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ASIEN/687: Osttimor - Hilfe für Ex-Kolonialmacht Portugal, Armer Staat will Schulden kaufen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. November 2010

OSTTIMOR: Hilfe für Ex-Kolonialmacht Portugal - Armer Staat will Schulden kaufen

Von Mario de Queiroz


Lissabon, 17. November (IPS) - Ausgerechnet Osttimor, eines der ärmsten Länder der Welt, will dem von Schulden geplagten Portugal aus der Klemme helfen. Der Präsident des südostasiatischen Inselstaates, José Ramos-Herta, bot der Regierung der ehemaligen Kolonialmacht an, einen Teil ihrer Außenstände zu kaufen. Vertreter aus Politik und Wirtschaft in Portugal begrüßten den ungewöhnlichen Vorstoß.

Mit einem monatlichen Pro-Kopf-Einkommen von durchschnittlich 600 US-Dollar belegt Osttimor im globalen Vergleich nur Rang 130. Dennoch sieht Ramos-Horta das Land durchaus in der Lage, Portugal in der Krise zu unterstützen. Die Regierung von Ministerpräsident José Alexandre Xanana Gusmão habe beschlossen, dafür Gelder aus dem staatlichen Erdölfonds zu benutzen, kündigte der Friedensnobelpreisträger von 1996 an.

Der Fonds war von der Regierung 2005 eingerichtet worden, um Steuereinnahmen in Milliarden-Dollar-Höhe aus neuen Öl- und Gasprojekten in der Timorsee zu verwalten und zu verteilen. Ramos-Horta geht außerdem davon aus, dass Investitionen in öffentliche oder halbstaatliche Unternehmen hohen Profit bringen könnten. Dabei verwies er insbesondere auf die Bereiche Telekommunikation und erneuerbare Energien.

Emanuel dos Santos, Staatssekretär im portugiesischen Finanzministerium, lobte Ramos-Hortas' Ankündigung als "Geste der Freundschaft". Nach ersten Berechnungen könnten sich die Investitionen Osttimors in Portugal im kommenden Jahr auf rund eine Milliarde Dollar belaufen. Die in Lissabon erscheinende Wirtschaftszeitung 'Diario Económico' kam allerdings nur auf 700 Millionen Dollar. Der Ölfonds habe einen Umfang von sieben Milliarden Dollar, hieß es. Laut dem Gesetz müssten 90 Prozent davon in US-Schatzanweisungen investiert werden.


Brasilien plant Investitionen in Portugal

Auch die frühere Kolonie Brasilien hielt eine frohe Botschaft für Portugal bereit. Der südamerikanische Staat plant größere Geldanlagen in dem europäischen Land. Er folgt damit dem einst ebenfalls von Portugal verwalteten afrikanischen Staat Angola, der Anteile an der größten portugiesischen Erdölgesellschaft 'Galp Energia' hält.

Das größte brasilianische Telefonunternehmen 'Oi' will im kommenden Jahr bis zu zehn Prozent der Aktien der portugiesischen Telekom kaufen. Diese Investition wird sich voraussichtlich auf 1,19 Milliarden Dollar summieren.

Mit Osttimor und Brasilien wollen also der ärmste und reichste Staat in der portugiesischsprachigen Welt dem Mutterland zu Hilfe kommen, nachdem der Internationale Währungsfonds (WWF) vor einem bevorstehenden Staatsbankrott gewarnt hat. Portugal, das ein Bruttoinlandsprodukt von 233,4 Milliarden Dollar verzeichnet, steht zugleich mit 198,6 Milliarden Dollar in der Kreide.

Die geplanten Maßnahmen Osttimors und Brasiliens sind angesichts des Haushaltsdefizits von voraussichtlich 8,4 Prozent im laufenden Jahr eher der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Nichtsdestotrotz braucht die portugiesische Wirtschaft dieses Geld dringend. Auf die Portugiesen kommen in jedem Fall harte Zeiten zu. Die Wirtschaftsexpertin Helena Garrido warnte in der Zeitung 'Jornal de Negocios' davor, dass 2011 noch schlimmer werde, als man es sich bisher vorgestellt habe.

Die Forderungen Deutschlands und Frankreichs nach strengeren Kriterien für EU-Hilfen für Mitgliedsstaaten in Finanznot tragen nach Ansicht von Beobachtern dazu bei, die Lage im Land noch weiter zu verschärfen. Sollte sich das krisengeschüttelte Irland um Unterstützung an den EU-Stabilitätsfonds (EFSF) wenden und die Auflagen des IWF akzeptieren, müsse sich Portugal auf das Ärgste gefasst machen, berichten Finanzzeitungen in mehreren EU-Ländern.


Irland könnte Dominoeffekt auslösen

Auch der portugiesische Finanzminister Fernando Texeira dos Santos schloss nicht aus, dass sein Land den EFSF anrufen muss. Das Problem liege allerdings nicht nur bei Portugal, sondern hänge mit der "Stabilität der gesamten Eurozone" zusammen, erklärte er. In der Tat droht durch eine Rettungsaktion für Irland ein Dominoeffekt, der außer Portugal, Spanien und Italien auch wieder den Haushaltssünder Griechenland betreffen würde.

Garrido warf Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy vor, sich bei den Wählern beliebt machen zu wollen und dafür das Risiko einzugehen, den EFSF überzustrapazieren. Sollte Spanien nicht durchhalten, stünde der Euro vor einer albtraumartigen Entwicklung; sagte sie. Der Druck auf Irland schüre das Misstrauen zwischen den Ländern der Eurozone und helfe nicht dabei, die Währungsunion zu stärken.

Mario Olivares, der Wirtschaftswissenschaften an der Universität von Lissabon lehrt, kritisierte im Gespräch mit IPS, dass die Länder, die das Schuldenproblem verringern könnten, dazu nicht bereit seien. Er forderte daher die 500 reichsten Unternehmen in der industrialisierten Welt dazu auf, in den klammen Ländern in Schatzanweisungen zu investieren, um die Risiken eines finanziellen Zusammenbruchs zu minimieren. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.efsf.europa.eu/
http://www.imf.org/external/index.htm
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=53578


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 17. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2010