Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/871: Burundi - Berichterstattung vor dem Menschenrechtsrat verschoben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Oktober 2010

Burundi: Kritik unerwünscht - Berichterstattung vor dem Menschenrechtsrat verschoben

Von Carole Vann


Genf, 12. Oktober (IPS) - Der auf Druck Burundis abermals aufgeschobene Bericht des UN-Menschenrechtsrates (ISHR) zur Lage in dem ostafrikanischen Land hat einheimische und internationale Aktivisten auf den Plan gerufen. Sie klagen, dass dort seit der Wiederwahl von Staatspräsident Pierre Nkurunziza im Juni Oppositionspolitiker, Journalisten und Aktivisten drangsaliert, ins Gefängnis gesperrt und mit dem Tod bedroht werden.

Kaum ist der Bürgerkrieg überstanden, droht in Burundi erneut Gewalt. Erst Ende September wurde nur wenige Kilometer von der Hauptstadt Bujumbura entfernt, am Ufer des Tanganjika-Sees. ein Massengrab mit 14 Leichen entdeckt. Vor allem Aktivisten, kritische Journalisten und Oppositionspolitiker geraten in Bedrängnis. Willkürliche Verhaftungen, Todesdrohungen und Scheinexekutionen häufen sich, seit im Juni 92 Prozent der Wähler für die Wiederwahl von Staatschef Nkurunziza gestimmt hatten.

Vergeblich lassen die Vereinten Nationen und internationale Organisationen wie 'Amnesty International' (AI) und 'Human Rights Watch' (HRW) die Alarmglocken schrillen. Die seit drei Jahren in Burundi arbeitende HRW-Vertreterin, Neela Ghoshal, wurde im Juni ausgewiesen.

Ende September hätte der unabhängige Experte Fatsah Ouguergouz dem internationalen Menschenrechtsrat in Genf seinen Bericht über Burundi vortragen sollen. Doch mit der Begründung, die Delegation Burundis kenne den Bericht noch nicht und könne keine Stellung dazu nehmen, wurde die Berichterstattung auf März 2011 verschoben.


"Schlechte Noten könnten die Geber verstimmen"

Die Aktivistin Ghoshal, die inzwischen in Nairobi arbeitet, sieht andere Motive hinter der offiziellen Begründung. "Die Regierung will sich mit allen Mitteln gegen Kritik abschotten. Deshalb steht nicht einmal fest, dass der für März angesetzte Termin für den Bericht tatsächlich eingehalten wird", betonte sie.

In einem IPS als Kopie vorliegenden Schreiben an dem amtierenden Vorsitzenden des Menschenrechtsrates, den thailändischen Botschafter Sishasak Phuangketeow, hatte Burundis Regierung sich auf die Resolution 9/19 berufen. Danach dürfe sich der unabhängige Experte erst äußern, nachdem in Burundi eine mit der Überprüfung der Menschenrechtslage beauftragte Kommission ihre Arbeit aufgenommen hat.

Im Dezember 2008 hatte Burundis Ministerin für Nationale Solidarität und Wiederaufbau, Immaculeé Nahayo, versichert, bis Januar 2009 werde diese Kommission mit der Arbeit beginnen. "Zwei Jahre später gibt es weder eine Kommission noch den politischen Willen, sie zu etablieren", kritisierte Human Rights Watch Ende September.

"Burundi war vor allem daran gelegen, nach der Wiederwahl des Staatspräsidenten nicht schlecht benotet zu werden. Das hätte westliche Kapitalgeber irritiert, und das Land braucht viel Geld", stellte der Journalist Alexis Sinduhije fest. Der frühere Korrespondent der BBC und der Nachrichtenagentur Reuters hatte in Bujumbura 'Radio publique africaine' gegründet. Der Sender untersuchte zahlreiche politisch brisante Affären.

Sinduhije hatte auch für 'Radio Agatashya' gearbeitet, einen unabhängigen Regionalsender, der sich als Alternative zu den Hassmedien versteht. 2008 tauschte er den Journalistenjob gegen die politische Arbeit und gründete eine Oppositionsbewegung. Nach Todesdrohungen hat der Oppositionspolitiker vor zwei Monaten sein Land verlassen.

Sinduhije befürchtet, das harte Vorgehen der Behörden könnte eine Oppositionspartei entstehen lassen, deren zahlreiche junge Mitglieder wieder zu den Waffen greifen. Besondere Sorgen mache ihm 'Radio Rema-FM'. Es erinnere ihn den berüchtigten Sender 'Radio des Milles Collines', der vor und während des Bürgerkriegs im Nachbarland Ruanda mit seiner Hasspropaganda gegen Tutsi und moderate Hutu gehetzt hatte.

"Radio Rema-FM wird vom Staatspräsidenten ermutigt, schwere Diffamierungen zu verbreiten, die den Hass zwischen den Ethnien schüren", warnte der Politiker. Er erinnerte daran, dass in Burundi während der Bürgerkriegsjahre 1993 bis 2006 rund 300.000 Menschen ihr Leben verloren hatten.


Junge Menschen am politischen Prozess beteiligen

Ähnliche Befürchtungen hegt auch die Aktivistin Ghoshal, auch wenn sie in Burundi die Politik für bedrohlicher hält als ethnisch begründete Konflikte, "Auf Regierungsebene und bei den Streitkräften sind Hutu und Tutsi inzwischen angemessen vertreten", betonte sie. "Die aktuellen Konflikte werden jetzt vor allem unter Hutus ausgetragen."

Für beide, den Politiker und die Aktivistin, wäre für Burundi eine Öffnung des demokratischen Raumes die entscheidende Lösung. "Wenn man die jungen Leute am politischen Prozess beteiligt und sie ihre Meinung ohne Furcht vor Repressalien äußern können, brauchen sie nicht mit Waffen zu kämpfen", sagte Sinduhuje. (Ende/IPS/mp/2010)


Links:
www.hirondelle.org/
http://www.amnesty.de
http://www,hrw.org
http://ipsinternational.org/fr/_note.asp?idnews=6147

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 12. Oktober 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Oktober 2010