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AFRIKA/737: Jacob Zuma - der Mann, der Präsident Südafrikas wurde (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 3, Mai/Juni 2009

Jacob Zuma - der Mann, der Präsident wurde

Von Ringo Raupach


Jacob Zuma ist der neue Präsident Südafrikas. Allen Spekulationen, der Übergangspräsident Kgalema Motlanthe würde auch den Aprilwahlen im Amt bleiben, machte die Einstellung des Korruptionsprozesses gegen Zuma ein jähes Ende. Dieser hat sein Ziel erreicht und kann nun mit einer satten, wenn auch nicht Zweidrittelmehrheit des ANC das Land regieren.


Am 6. April 2009 erklärte die Nationale Strafverfolgungsbehörde NPA, sie habe alle Korruptionsvorwürfe gegen Jacob Zuma fallen lassen. Ihre Begründung: Es gebe Beweise dafür, dass die Ermittlungen gegen Zuma massiv politisch beeinflusst wurden. Es war Jacob Zumas großer Tag. Zwei Wochen vor den Parlamentswahlen in Südafrika war er frei von allen Anschuldigungen, die in den letzten Jahren wie ein Schatten über ihm gehangen hatten. Nicht dass ihn ein drohender Prozess auf dem Weg zur Präsidentschaft aufgehalten hätte. Aber er hätte ihm einiges an Legitimation kosten können.

Jacob Zumas Aufstieg zum Präsidentenamt war in den letzten Jahren streckenweise deutlich ins Stocken geraten. 1999, als Thabo Mbeki zum Präsidenten Südafrikas gewählt wurde, folgte Zuma ihm als Vizepräsident. Von da an blieben die Karrieren der beiden Altersgenossen eng verbunden - bis zu dem Tag, als Zumas Finanzberater Schabir Shaik wegen Korruption verurteilt wurde und der Richter ihm bescheinigte, eine generell korrupte Beziehung zu Jacob Zuma zu unterhalten - Shaik hatte Zumas aufwendigen Lebensstil finanziert.

Kurz nach dem Urteil entließ Mbeki seinen Vizepräsidenten. Als schließlich im Dezember 2005 gegen Zuma, auf den sein eigener Korruptionsprozess wartete, noch ein Verfahren wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung einer mit HIV infizierten Frau eröffnet wurde, schien seine Karriere am Tiefpunkt. Doch während Thabo Mbeki, der vor einem Jahr immerhin noch Präsident des Landes war, im heutigen Südafrika und in seiner eigenen Partei so fern von Macht und Einfluss erscheint, dass ihm allenfalls noch eine Rolle als Vermittler in afrikanischen Konflikten geblieben ist, ist Jacob Zuma nach den Parlamentswahlen im April am Ziel seines Strebens angekommen.

Dabei konnte er selbst in seinen dunkelsten Stunden zahlreiche - und vor allem lautstarke - Unterstützer an sich binden. Während des Vergewaltigungsprozesses sangen sie Lieder vor dem Gericht und verhöhnten das vermeintliche Opfer. Mit seiner Verteidigungsstrategie ("Ich habe nach dem Geschlechtsverkehr geduscht, um das HIV-Risiko zu vermeiden."; "Ich kann einer Frau ansehen, ob sie Sex mit mir haben will.") tat Zuma seinem Ansehen im Ausland keinen Gefallen - letztendlich aber gewann er den Prozess. Damit hing eine dunkle Wolke weniger über ihm, doch die eigentliche Bedrohung ging von den Korruptionsanschuldigungen im Zusammenhang mit dem Waffendeal einer französischen Firma aus.

Zumas Verteidigungsstrategie gegenüber den Korruptionsanschuldigungen bestand darin, unter allen Umständen einen Prozess zu vermeiden. Vier Jahre lang gelang es ihm. Er nutzte die Zeit und ließ sich im Dezember 2007 auf dem ANC-Kongress in Polokwane zum Partei-Vorsitzenden wählen. Damit hatte bereits mehr als ein Jahr vor den Parlamentswahlen die eigentliche Wahl zum Präsidenten Südafrikas stattgefunden, denn das Erreichen der absoluten Stimmenmehrheit in den Parlamentswahlen ist für den ANC nach wie vor Formsache, und der Parteivorsitzende ist der logische Kandidat für das Präsidentenamt.

Thabo Mbeki trat im September 2008, nachdem ihn seine eigene Partei dazu aufgefordert hatte, frustriert vom Amt des Präsidenten zurück. Der Übergangspräsident Kgalema Motlanthe konnte in etwas mehr als einem halben Jahr keine eigene Statur gewinnen. Zuma musste schließlich nicht mehr abwarten, zum Präsidenten des Landes gewählt zu werden, um zu erreichen, dass sein Prozess abgeblasen wurde. Wie kam es dazu?


Anklage gegen Zuma fallen gelassen

In der Geschichte um Jacob Zumas nicht stattfindenden Prozess sind Politik, Justiz und Strafverfolgungsbehörden eng verwoben. Als im Jahre 2003 die NPA erklärte, es gebe einen Anscheinsbeweis dafür, dass Zuma zusammen mit seinem Finanzberater Schabir Shaik in korrupte Waffengeschäfte verwickelt gewesen sei, aber gleichzeitig erklärte, dass diese Beweise vor Gericht nicht ausreichen würden, erregte dies den Verdacht, dass die Politik ins Rechtssystem eingegriffen habe - damals zu Zumas Vorteil. Als Shaik schließlich verurteilt wurde, kam der Prozess immer noch nicht zustande. Die NPA bat darum, mehr Zeit für das Sammeln von Beweisen gegen Zuma zu erhalten und die Verhandlung zu verschieben. Schließlich lehnten die Gerichte das Ersuchen der NPA ab - und der Prozess wurde abgesagt.

Hier endete die Geschichte jedoch nicht. Als dann im Dezember 2007, wenige Tage nachdem Zuma Thabo Mbeki als ANC-Präsident gefolgt war, erneut Anklage gegen ihn erhoben wurde, war der zeitliche Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen auffällig. Zuma musste vor Gericht erscheinen, doch erneut gelang es ihm davonzukommen: Die NPA habe es versäumt, Zuma im Vorfeld der neuen Anklage die Gelegenheit zu einer Stellungnahme zu geben. Daher wiesen die Gerichte im September 2008 auch diese Klage zurück. Dass gleichzeitig der urteilende Richter Chris Nicholson erklärte, die Klage sei auf politischen Druck seitens Mbekis zustande gekommen, führte zu Mbekis Rücktritt. Da spielte es auch keine Rolle mehr, dass drei Monate später das Oberste Berufungsgericht dieses Urteil wieder kassierte und die Anklage aufrechterhalten blieb.

Denn Zumas Anwälte holten längst zum entscheidenden Schlag aus. Bevor Zuma ein wirklich freier Mann werden könnte, musste die NPA die Anklage fallen lassen. Den Anstoß dazu gaben schließlich die offenbar vom Geheimdienst angefertigten Tonbandmitschnitte von Telefonaten hauptsächlich zwischen Bulelani Ngcuka, dem ehemaligen Chef der NPA, und Leonard McCarthy, ehemals Leiter der Scorpions-Ermittlungsabteilung innerhalb der NPA, die eine Einflussnahme Mbekis in den Prozess nahe legten. Die Mitschnitte stammen aus der Zeit um den ANC-Prozess in Polokwane herum, auf dem Zuma zum ANC-Präsidenten gewählt wurde, und wurden von Zumas Anwälten der NPA übergeben. Ungeklärt blieb dabei, woher diese die Mitschnitte erhalten hatten. Schließlich erklärte Mokotedi Mpshe, gegenwärtig Leiter der NPA, dass seine Behörde die Anklage wegen Betrugs, Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Korruption und illegalen Geschäften fallen lassen würde.

Das juristische Drama, das das Land acht Jahre lang bewegt hatte, endet damit ohne greifbares Ergebnis in Form eines Urteils. Nach langem und hartnäckigem Kampf hat Jacob Zuma damit sein Ziel erreicht - der Schaden, den er für diesen Sieg und die Erlangung des Präsidentenamts in Kauf nahm, ist jedoch beträchtlich. Mbeki stürzte über die versuchte Einflussnahme auf das südafrikanische Rechtssystem. Zuma jedoch erweckt nicht den Eindruck, dieses mehr zu achten. So zogen sich bereits unter anderem die nationalen Verfassungsrichter Zumas Zorn zu. In einem Interview erklärte er, Richter sollten, anders als in der Verfassung vorgegeben, durch die Regierung kontrolliert werden können und ihr unabhängiger Status sollte überprüft werden: "Ich denke nicht, dass es in einer Demokratie Leute geben sollte, die fast wie Gott sind. Warum sind sie keine menschlichen Wesen?"


Fragwürdige Zuma-Gefolgsleute

Auch wenn der Kampf gegen die Kriminalität für alle Parteien eines der wichtigsten Themen im Wahlkampf war, lassen jüngere Entwicklungen zumindest bei bestimmten Delikten Zweifel am Aufklärungswillen des ANC aufkommen. Die Auflösung der effektiv arbeitenden Scorpions, zuständig für Ermittlungen wegen Korruption und organisiertem Verbrechen, und die Übertragung dieser Aufgaben auf die weitgehend wirkungslose Polizei haben den Kampf gegen die Korruption zahnlos gemacht. Zahlreiche aufgedeckte Fälle korrupter ANC-Offizieller haben jedoch gezeigt, wie wichtig dieser Kampf ist.

Während einige Mbeki-Anhänger und Zuma-Gegner in der neu gegründeten Partei Cope eine neue Plattform gründeten, die wohl auch in Zukunft offen für politisches Personal ist, dessen Karrierehoffnungen sich unter einem Präsidenten Zuma nicht erfüllen, lassen einige der für hohe Posten in der neuen Regierung gehandelten Politiker Fragen zu ihrer Eignung aufkommen: Winnie Madikizela-Mandela, Exfrau des ehemaligen Präsidenten, wegen Betrugs zu einer Haftstrafe verurteilt, ist Mitglied im Schattenkabinett. Tony Yengeni, verurteilt wegen Betrugs im Zusammenhang mit den Waffengeschäften, die Zuma nicht zum Verhängnis geworden sind, ist einer von Zumas engsten Verbündeten. Julius Malema, Vorsitzender der ANC-Jugendliga, die lautstark für Zuma trommelte, fällt eher durch hasserfüllte Äußerungen (wie dem Aufruf, für Zuma zu töten) als durch politische Aussagen auf. Malema macht sich begründete Hoffnungen, für seine Loyalität mit einem Kabinettsposten belohnt zu werden. Dass schließlich auch Zumas langjähriger Finanzberater Schabir Shaik aus medizinischen Gründen aus der Haft entlassen wurde, fügt sich ins Bild. Dabei entdeckten die Ärzte wenig mehr als eine Neigung zum Schlaganfall.

Anders als sein Vorgänger Mbeki versteht es Zuma jedoch, die Menschen hinter sich zu versammeln. Während der ehemalige Erzbischof und Nobelpreisträger Desmond Tutu erklärte, er würde sich schämen, wenn Jacob Zuma sein Präsident werden würde, hat der neue Präsident eine breite Anhängerbasis. Insbesondere in den Townships ist er populär. Dabei war es vor allem die Parteilinke, die Zuma den Weg zur ANC-Präsidentschaft ebnete und der er jetzt verpflichtet ist. Für die weitaus meisten Südafrikaner sind die von Zuma ins Zentrum seines Wahlkampfs gestellten Themen wie der Bau neuer Wohnungen, die Bereitstellung von Trinkwasser und die Sicherung eines noch so geringen Lebensstandards wichtiger als juristische Auseinandersetzungen zwischen den Politikern in Pretoria. Zuma verspricht, sich dafür einzusetzen. Inwieweit sich seine Politik tatsächlichen an sozialen Gesichtspunkten orientieren wird, wird sich zeigen müssen. Greift die Korruption unter nationalen und lokalen Mandatsträgern, die sich auf Vorbilder ganz weit oben berufen können, weiter um sich, wird dies das Erreichen sozialer Verbesserungen jedoch untergraben.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
38. Jahrgang, Nr. 3, Mai/Juni 2009, S. 12 - 14
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Juni 2009