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ASIEN/863: Sri Lanka - Provinzrat für den Norden, Tamilen hoffen auf bessere Lebensbedingungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Oktober 2013

Sri Lanka: Provinzrat für den Norden - Tamilen hoffen auf bessere Lebensbedingungen

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Eine Frau auf dem Weg zum Wahllokal in Jaffna in Sri Lanka
Bild: © Amantha Perera/IPS

Dharmapuram, Sri Lanka, 17. Oktober (IPS) - Ausdruck wahrer Demokratie oder nur ein Papiertiger zur internationalen Imagepflege? Seitdem die Wahlen im letzten Monat der srilankischen Nordprovinz einen eigenen Provinzrat beschert haben, fragen sich die dort lebenden Tamilen, inwieweit sie von diesem Gremium profitieren werden.

Für die Mitglieder der Minderheit, die seit langem bei sie betreffenden Entscheidungen ein Mitspracherecht fordern und noch immer an den Folgen des blutigen 26-jährigen Bürgerkriegs zwischen der tamilischen Rebellenorganisation LTTE und der Regierung leiden, ist die Nationale Tamilische Allianz (NTA) zumindest ein ermutigender Anfang. Der Urnengang am 21. September hat der Fünf-Parteien-Allianz 30 der 38 Sitze im neuen Nördlichen Provinzrat (NPC) verschafft.

"Wir brauchen Rechte", meint Christine, eine Tamilin aus Dharmapuram im Bezirk Kilinochchi. "Daran habe ich gedacht, als ich losging, um meine Stimme abzugeben." Die hohe Wahlbeteiligung von 68 Prozent zeigt im Grunde, wie verzweifelt sich die Tamilen in der Provinz Demokratie und Normalität wünschen. Doch stellt sich die Frage, ob der NPC die in ihn gesetzten Erwartungen auch erfüllen kann.


Provinzräte gelten als Geldverschwendung

Sri Lankas existierende Provinzräte haben keinen guten Ruf. Zentralbankzahlen zufolge wurden ihnen im letzten Jahr von der Zentralregierung 1,03 Milliarden des nationalen Bruttoinlandsprodukts in Höhe von 5,9 Milliarden US-Dollar überwiesen. "Doch bisher haben die Provinzräte rein gar nichts im Lande bewirkt", meint Subramanium Sudhaharan, der ebenfalls in Dharmapuram an den Wahlen teilnahm.

Es sei ein offenes Geheimnis, dass der Großteil der Gelder den Ratsmitgliedern zufließe. Diese nutzten ihr Amt als Sprungbrett ins Parlament und würden sich deshalb selten für die Entwicklung ihrer Provinz engagieren, heißt es in der Zeitschrift srilankischer Berufsverbände.

Der NPC könnte zur Ausnahme werden, ist er der einzige von der Opposition dominierte Rat. "Für die Tamilen ist er von besonderer Bedeutung, da durch ihn die 13. Verfassungsänderung vollständig umgesetzt ist", meint Abraham Sumanthiran, ein TNA-Abgeordneter.

Sri Lankas Provinzräte verdanken ihre Existenz dem indisch-srilankischen Abkommen von 1987, das zur 13. Verfassungsänderung führte, in der sie vorgesehen sind. Während sie sich in sieben srilankischen Provinzen etablieren konnten, war dem Rat der aus dem Norden und Nordosten zusammengesetzten Nordprovinz nur ein kurzes Dasein beschieden.

Die TNA-Führer haben derweil bekannt gegeben, sich für eine umfangreiche Dezentralisierung der Machtbefugnisse wie Landkontrolle und Polizei einzusetzen. Obwohl in der 13. Verfassungsänderung festgeschrieben, hat die Zentralregierung diese Befugnisse nie abgegeben. Und Staatspräsident Mahinda Rajapaksa hat bereits durchblicken lassen, dass dies auch nicht in naher Zukunft der Fall sein werde.

"Die Sicherheit und Landrechte müssen angesichts der delikaten politischen Verhältnisse bei der Zentralregierung bleiben", meinte auch der unterlegene Regierungskandidat Sinnathurai Thavarajah.

Der neue Rat wird in seinen Befugnissen zudem vom Büro des Gouverneurs beschnitten. Vom Präsidenten ernannt ist der Gouverneur der einzige Regierungsvertreter mit Exekutivvollmachten. Er kann seine Interessen von den Ratsministern vertreten lassen, diese aber auch umgehen, indem er ihm unterstehende Beamte zu seinen Handlangern macht.

Ohne die Zustimmung des Gouverneurs ist der Rat nicht beschlussfähig, wie Kumaravadivel Guruparan, Dozent an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität von Jaffna, erläutert. "Der neue Chefminister hat keine bedeutenden administrativen Befugnisse, die ihn befähigen würden, Ansiedlungs- oder Wohlfahrtsprogramme anzuordnen. Ebenso wenig kann er die Provinzbehörden delegieren. Sie sind rechtlich gesehen dem Gouverneur unterstellt."

Ferner darf davon ausgegangen werden, dass eine Überschreitung der TNA-Befugnisse auf den Widerstand Indiens stoßen wird, wo im kommenden Jahr Wahlen stattfinden. Jeder Kompromiss in dieser Frage werde dort als Schwäche aufgefasst, erläutert Ramani Hariharan, ein ehemaliger Geheimdienstler bei der Indischen Friedenstruppe (IPKF) in Sri Lanka. Die IPKF war zwischen 1987 und 1991 in Sri Lanka stationiert.

Da eine weitere Verfassungsänderung nicht notwendigerweise eine Verbesserung der Rechte der srilankischen Tamilen nach sich ziehen würde, sollte nach Ansicht von Hariharan jede Dezentralisierung, die den Rahmen der 13. Verfassungsänderung sprengt, unterbleiben.


Nordprovinz arm

Sudhaharan ist darüber hinaus wenig zuversichtlich, dass die TNA mit der Forderung nach einer weiter reichenden Dezentralisierung durchkommen würde. Er vertritt die Ansicht, dass sie ohnehin zweitrangig sei. Zuerst müssten sich die Lebensbedingungen in der Provinz verbessern, fordert er. Die Nordprovinz gehört auch nach vier Jahren Frieden und Entwicklungsprojekten im Wert von mehr als drei Milliarden Dollar zu den ärmsten des Landes.

Eine Untersuchung des Sri Lanka-Büros des UN-Flüchtlingshilfswerks fand im Juli heraus, dass 40 Prozent von 917 in den fünf Provinzbezirken untersuchten Haushalte über ein Monatseinkommen von gerade einmal 9.010 Rupien (70 Dollar) verfügen. Das ist ein Viertel des durchschnittlichen monatlichen Nationaleinkommens von 36.000 Rupien (275 Dollar).

"Selbst mit seinen bescheidenen finanziellen Mitteln kann der NPC eine Menge für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, für gute Regierungsführung und den Aufbau von Institutionen zur Förderung der Chancengleichheit tun", ist Muttukrishna Sarvananthan, Leiter der Entwicklungsbehörde 'Point Pedro Institute of Development' mit Sitz in Jaffna, überzeugt. Zusammen hatten die Räte 2012 von der Regierung 1,1 Milliarden Dollar erhalten.

TNA-Anhänger wie Rajavarotiam Sampanthan wollen zudem Gelder von im Ausland lebenden Tamilen auftreiben. Doch selbst für den Fall, dass ihnen dies gelingen würde, ist unklar, wie die TNA dieses Geld an der Zentralregierung vorbei investieren will, die alle Entwicklungs- und Wiederaufbauarbeiten von einer 2009 etablierten präsidialen Sonder-Arbeitsgruppe prüfen lässt.

Die Menschen in der Provinz erhoffen sich vom Rat in erster Linie eine Verbesserung ihrer Einkommensmöglichkeiten in neuen und traditionellen Betätigungsfeldern wie der Landwirtschaft. "Wir haben so lange gelitten und so wenig bekommen", meint dazu Janoshini Kadrigamapillai, eine junge Frau aus Kilinochchi. "Lasst uns zuerst einmal dafür sorgen, dass es den Menschen besser geht. Dann können wir über andere Dinge wie die Dezentralisierung sprechen. Wir haben uns ein besseres Leben verdient." (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/10/tamils-get-some-symbolic-power/

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IPS-Tagesdienst vom 17. Oktober 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2013