaltung, sozio-ökonomische Ungleichheit und Armut.

Inzwischen sind manche Politiker Mitglieder im Netzwerk afrikanischer Parlamentarier gegen Korruption, zudem prangerten Geschäftsleute und das Malawi Economic Justice Network die Korruption an. Das zivilgesellschaftliche Aktionsnetz CSAAC forderte die Regierung auf, alle Daten zur Korruption seit 2005 offen zu legen und die Parteienfinanzierung gesetzlich neu zu regeln.


Korruption in der Landwirtschaft

Malawis Präsidenten haben seit 2005 subventionierte Düngemittel und gen-manipuliertes und importiertes Hybrid-Maissaatgut verteilt. Der UN-Spezialberichterstatter für das Recht auf Nahrung, Olivier de Schutter, lokale Bauernvereinigungen sowie einige kritische Agrarwissenschaftler zeigten die Nachteile der Stickstoffdünger für die lokalen Böden auf, konkret bemängelten sie die mittel- und langfristige Übersäuerung und die Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit (siehe afrika süd Nr. 1, 2010). Andere Agrarexperten hingegen rühmten die Vorteile der kurzfristigen Ertragssteigerungen als grüne Revolution. Allerdings verglichen sie nur die Ernten in ausgewählten Jahren. Bezugspunkt war insbesondere das Dürrejahr 2002. Ab dem Anbaujahr 2005/06 exportierte Malawi sogar Mais in die Nachbarländer, unter anderem an das Mugabe-Regime in Simbabwe vor den dortigen umstrittenen Wahlen 2008. Auch in Malawi zahlten sich die subventionierten Düngemittel politisch aus, sie schlugen in hohen Wahlerfolgen für den früheren Präsidenten Bingu wa Mutharika zu Buche.

Temporär finanzierten internationale Geber die Subventionsprogramme direkt, danach bestritt die Regierung sie selbst aus dem Staatshaushalt. Bereits in den 1990er Jahren hatte der Internationale Währungsfond Agrarsubventionen im Rahmen der Strukturanpassungsprogramme gekürzt, die Agrarberatung kam zum Erliegen. Hier brachte die neue staatliche Subventionswelle der letzten Jahre keine Trendwende. Dabei wäre die Verbreitung von Wissen über Gründüngung und Agroforstwirtschaft angesichts der Bevölkerungsentwicklung und der Auswirkungen des Klimawandels notwendig gewesen.

2008/2009 flossen 16 Prozent des Budgets in das Saatgut- und Dünger-Subventionsprogramm. Korruption war weit verbreitet, deshalb erhielten keineswegs alle Bedürftigen Unterstützung. Coupons, die malawische Kleinbauern zum Düngerzugang berechtigten, wurden in Südafrika gefälscht und dann verteilt. Chiefs, Verwaltungsbeamte und Händler eigneten sich mancherorts den wertvollen Dünger an. Kriminelle Banden verkauften ihn in die Nachbarländer, wie Richard Tambulasi schon vor Jahren dokumentierte. Gewinnbringend war vor allem der Schmuggel nach Sambia.

Der malawischen Landbevölkerung geht es keineswegs besser. Kritiker monieren, dass korrupte Beamte Maisvorräte verkauft hätten. Gleichzeitig ist Land Grabbing in Malawi verbreitet, wodurch die Anbauflächen zur Selbstversorgung schrumpfen - und das im UN-Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe. Das Welternährungsprogramm musste schon Anfang 2014 etwa 1,8 Millionen Menschen versorgen.


Quellen:

Farzana Nawaz: Overview of corruption and anticorruption in Malawi, U4 Expert Answer, Reviewed by: Robin Hodess Ph.D, Transparency International, No: 329, Bergen, Norway 2012.
http://www.u4.no/publications/overview-of-corruption-and-anti-corruption-in-malawi/

Wiseman Chijere Chirwa: Malawi: Democracy and Political Participation, Review and Discussion Paper, AfriMAP/OSISA, Johannesburg 2014.

Richard Tambulasi: The public sector corruption and organised crime nexus: The case of the fertiliser subsidy programme in Malawi, in: African Security Review, 155, Pretoria 2009.

WeitereQuellen: Transparency International, U4 Anti Corruption Resource Centre, Irin news.

*

Weitere Artikel in afrika süd Nr. 5, September/Oktober 2014

DIE PISTORIUS-SAGA
Kommentar von Henning Melber zum Urteil gegen Oscar Pistorius.

AKTUELL


MOSAMBIK

NOCH EINMAL DAVON GEKOMMEN
Trotz deutlicher Einbußen hat die Frelimo die Wahlen in Mosambik gewonnen, doch die Opposition ist gestärkt. Von Lothar Berger


LESOTHO

KRISE VORERST BEIGELEGT
Die Hintergründe der politischen Krise in Lesotho erklärt Brigitte Reinhardt.


NAMIBIA

DIE QUAL MIT DER WAHL
Henning Melber über die Wahlvorbereitungen in Namibia.


SÜDAFRIKA

WAFFEN, DIE DAS LAND NICHT BRAUCHT
Ein Waffengeschäft der südafrikanischen Regierung. Michael Graaf zeigt auf, wie deutsche Firmen profitierten und warum die Seriti-Kommission kritisiert wird.

CHRONOLOGIE EINES WAFFENGESCHÄFTS
Rudi Friedrich dokumentiert den Verlauf des Waffengeschäfts und anschließender Untersuchungen wegen Korruption.

ZWISCHEN NATIONALER TRANSFORMATION UND GLOBALEN HERAUSFORDERUNGEN
Den Wandel der Universität Stellenbosch in Südafrika untersucht Stefanie Baumert.

VERÄNDERUNGEN AN DER UNI STELLENBOSCH?
Über den Rassismus und das Erbe der Apartheid an der Universität Stellenbosch schreibt Greer Valley.


SÜDAFRIKA/MOSAMBIK

RUTH FIRST - ANALYSE UND POLITISCHE PRAXIS
Gavin Williams erinnert an die grenzüberschreitende wissenschaftliche und politische Arbeit der südafrikanischen Forscherin und Apartheidgegnerin Ruth First.

EIN LANGER WEG NACH MOSAMBIK
Anna Maria Gentili würdigt die Leistungen von Ruth First, die das Zentrum für Afrikstudien in Maputo leitete, in Forschung und Lehre.


SAMBIA

POLITISCHES VERSTECKSPIEL
Auch unter Michael Sata hat es die sambische Regierung verstanden, eine Verfassung, die vom Volk ausgeht, zu unterbinden, schreibt Peter Meyns.


MALAWI

PROBLEMLAND IN SACHEN KORRUPTION
Über belastende Korruptionsfälle und umstrittene Bekämpfungsmaßnahmen schreiben Wiseman Chijere Chirwa, Farzana Nawaz und Richard Tambulasi.


SIMBABWE

NATIONALE UND LOKALE POLITIK ZUR ANPASSUNG AN DEN KLIMAWANDEL
Die politischen Rahmenbedingungen und Anpassungsstrategien an den Klimawandel ergründen David Dodman und Diana Mitlin.


TANSANIA

"WIR SIND NICHT MACHTLOS"
Tansania ist auf dem Weg, einer der größten Uranexporteure zu werden. Andreas Bohne sprach mit dem Direktor der Umweltorganisation CESOPE, Anthony Lyamunda, über den Uranabbau und den zivilgesellschaftlichen Widerstand.


SERVICE

REZENSIONEN

*

Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
43. Jahrgang, Nr. 5, September/Oktober 2014, S. 31 - 32
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
E-Mail: issa@comlink.org
Internet: www.issa-bonn.org
 
"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Januar 2015


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang