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ASIEN/843: Indien - Regierung auf Konfrontationskurs zur Zivilgesellschaft, Repressalien gegen NGOs (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Mai 2013

Indien: Regierung auf Konfrontationskurs zur Zivilgesellschaft - Repressalien gegen NGOs

von Ranjit Devraj


Bild: © K.S. Harikrishnan/IPS

Polizei geht gegen eine Demonstrantin am indischen AKW Kudankulam vor
Bild: © K.S. Harikrishnan/IPS

Neu-Delhi, 28. Mai (IPS) - Jahrelang hat sich Indiens liberale, von der Kongresspartei angeführte Koalitionsregierung über den Widerstand zivilgesellschaftlicher Gruppen gegen Pläne geärgert, wirtschaftliches Wachstum durch Privatisierungen, Mega-Atomkraftwerkparks und die Ausbeutung von Rohstoffen auf indigenen Territorien zu erzielen. Nun hat sie Hunderten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) den Kampf angesagt, deren Aktivitäten angeblich "öffentlichen Interessen zuwiderlaufen".

Am 30. April erhielten mehrere NGOs die Mitteilung, dass die Bankkonten, über die sie auswärtige Zuschüsse erhalten, eingefroren worden sind. "Das war ein Schock, der allerdings nicht überraschend kam", meinte Lalita Ramdas von 'Greenpeace International'. Schließlich würden zunehmend autoritäre, undemokratische und repressive Maßnahmen gegen jeden ergriffen, der die Positionen und Entscheidungen der Regierung in Frage stelle.

Betroffen sind vor allem Organisationen, die sich mit Atomkraft, Menschenrechten, Umwelt und Ökologie beschäftigen - Bereiche, in denen Firmeninteressen auf dem Spiel stehen. Zu ihnen gehört das 'Indian Social Action Forum' (INSAF), ein Netzwerk aus mehr als 700 NGOs. INSAF versucht derzeit, den staatlich eingeschränkten Zugang zu den internationalen Hilfsgeldern gerichtlich zu erzwingen.

In einer beim Obersten Gerichtshof eingereichten Petition beschreibt sich INSAF als Organisation, die sich dafür einsetzt, "dass die in der indischen Verfassung verankerten Grundrechte gegen die offenkundigen und ungezügelten Verstöße durch den Staat und durch Unternehmen geschützt werden müssen".


Kampagnen gegen Land Grabbing und Umweltfrevel

Das Netzwerk organisiert Kampagnen gegen Land Grabbing, Umweltkatastrophen durch Bergbaubetriebe, die Privatisierung von Wasser, gen-modifiziertes Essen, Kernkraftwerke und gegen die Auflagen internationaler Finanzinstitutionen wie Weltbank und Asiatischer Entwicklungsbank, die den Menschen schaden.

Wie INSAF vor Gericht betonte, engagiert sich die Organisation für eine säkulare und friedliche Sozialordnung und verurteilt Angriffe auf das Leben und die Rechte der Menschen. Koordinator Anil Chaudhary verwehrte sich dagegen, dass Organisationen, die sich gegen die Diskriminierung von Frauen einsetzten, als "politisch" eingeordnet worden seien. Ähnliches gelte für Gruppen, die sich für die Rechte von Bauern einsetzten. "Die gleiche Willkür kann auch bei Umweltgruppen zum Tragen kommen, die die Natur gegen jede Form gewissenloser Industrialisierung schützen wollen."

Chaudhary zufolge sollte die Regierung nicht allein die Konten von Organisationen einfrieren, die unter dem Schirm von INSAF arbeiten, sondern die gesamte ausländische Förderung stoppen. INSAF versucht unter anderem, eine parlamentarische Untersuchung der Aktivitäten internationaler Finanzinstitutionen wie der Weltbank in Indien zu veranlassen.

Parallel zu den INSAF-Kampagnen machen derzeit einflussreiche Bewegungen für Transparenz und saubere Regierungsführung von sich reden. Initiator ist Arvind Kejriwal, der Gründer der 'Aam Admi'-Partei, die bei den Wahlen 2014 antreten will. Kejriwal, der mit seinem sozialen Engagement 2005 das Inkrafttreten eines Gesetzes über Informationsfreiheit erreicht hatte, wird auch mit der Transparenz-Kampagne von Anna Hazare in Verbindung gebracht. Hazare war im April 2011 in einen Hungerstreik getreten, der von mehr als 100.000 Menschen unterstützt wurde.


Straßendemos für Regierung unbequem

Straßendemonstrationen für eine bessere Regierungsführung sind Neu-Delhi seither ein Dorn im Auge. Als die Proteste nach der brutalen Vergewaltigung einer Studentin im vergangenen Dezember ihren vorläufigen Höhepunkt erreichten, ging die Polizei mit Gewalt gegen die Demonstranten vor.

Die Regierung von Ministerpräsident Manmohan Singh stößt sich ferner an Bemühungen von NGOs, die Arbeiten an mehreren geplanten Kernkraftwerksparks an den Küsten lahmzulegen, insbesondere in Jaitapur im Bundesstaat Maharashtra, in Mithi Virdi in Gujarat und in Kudankulam in Tamil Nadu.

Im Februar blockierte die Regierung die Konten von zwei einflussreichen NGOs in Tamil Nadu, die mit Protesten gegen das Kraftwerk in Kudankulam in Verbindung gebracht wurden. 'Tuticorin Diocesan Association' und 'Tamil Nadu Social Service Society' hatten nach eigenen Angaben Hilfsgelder in Höhe von vier Millionen beziehungsweise acht Millionen US-Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren bis 2011 erhalten. Mit starkem Rückhalt durch die Kirche arbeiten die Gruppen weiter, obwohl sie keinen Zugriff auf ihre Konten haben. Im gleichen Fünf-Jahres-Zeitraum hatten etwa 22.000 NGOs in ganz Indien ausländische Hilfsgelder in Höhe von insgesamt rund zwei Milliarden Dollar erhalten.

Unerwartete Proteste gab es auch in den Reihen von Verbündeten der Kongresspartei in der regierenden 'United Progressive Alliance' (UPA). Devi Prasad Tripathi, Parlamentarier und Generalsekretär der 'Nationalist Congress Party', erinnerte Innenminister Sushil Kamar Shinde daran, dass sich die UPA den Schutz "säkularer, demokratischer und progressiver Kräfte im Land" auf die Fahnen geschrieben habe. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.insafindia.net/2013/05/insaf-bank-account-frozen-frozen-by.html
http://rti.gov.in/
http://www.tasoss.org/
http://www.ipsnews.net/2013/05/indian-govt-on-collision-course-with-civil-society/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2013