Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ASIEN/643: Burma - Militärs streben nach Macht in künftiger Zivilregierung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. August 2010

BURMA:
Militärs streben nach Macht in künftiger Zivilregierung - Erinnerungen an 1974

Von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 31. August (IPS) - Am 7. November stehen in Burma erstmals nach 20 Jahren wieder Parlamentswahlen an. Der Vorstoß soll die die internationale Öffentlichkeit von der Entschlossenheit der herrschenden Militärjunta überzeugen, den Übergang zu einer zivilen Regierung vorzu-bereiten. Doch hinter den Kulissen arbeiten die Generäle an einer Festigung ihrer Macht und wecken Erinnerungen an die Marionettenregierung der 70er und 80er Jahre.

Erst kürzlich wurde der Rückzug mehrerer hochrangiger Offiziere aus der Armee verkündet. Beobachter sehen darin einen wohlkalkulierten Schachzug, durch den ehemalige Militärs legitime Mitglieder einer der Junta treu ergebenen Zivilregierung werden könnten. Vor vier Monaten hatten bereits der burmesische Premierminister General Thein Sein und 26 hohe Offiziere die Armee verlassen, um bei den Wahlen für die juntatreue Partei USDP antreten zu können.

Noch ist unklar, ob auch Juntachef General Than Shwe seine Uniform an den Nagel hängt. Entsprechende Informationen, die unter burmesischen Journalisten im Exil kursieren, konnten bislang nicht bestätigt werden.

Die in der nordthailändischen Stadt Chiang Mai erscheinende burmesische Zeitung 'The Irrawaddy' hatte berichtet, dass Shwes Stellvertreter General Maung Aye alle militärischen Funktionen niedergelegt habe. "Die acht führenden Männer werden aber in der Regierung bleiben", hieß es auf der Website der Zeitung, die sich auf Informanten in der burmesischen Hauptstadt Naypidaw berief.

Ähnliches berichtete die Nachrichtenagentur Reuters aus Rangun. Aus Armeekreisen war demnach verlautet, dass drei hohe Offiziere aus dem Militär ausgeschieden seien. Sie wollten bald die einflussreichsten Posten in der kommenden Regierung einnehmen.


Größte Militärumbildung seit 22 Jahren

Unter der Herrschaft von Shwe waren die Streitkräfte des südostasiatischen Landes mit rund 53 Millionen Einwohnern auf etwa 450.000 Mann verdoppelt worden. Nachdem der Rücktritt der Armeespitze bekannt wurde, setzte auf den untergeordneten Ebenen ein emsiges Stühlerücken ein. So viele jüngere Offiziere wie nie zuvor stiegen in einem Militärapparat auf, der seit der blutigen Unterdrückung der Demokratiebewegung 1988 an der Macht ist. Bei Zusammenstößen mit Soldaten wurden damals etwa 3.000 Menschen getötet.

Der burmesische Militärexperte Win Min sprach gegenüber IPS von der größten Umbildung der Streitkräfte seit 22 Jahren. Rund 200 hochrangige Armeeangehörige seien betroffen. Min sah einen konkreten Zusammenhang mit den anstehenden Wahlen.

"Than Shwe scheint zu glauben, dass er den Wahlprozess beeinflussen und einen Wahlsieg seiner Partei erreichen kann, um die neuen Militärführer kontrollieren zu können", sagte er. Zuvor wolle er eine handverlesene neue Generation von Armeeoberen einsetzen. Diese Offiziere seien alle zwischen 50 und 60 Jahre alt.

Gemäß der Staatsverfassung von 2008, die in einem von Betrugsvorwürfen überschatteten Referendum angenommen wurde, muss der nach den Novemberwahlen zu ernennende Präsident ein Zivilist sein, der mit Militärangelegenheiten "gut vertraut" ist.

Zuletzt war eine solche Machthierarchie 1974 in dem Land eingeführt worden. Damals trat die zweite Verfassung in Kraft, die bis zu den gewaltsamen Auseinandersetzungen mit der Demokratiebewegung 1988 gültig blieb. An der Spitze der Regierung stand die Sozialistische Partei BSPP. Ihr Gründer war General Ne Win, der sich 1962 an die Macht geputscht hatte.

In den 14 Jahren ihrer Herrschaft gab sich die BSPP, der zahlreiche Ex-Offiziere angehörten, ein ziviles Gesicht. Unter der Diktator von Ne Win hatte die Armee hingegen unverhohlen ihre Stärke demonstriert. Die BSPP hielt den Anschein einer Demokratie aufrecht, indem sie alle vier Jahre Wahlen abhalten ließ. Diese waren jedoch eine Farce, da alle Kandidaten zum Regierungslager gehörten.


Sympathien für Demokratie nur geheuchelt

Politische Beobachter erkennen Parallelen zwischen der damaligen und der heutigen Situation. "Diejenigen, die jetzt eine latente Sympathie der Junta für die Demokratie erkennen, täuschen sich", sagte der Burma-Experte David Scott Mathieson von 'Human Rights Watch'. Den Militärs gehe es lediglich darum, nach außen glaubwürdig zu wirken.

Dies war auch ein Grund für die Partei der verfolgten Anführerin der Demokratiebewegung, Aung San Suu Kyi, einen Boykott der Wahlen im November bekannt zu geben und sich aufzulösen. Die Nationale Liga für Demokratie (NLD) hatte bei den von der Junta für ungültig erklärten Wahlen 1990 einen haushohen Sieg errungen. Die Ergebnisse worden jedoch von der Junta ignoriert.

Um die Macht auch künftig zu behalten, hat sich die Militärregierung mit einer Verfassungsänderung ein Viertel aller Parlamentssitze und die Schlüsselpositionen in der Regierung gesichert. (Ende/IPS/ck/2010)



Links:
http://www.irrawaddy.org/
http://www.hrw.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52655

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 31. August 2010
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. September 2010