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AFRIKA/1434: Angola - Das Plündern geht weiter (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 4, Juli-August 2018

Angola
Das Plündern geht weiter

von Emanuel Matondo


Günstlingswirtschaft und Verschwendung von Staatsvermögen auf Kosten der Allgemeinheit sind auch unter Angolas neuem Präsidenten João Lourenço zu beklagen.

"Präsident João Lourenço hat die Angolaner mit einer hochkarätigen Antikorruptionskampagne, die auf die Großfamilie des ehemaligen Präsidenten José Eduardo dos Santos abzielte, in Aufregung versetzt, doch jetzt scheint die blitzsaubere Fassade Risse zu bekommen, denn auf den Straßen von Luanda breitet sich Ungeduld aus", schrieb Africa Confidential in seiner Ausgabe vom 29. Juni 2018 (Vol 59, N°13). Die gefeierte Kampagne entpuppt sich mehr und mehr als eine Show und nicht als eine ernsthafte Politik, um die institutionalisierte Korruption in Angola auszutrocknen. Die Wirtschaftskriminalität ist Teil des politischen Systems, das von der Regierungspartei MPLA geschaffen wurde, um an der Macht zu bleiben, ohne das Ressourceneinkommen des Landes zu teilen.

Lourenço stand in den letzten drei Jahrzehnten der korrupten Politik seines Vorgängers dos Santos nahe und verkörpert somit dieses System. Er taugt kaum als "game changer", der den Karren aus der Hüllenglut in ein anderes Angola lenken könnte.

Lourenços Luxustripp nach Europa

Man sollte nicht vergessen, dass sowohl dos Santos als auch Lourenço tief im Lava-Jato-Korruptionsskandal des brasilianischen Baumultis Odebrecht, der in den USA und in verschiedenen anderen Ländern weltweit untersucht wird, verstrickt waren. Bereits ein gutes halbes Jahr nach seiner Machtübernahme im September 2017 erinnert Lourenços Plünderung von Staatsvermögen an die Ära seines Vorgängers, die Angola in den Bankrott getrieben hat.

Die Angolaner sollten gewarnt sein: Unter Berufung auf seine Quellen in Luanda beschreibt Africa Confidential Vorteilnahme, Übermaß und Luxus auf Kosten der Staatskasse unter Lourenço: "Für seine kürzliche Tournee durch Belgien, Frankreich und Spanien hat der Mann, der sich selbst zum 'Präsidenten des Volkes' stilisiert, eines der am verschwenderischsten ausgestatteten Privatflugzeuge gechartert, das zu haben ist - ein Boeing 787 Dreamliner, der für 40 Luxus-Passagiere ausgelegt ist und etwa 74.000 US-Dollar pro Stunde kostet. Seine Entourage, zu der sich oft Personal aus Angolas Auslandsmissionen gesellt, zählte schon Mal über 100 Personen."

Laut Africa Confidential beförderte der Boeing Dreamliner den Präsidenten am 27. Mai von Luanda nach Paris zu einem Treffen mit dem französischen Amtskollegen Emmanuel Macron, bevor er nach Toulouse und schließlich nach Oviedo in Spanien weiterflog, um sich dort in einer Luxus-Augenklinik behandeln zu lassen. "Die Autokolonne von speziell angemieteten schwarzen Limousinen und SUVs sorgte in der asturischen Hauptstadt für besonderes Aufsehen, als sie nach Angaben von lokalen Medien zu einem Optikergeschäft fuhr, bevor sie zum Flughafen zurückkehrte. Lourenço flog dann zurück nach Brüssel zu Gesprächen mit der Europäischen Union und zu einer Audienz bei König Philippe von Belgien. Am 6. Juni kehrte die Reisetruppe nach Luanda zurück."

Wer es noch nicht verstanden haben sollte: Lourenço hatte das Flugzeug fast 11 Tage gechartert, gleich 264 Stunden. Bei einem Mietpreis von 74.000 US-Dollar pro Stunde macht das eine gigantische Summe von etwa 19,5 Mio. US-Dollar! Von den Kosten für die große Delegation und die teuren Mietautos für seine Kolonne ganz zu schweigen. Alles in allem dürfte der Europatripp des Präsidenten Schätzungen zufolge 30 bis 40 Mio. US-Dollar für eine 11-Tage-Reise verschlungen haben.

Was hätte mit solch einer Summe in diesem verfallenen Angola alles bezahlt werden können? Eine Menge, zum Beispiel Medikamente für Krankenhäuser und die Bereitstellung angemessener Kinderbetreuung in Kliniken, um hungernde Menschen zu ernähren, um Leben zu retten. Nach vier Jahrzehnten Korruption, Veruntreuung von Staatsvermögen und Vetternwirtschaft hatten die Menschen bei den Wahlen vom 23. August 2017 für einen Wandel gestimmt. Aber die Opposition hat sich die Wahlen stehlen lassen. Sie war zu schwach, für ihre Stimmenmehrheit zu kämpfen. Statt das Parlament zu kontrollieren, entschied sie sich, den Betrügern eine Mehrheit zu geben. Als könnte man eine Mafia-Organisation wie die MPLA von Innen ändern. Der 23. August 2017 war die Bestätigung der schwachen Führung unserer Opposition, eine verpasste Chance unserer Geschichte.

Business as usual

Zwar reagierte die Regierung auf die Kritik und behauptete, Lourenço wolle eine ungenutzte Boeing 777 der staatseigenen Luftfahrtlinie TAAG zur Vermeidung hoher Kosten zu einer Präsidentenmaschine umbauen lassen, doch die Regierung soll längst Zugang zu andern, vielleicht nicht ganz zu luxuriösen Maschinen haben.

Und Africa Confidential berichtet von einem ähnlich gelagerten Skandal, in dem die Gründung einer neuen einheimischen Fluggesellschaft in der Kritik steht. Um vom kanadischen Unternehmen Bombadier für diese "Air Connection Express" genannte Gesellschaft sechs neue Flugzeuge zu kaufen, flog Verkehrsminister Auguste Silva Tomás im Mai eigens nach Kanada. "Air Connection Express ist ein öffentlich-privates Konsortium zwischen der TAAG und einer Reihe von bankrotten oder mit dem Überleben kämpfenden lokalen Fluggesellschaften, die politisch nahe stehenden Personen gehören, darunter Lourenços Bruder Sequeira. Die Flugzeuge sollen als 'Zubringer' dienen und Passagiere aus regionalen Zielorten zum TAAG-Drehkreuz nach Luanda bringen", so das Blatt weiter. "Die Kritik an dem Deal fegte durch die angolanischen sozialen Medien und Lourenço beerdigte das Projekt während eines Interviews mit Euronews in Brüssel und nannte es 'fiktiv'. Am 18. Juni entließ er da Silva Tomás. Aber Bombardier sagt, das Geschäft im Wert von 198 Mio. US-Dollar bestehe noch."

Also die üblichen Lügen und Propaganda, wie unter dos Santos bekannt. Nur dass sich Lourenço dabei gegenüber den Medien besser verkauft als sein Vorgänger.

Amnestie für Plünderer

Die Angolaner wissen nur zu gut, dass in der als Odebrecht-Korruptionsskandal bekannten Lava-Jato-Affäre etliche Namen aus dem Eliteklub von dos Santos auftauchten. Gerichtsdokumente aus Brasilien erwähnen João Lourenço, Manuel Vicente, den früheren Generaldirektor der staatlichen Ölgesellschaft Sonangol, dos Santos und seine Tochter Isabel als Persönlichkeiten, die von Odebrecht für verschiedene Zwecke wie etwa Wahlkampagnen illegal finanziert wurden und im Gegenzug lukrative Aufträge für Infrastrukturprojekte an den brasilianischen Riesen vergaben.

Seit ihre Namen im Odebrecht-Skandal verewigt sind, sind João Lourenço und Manuel Vicente im Grunde Waffenbrüder. Da ist es nur logisch, dass sich Lourenço in Zeiten der Not auch für seine Parteigenossen einsetzt.

Vicente hatte sich einst im portugiesischen Badeort Estoril in einem Luxus-Wohnkomplex eine 3,8 Mio. Euro teure Ferienwohnung gegönnt. Als ihm wegen möglicher Geldwäsche und versuchter Bestechung des Oberstaatsanwalts in Portugal der Prozess gemacht wurde, drängte Lourenço Lissabon, den Korruptionsfall gegen den früheren Vizepräsidenten nach Angola zu verlegen. Angolas Staatsanwälte weigerten sich, mit den portugiesischen Kollegen bei den Ermittlungen zusammenzuarbeiten, und riskierten einen diplomatischen Bruch zwischen Portugal und seiner früherem Kolonie. "Luanda sah Lissabons Strafprozess als Verstoß gegen Angolas Souveränität", meint Africa Confidential. "Angola gewährt Inhabern hoher Ämter Immunität vor Strafverfolgung, danach kann Vicente nicht vor 2022 strafrechtlich belangt werden." Hoch lebe die Straffreiheit!

Die alte Garde tanzt mit der neuen

Vicente war unter Ex-Präsident dos Santos in Ungnade gefallen. Africa Confidential sieht darin den vermutlichen Grund, "warum der ehemalige Vorsitzende der staatlichen Ölgesellschaft Sonangol eine Renaissance erlebt. Er ist häufig in den Sonangol-Büroräumen in Luanda zu sehen, wo er den neuen Vorstand in Strategie berät. Vicente hat auch Lourenço geholfen, seine persönlichen Finanzen zu verwalten, sagt eine Quelle in Luanda."

Auch das kürzlich vom Parlament verabschiedete Kapitalrückführungsgesetz hat Lourenços Ruf als Kämpfer gegen Korruption untergraben. Es wurde ursprünglich als Ultimatum für illegal im Ausland gehaltene Gelder vorgelegt, und die meisten nahmen an, es könne Geldstrafen oder Steuern einbringen. "In der Praxis ist es aber eine Amnestie, die alle vergangenen finanziellen Exzesse abdeckt. Außerdem gibt es kaum Beweise, dass es effektiv sein wird: Ein angolanischer Top-Anwalt sagt, es sei kaum wahrscheinlich, dass mehr als nur ein paar wenige ihr Geld zurückbringen", schließt Africa Confidential.

Im Klartext heißt das: Über 500 Mrd. US-Dollar gestohlener angolanischer Staatsgelder werden nie wieder zurückkommen.

Neue Drohungen gegen Folha8

Das unabhängige private Wochenblatt Folha8 hat nicht aufgehört, auch unter dem neuen Präsidenten Lourenço die Aufrechterhaltung des korrupten Systems aufzudecken und zu kritisieren. Und schon gibt es wieder Morddrohungen gegen den Verleger und Journalisten William Tonet und sein Redaktionsteam.

In seiner Ausgabe vom 30. Juni 2018 widmete Folha 8 sein Editorial den telefonisch eingehenden "Ameaças Veladas", den "verdeckten Drohungen" gegen das Blatt. "F8 ist gegen niemanden, im Gegenteil", titelte William Tonet sein Editorial. "Es klingelte, einmal mehr. Die physische und mentale Adresse ist dieselbe. Immer. F8... Der Empfänger, in aufrechter Verteidigung der Prinzipien und immer bereit, den Stimmlosen eine Stimme zu geben, gibt die Ideale der Pressefreiheit und Demokratie nicht auf, egal, wie abscheulich und feige die Angriffe sein mögen. Die neuen, alten Statthalter des Präsidenten greifen auf ihrem Verfolgungsweg einmal mehr auf arrogante Weise auf das altbewährte Mittel, die numerische Undurchsichtigkeit des Einschüchterungsvehikels, zurück: das Handy. Und in hochmütiger Arroganz und Launenhaftigkeit reklamieren sie ihr Handeln als 'gerechte Sache', wo doch der F8-Direktor immer wieder schamlos den Kameraden João Manuel Gonçalves Lourenço ins Visier nimmt, der erst neun Monate an der Macht ist und nicht für die dunklen 38 Jahre Eduardo dos Santos verantwortlich gemacht werden könne."

Solange das Plündern der Staatskasse weitergeht, werden auch die Kriminellen ihre schmutzigen und blutigen Geschäfte in Angola nicht aufgeben.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
46. Jahrgang, Nr. 4, Juli-August 2018, S. 34-35
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2018

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