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ASIEN/666: Chinas Charme-Offensive in Afrika - Imagepflege mit Historie und Stipendien (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Oktober 2010

China:
Charme-Offensive in Afrika - Imagepflege mit Historie und Stipendien

Von Antoaneta Becker


London, 7. Oktober (IPS) - China ist mit seinem großen, aber keineswegs selbstlosen Engagement in Afrika in die Kritik geraten. Um Vorwürfe eines neuen Kolonialismus zu kontern, versucht das Land alles, um sein Image aufzupolieren. Dabei spielt auch die Wiederentdeckung historischer Verbindungen eine Rolle. Gleichzeitig unterstützt Peking durch umfangreiche wissenschaftliche Projekte die wirtschaftliche Expansion.

Chinesische Archäologen suchen ein Wrack vor der Küste Kenias, das als Beweis dienen soll, dass chinesische Entdecker lange vor den Europäern in Afrika waren. Zudem soll ein eigenes Forschungszentrum des Handelsministeriums den Blick für den schwarzen Kontinent und seine Möglichkeiten schärfen.

Ziel sei es, eine theoretische Basis für die Entscheidungsprozesse der chinesischen Führung in Bezug auf Afrika zu schaffen, erklärte ein ranghoher Funktionär bei der Eröffnung. Chinesische Unternehmen, die nach Afrika expandieren wollen, können sich dort beraten lassen.


Systematisches Vorgehen

"Lange Zeit ähnelte unsere Strategie für Afrika unserer Strategie der Wirtschaftshilfevergabe: den Fluss überqueren, indem man die Steine ertastet, sagt He Wenping, Afrika-Spezialist an der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaft. "Wir waren nicht wirklich auf das Unternehmen Afrika vorbereitet und mussten teuer dafür bezahlen, indem wir aus unseren Fehlern lernten", sagt er. "Jetzt aber sind wir dabei, unsere Strategie zu konsolidieren. Der Fokus liegt jetzt darauf, mehr über Afrika zu lernen."

Auf dem Projekt chinesischer und kenianischer Archäologen ruhen große Hoffnungen. Außer dem Wrack suchen sie nach weiteren Spuren von Wirtschaftsbeziehungen zwischen Afrika und China seit dem 15. Jahrhundert. Das gesunkene Schiff soll zu einer Flotte des Admirals Zheng He gehört haben, der nach chinesischer Geschichtsschreibung 80 Jahre vor Vasco da Gama auf dem Kontinent landete.


"Frieden und Freundschaft"

Die auf drei Jahre angelegte Expedition begann im Juli und ist typisch für die chinesischen Bemühungen, das Engagement in Afrika als Fortsetzung der "Reise des Friedens und der Freundschaft" Zheng Hes zu präsentieren.

Der Admiral brach der Überlieferung nach mit 300 Schiffen und tausenden Mann Besatzung auf. Ab 1405 machte er sieben Expeditionen nach Asien, Afrika und in den Nahen Osten. Dabei soll er 1418 mit Waren und Geschenken des Kaisers an der Küste Kenias gelandet sein. Das Wrack, das die Archäologen jetzt suchen, soll sich auf dem Rückweg nach China befunden haben. An Bord befand sich unter anderem eine Giraffe als Geschenk des Sultans von Malindi für den Hof in Peking.

"Seine Reise ist ein wahres Symbol für die chinesischen Absichten in Afrika damals wie heute", sagt He Wenping. "Die Chinesen haben Afrika nicht kolonisiert, sie kamen als Händler und Entdecker."

Heute ist China der größte Abnehmer afrikanischer Bodenschätze. Kritiker sprechen von "Ausplünderung" - ein Vorwurf, dem die chinesische Führung mit ihren aufwändigen Projekten entgegentreten will. Ihr Motto: Es geht nicht nur ums Geld, sondern um ein historisches Erbe.


Befreiungsgeschichte nicht genug

Noch vor wenigen Jahren strichen chinesische Funktionäre ihre Unterstützung der Befreiungsbewegungen in Afrika in deren Kampf gegen Imperialismus und Kolonialismus als Gemeinsamkeit heraus. Diese 60 Jahre alte gemeinsame Geschichte wird von chinesischen Akademikern aber inzwischen nicht mehr als vergleichbar mit den ins 15. Jahrhundert zurück reichenden Verbindungen Europas nach Afrika angesehen.

Mehrere chinesische Experten haben darauf hingewiesen, dass China nicht über das Wissen über den Kontinent verfüge, das westliche Staaten über Jahrhunderte anhäufen konnten. China fehlt auch das Bindeglied Religion, so dass jetzt die Geschichte als Gemeinsamkeit bemüht wird.

Geld kann bei der Beweisführung nicht schaden, und so wird in Peking über die Einrichtung eines chinesisch-afrikanischen Forschungsfonds nachgedacht, mit dem Forschungsprojekte in Afrika unterstützt werden sollen. Bisher wird ein Großteil der Forschungsarbeiten chinesischer Wissenschaftler von internationalen Institutionen und westlichen Regierungen finanziert.


Elitenförderung

Gleichzeitig sollen mehr Studenten aus afrikanischen Staaten in China ausgebildet werden. Tausende Stipendien wurden bereits vergeben, so dass 2009 120.000 Afrikaner in China studierten, zehn Mal so viele wie 2000. Gezielt sollen die künftigen Eliten Afrikas ausgebildet und an China gebunden werden.

In Europa sind diese Programme nicht unbemerkt geblieben. Ein Bericht des international renommierten Forschungsinstituts 'Chatham House' in London stellt die Behauptung auf, dass Afrika von westlichen Regierungen, Wissenschaftlern und Journalisten weitgehend vernachlässigt werde.

"Unter der Oberfläche der Rhetorik, die die Bedeutung Afrikas herausstreicht, werden die diplomatischen und wirtschaftlichen Ressourcen für den Kontinent in vielen westlichen Hauptstädten weiter gekürzt. Die Folge ist eine Abwärtsspirale der Ignoranz und der Marginalisierung bei der strategischen Einordnung", so der Autor der Studie, Tom Cargill. Sein Fazit: Wird der Trend nicht gestoppt, wird der Westen seinen Vorsprung gegenüber China in der Politik und in der wissenschaftlichen Analyse verlieren. (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://www.chathamhouse.org.uk/files/16704_r0610_africag8.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52972

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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2010