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AFRIKA/960: Südafrika - Cope vor dem ersten Wahlkongress zerstritten (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 5/6, November/Dezember 2010

Hauen und Stechen
Cope vor dem ersten Wahlkongress zerstritten

Von Nontando Ngamlana und Hein Möllers


Als sich 2008 der "Congress of the People" (Cope) als neue Partei gründete, erwarteten viele Beobachter, dass Bewegung in die politische Landschaft Südafrikas kommen würde. Die Euphorie verflog schnell. Die erwarteten Wahlergebnisse wurden nicht erreicht. Mit 8,7 Prozent blieb Cope bei den Wahlen im April 2009 hinter der "Democratic Alliance" (DA) auf dem dritten Platz. Seitdem reibt sich die Partei in Führungskämpfen auf.

Eine Analyse der Wahlergebnisse in Südafrika zeigt, dass immer noch vorwiegend entlang der unter Apartheid geschaffenen Rassenlinien abgestimmt wird. Das macht den ANC so unbezwingbar und die Opposition so schwach. Die Sorge, dass eine echte Parteienkonkurrenz nicht zustande kommt, ist berechtigt. Die Chance für einen Machtwechsel über die Urnen bleibt unwahrscheinlich. Die Gründung des Congress of the People (Cope) 2008 brachte eine neue Kraft ins Oppositionsgefüge und weckte die Hoffnung, dass eine neue signifikante Opposition den ANC in die Schranken weisen könnte.

Diese großen Hoffnungen hat Cope jedoch nicht erfüllt. In den letzten Monaten wurden die Menschen in Südafrika Zeugen, wie ein Hoffnungsträger immer tiefer in den Morast von Populismus, Opportunismus, zunehmender Korruption und ideologischer Zwietracht verfiel. Beobachter zeigen sich ratlos ob des Siechtums einer Partei, von der sie sich bei der Gründung viel versprochen hatten.


Gründungsgeschichte von Cope

Um diesen Verfall zu verstehen, muss man zunächst auf die Umstände der Entstehung von Cope eingehen. Ausgangspunkt war die 52. Nationalkonferenz des ANC in Polokwane im Dezember 2007. Auf dieser Konferenz erreichten die Rivalitäten in der ANC-Führung ihren Höhepunkt. Zwei Fraktionen standen sich im Kampf um den Parteivorsitz gegenüber, die des Noch-Präsidenten Mbeki und die seines Herausforderers Zuma. Zuma ging aus der chaotischen Konferenz als Sieger hervor.

Mbeki und Zuma standen für diametral gegensätzliche Philosophien. Sie unterschieden sich im Führungsstil wie im Konzept einer Wirtschaftspolitik. Mbeki verfolgte einen neoliberalen Kurs, er galt als abgehoben und unzugänglich mit Ranküne gegen Opponenten. Zuma dagegen stand für eine linkere, aber auch populistische Politik; er unterhielt enge Beziehungen zur Kommunistischen Partei SACP sowie zum Gewerkschaftsbund Cosatu, beide Mitglieder in der vom ANC geführten Dreierallianz. Unterstützung erhielt er ferner durch die Jugendliga der Partei.

Erinnert sei ferner, dass Zuma mehrfach wegen Korruption vor Gericht stand, weil er in die Waffengeschäfte des französischen Herstellers Thint verwickelt war. 2008 befand ein Gericht in einem aufsehenerregenden Urteil, dass eine erneute Vorladung Zumas nicht rechtmäßig sei, da die Klage unzulässigerweise von Mbeki aus politischen Motiven beeinflusst worden sei. Der Fall Zuma wurde niedergeschlagen. Mbeki verlor in Polokwane die Unterstützung der Partei und trat als Staatspräsident ab. Viele Minister nahmen aus Solidarität mit Mbeki den Hut, darunter die Vizepräsidentin Phumzile Mlambo-Ngcuka.

Der Abtritt Mbekis brachte die gärenden Spannungen im ANC endgültig ans Tageslicht. Mosioua Lekota, Verteidigungsminister und Mitglied des Nationalen Exekutivkomitees des ANC, Mbhazima Shilowa, Ministerpräsident der Provinz Gauteng, Mluketi George, Lekotas Stellvertreter im Verteidigungsministerium, und andere traten aus dem ANC aus, um eine neue Partei zu gründen. Sie fanden Unterstützung von vielen Mbeki-Anhängern, die dem Shilowa Movement beitraten, wie die neue Gruppierung anfangs genannt wurde.

Im November 2008 wurde die Gründungsversammlung für eine neue Partei einberufen. Sie war für 4.000 Teilnehmer geplant, es kamen mehr als 5.000. Auch namhafte Politiker aus anderen Parteien, abgesehen vom ANC, nahmen an der Versammlung teil. Im Dezember 2008 wurde die neue Partei, der Congress of the People, formell aus der Taufe gehoben. Interimspräsident wurde Lekota.


Wahlniederlage trotz attraktiven Programms

In einem Interview mit der Sunday Times erläuterte Lekota die politischen Ziele seiner Partei. Sie setze sich für eine breite multirassische und multikulturelle Vertretung in der Regierung und die Förderung der freien Marktwirtschaft ein und lehne jede Anlehnung an den Marxismus ab. Die Plattform für die Wahlen 2009 betonte die Achtung der Verfassung. Vordringliche Aufgaben seien die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Armut, der Umweltschutz, Ausbau der sekundären und tertiären Bildung sowie die Stärkung der Familien und Bekämpfung des immer noch vorhandenen Rassismus. Dieses Konzept traf bei vielen Südafrikanern und Südafrikanerinnen auf Zustimmung. Es schien, als habe Cope die richtigen Felder besetzt und sei bereit zur Übernahme von Regierungsverantwortung.

Der Hauptunterschied zwischen Cope und ANC bestand darin, dass Cope sich für ein System aussprach, in dem Spitzenämter der Regierung auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene durch Direktwahlen besetzt und die Gewählten nur durch gerichtliche Entscheidungen aus dem Amt entfernt werden können. Der ANC bestand weiter auf der Ernennung und Abberufung der Spitzenpolitiker durch die parteipolitischen Gremien.

Schon wenige Monate nach der Gründung war die neue Partei bereit für die Wahlen und trat selbstbewusst auf als Herausforderin von ANC und der größten Oppositionspartei DA (Democratic Alliance). Trotz allen Medienrummels sank Cope noch im Wahlkampf unter seinen Nennwert. Viele führten die geringe Vorbereitungszeit und Unerfahrenheit als Entschuldigungsgrund an.

Wie sich bald herausstellte, lag das eigentliche Problem der jungen Partei darin, dass sie sich auf die Wahlen konzentriert hat und darüber versäumte, die nötigen Institutionen und Strukturen aufzubauen, um die Partei zu konsolidieren und arbeits- und entscheidungsfähig zu machen. Alles trug die Vorsilbe "Interim".

Wie ernst die Probleme und Zerwürfnisse innerhalb von Cope tatsächlich sind, zeigte sich im Vorfeld des ersten Parteitages nach den Wahlen, bei dem es um die Besetzung der Führung gehen sollte. Dieser Kongress war ursprünglich für den Dezember 2010 - wie jetzt geschehen - vorgesehen. Doch die Jugendliga in der Partei setzte mit Unterstützung aus dem Exekutivkomitee eine Vorverlegung auf den Mai durch.

Die Wochenzeitung Mail&Guardian zitiert aus Cope in 2010: The quality of leadership we need, worin die Jugendliga der Partei für eine Führung plädiert, die auf die "Zukunft" ausgerichtet und nicht der "Vergangenheit" verhaftet ist. "Wenn unsere Führung in der Gesamtheit von Personen repräsentiert wird, die den ANC verlassen haben, vor allem in den zwölf Spitzenpositionen, dann werden wir das Vertrauen der Südafrikaner verlieren, die ihre Hoffnung auf einen Neubeginn gesetzt haben."


In Machtkämpfe verstrickt

Die Jugendliga sprach sich damals für den Stellvertreter Shilowa als Präsidenten aus. Der amtierende Präsident Mosioua Lekota kam auf ihrer Liste nicht mehr vor. Sie wollten ihn auf den Vorsitz des Ältestenrates abschieben, der eine Art Gegenstück zur neuen Veteranen-Liga des ANC bildet.

Doch dann formierte sich über Nacht im Jugendverband eine Pro-Lekota-Fraktion. Sie brachte Pumzile Mlambo-Ngcuka als Stellvertreterin und Bischof Mvume Dandala als Nationalvorsitzenden ins Gespräch.

Es gelang Shilowa im Vorfeld des Mai-Parteitages, die meisten Provinzführungen auf seine Seite zu bringen. Sie hielten Lekota nicht länger für den geeigneten Parteivorsitzenden. Lekota müsse den Weg für eine neue Parteiführung frei geben, hieß es.

Doch die Delegierten auf dem Parteitag vereitelten den Versuch, eine neue Führung zu wählen. Es wurden nur politische Fragen diskutiert. Shilowa klagte vor Gericht. Das folgte aber dem Einwand der Lekota-Fraktion, der Wahlkongress sei für den Dezember anberaumt und nicht Gegenstand des Parteitages im Mai. Anfang Dezember verlor Shilowa kostenpflichtig die letztinstanzliche Berufung.

Spätestens nach dem Parteitag im Mai zeigte sich, dass Cope in einen Machtkampf zweier Platzhirsche verwickelt war. Beide beschuldigten sich in offenen Briefen und über die Presse der Gaunerei und Lüge, forderten sich gegenseitig auf, die Partei zu verlassen. Beide erweckten in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass es ihnen um ihr Ego ging, dass ihnen Anstand und politische Visionen abgehen.

Mvume Dandala, parlamentarischer Fraktionsführer von Cope, warf über diese Kabalen im Juli das Handtuch. Er gab Amt und Mandat zurück, blieb aber in der Partei. Im Rückblick zeigt sich, dass der Cope ihn vor den Wahlen als Präsidentschaftskandidat wohl nur auf den Schild gehoben hatte, weil weder Lekota noch Shilowa sich zu dem Zeitpunkt einer ausreichenden Mehrheit sicher waren. Mancher höhnte öffentlich hinter dem Bischof der Methodistischen Kirche her: Eine Partei sei nun mal kein Kirchenkränzchen.

Im Oktober wurde Shilowa von seinem Amt als parlamentarischer Geschäftsführer enthoben. Man warf ihm vor, im Parlament unzutreffende Äußerungen über die Verwendung öffentlicher Gelder durch Cope gemacht zu haben. Das Mandat durfte er weiter ausüben. Ebenfalls des Amtes enthoben wurden seine Vertrauten in der parlamentarischen Verwaltung der Partei, der Schatzmeister Mluleki George und die Chefbuchhalterin Lolo Mashiane.

Mbhazima Shilowa sah wohl seine Fälle davon schwimmen. Deshalb setzten sich er und seine Fraktion für einen vorgezogenen Wahlkongress am 5. November ein. Damit konnte er sich aber nicht durchsetzen und willigte in den Termin 15. Dezember ein. Ein politisches Profil von Cope ist nicht mehr erkennbar. Und der Graben zwischen den Führungsleuten ist nicht mehr zu kitten.

Phillip Dexter, Pressesprecher von Cope, schrieb in einer öffentlichen Erklärung vom 20. Oktober 2010: "Wir haben nicht verstanden, unsere Vorstellungen in harte Münze zu schlagen. Unsere Vision ist klar. Aber organisatorisch stimmt nichts. Interne Kämpfe um Werte, Grundsätze, Mittel und Führung dominieren die Diskussion in der Partei. Eine unbestimmte Führung hat die Partei politisch paralysiert. Der Schwerpunkt der Partei liegt nicht auf einer vorwärts gerichteten Politik. Das muss sich ändern, wenn Cope überleben, wachsen und die Macht übernehmen will. Cope muss dem Slogan 'eine neue Agenda für Wechsel und Hoffnung' neuen Inhalt geben."

Der Cope-Vorsitzende des Ostkap, Andile Nkuhlu, begründete seinen Austritt aus der Partei so: Es gibt "eine tiefe Enttäuschung und Niedergedrücktheit darüber, dass die Ideale einer Partei durch die Klüngelei einer Führung, die scharf auf Macht und Positionen um ihres politischen Überlebens willen ist, betrogen wurden."

Unter diesen Vorzeichen begann dann der Wahlkongress in Pretoria. Die Führung hatte im Vorfeld eine Diskussion auf dem Kongress über eine Spaltung der Partei ausgeschlossen. Wer mit den Beschlüssen nicht einverstanden sei, solle die Partei verlassen. Der Jugendverband hat sich wenige Tage vor dem Kongress eindeutig für eine Unterstützung Lekotas ausgesprochen, ohne bindende Verpflichtung für die Delegierten. "Nach jetzigem Stand unterstützen wir den derzeitigen Präsidenten", sagte der frisch gewählte Präsident der Jugendbewegung von Cope, Nqaba Bhanga, fünf Tage vor dem Kongress. "Wir werden die vom Kongress gewählte Führung unterstützen und respektieren."

Am Montag, den 13. Dezember, reisten die Delegierten zum Kongress an; etwa 2.000 wurden erwartet. Doch aus der Registrierung am Dienstagmorgen wurde nichts. Über den Grund gab es - symptomatisch für den Zustand von Cope - zwei Erklärungen: Dexter von der Lekota-Fraktion bedauerte, dass eine größer als erwartete Hochzeitsgesellschaft die Halle blockierte. Shilowa nannte einen anderen Grund: Delegierte waren vorab elektronisch erfasst, was nicht rechtens sei - eine wohl stichhaltigere Erklärung. Denn am Mittwoch wurde bei der Registrierung eigens auf die manuelle Ausfüllung der Formulare hingewiesen. Am Donnerstag Mittag hatten sich erst 500 Delegierte anmelden können. Letzte Meldung vom 18.12.: Konferenz geplatzt - a luta continua.


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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 5/6, November/Dezember 2010, S. 18 - 19
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2011