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ASIEN/870: Pakistan - Blockadeaktion gegen US-Drohnen lähmt regulären Handel (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Dezember 2013

Pakistan: NATO im Visier, doch Afghanen getroffen - Blockadeaktion gegen US-Drohnen lähmt regulären Handel

von Ashfaq Yusufzai


Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Mitglieder der 'Pakistan Tehreek Insaf' (PTI) stoppen Lkws in Richtung Afghanistan
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, 3. Dezember (IPS) - Die Provinzregierung von Khyber Pakhtunkhwa unter Führung des ehemaligen Kricketstars Imran Khan blockiert aus Protest gegen den Einsatz US-amerikanischer Drohnen auf pakistanischem Territorium die Route für den Nachschub der in Afghanistan stationierten NATO-Soldaten. Doch die Maßnahme trifft vor allem die afghanische Bevölkerung und den regulären Handel zwischen beiden Ländern, warnen Händler und Lastwagenfahrer.

"Der Protest der 'Pakistan Tehreek Insaf'-Partei (PTI) hat der NATO nicht geschadet, wohl aber den lokalen Händlern und normalen Afghanen auf der anderen Seite der Grenze", berichtet Naseem Shinwari, Vorsitzender des Verbands der pakistanischen Lastwagenfahrer. So seien die Nahrungsmitteltransporte durch Khyber Pakhtunkhwa nach Afghanistan zum Erliegen gekommen.

Am 23. November hatte der PTI-Parteivorsitzende Imran Khan die Blockadeaktion als Maßnahme gegen die US-Drohnenanschläge zur Terrorbekämpfung angekündigt, die auch regelmäßig Zivilisten das Leben kosten. Durch Khyber Pakhtunkhwa verläuft eine der beiden NATO-Nachschubrouten zur Versorgung von 100.000 Soldaten. Der zweite Weg führt durch Belutschistan.


NATO-Nachschub jetzt vorwiegend durch Belutschistan

Shinwari zufolge passieren täglich nur noch 500 NATO-Transporter die pakistanische Grenze nach Afghanistan. 400 wählten den Weg durch Belutschistan. "Jeden Monat überqueren 10.000 bis 12.000 Laster Khyber Pakhtunkhwa und die Agentur (Verwaltungsbezirk) Khyber in Richtung Afghanistan. Sie sind mit Gütern für die Lokalmärkte beladen. Zudem transportieren sie die im Rahmen des Afghanischen Transithandelsabkommens (ATTA) zugelassenen Erzeugnisse."

Die Protestblockade hat jedoch dazu geführt, dass 50.000 Fahrer, Gehilfen und Packer plötzlich um ihre Einnahmen gebracht werden. Wie Muhammad Rafi, ein lokaler Fahrer, berichtet, war er am 24. November von PTI-Anhängern in Hayatabad, einer Vorstadt von Peshawar, an der Weiterfahrt gehindert worden, obwohl er Dokumente vorlegen konnte, aus denen eindeutig hervorgeht, dass seine Lkw-Ladung nicht für die NATO-Truppen bestimmt war. "Ich verdiene mit meinen Fahrten nach Afghanistan und zurück monatlich 200 US-Dollar", berichtet er. "Doch im November wurde ich aufgrund der Blockade nur für 20 Tage bezahlt."

PTI-Aktivisten sind an allen fünf Transitpunkten - Peshawar, Nowshera, Khairabad, Swabi und Dera Ismail Khan - im Einsatz. Im Rahmen von ATTA dürfen über 20 verschiedene Warenposten nach Afghanistan über Pakistan eingeführt werden. Diese werden im Seehafen Karachi aufgeladen und von dort aus in verschiedene afghanische Städte transportiert.

Jamal Khan Afridi, ein für die NATO-Transporte zuständiger Zollbeamte, befürchtet den Ausbruch einer Krise. Wie er berichtet, sind bereits 20.000 Laster mit ihren Lieferungen im Verzug. Etwa 5.000 NATO-Transporter waren von den Taliban in den vergangenen fünf Jahren zerstört worden. "Jetzt sind es die PTI-Arbeiter, die uns blockieren", kritisiert er.

Shamsur Rehman beliefert mit seinen fünf Lastern die NATO-Soldaten in Afghanistan. "Die PTI hindert mit einer Absperrung aus Stacheldraht die Fahrzeuge an der Weiterfahrt", sagt er. "Es kommt zu Zusammenstößen zwischen Fahrern und Demonstranten."

Der für den Bezirk Peshawar zuständige PTI-Führer Younas Zaheer Mohmand hingegen betont, dass ausschließlich NATO-Fahrzeuge angehalten werden. Alle anderen würden durchgewunken. "In vier Tagen haben wir lediglich zwei Dutzend Lkws gestoppt, 200 kommerzielle Lieferungen werden täglich durchgelassen", versichert er. "Wieso sollten wir die Güter für unsere afghanischen Brüder festhalten?"


Mindestens 3.000 Container auf Halde

Doch die Händler erzählen eine andere Version der Geschichte. "Mehr als 3.000 Container sind liegengeblieben und warten darauf, von Kabul nach Peshawar transportiert zu werden. Dort kommt es ebenfalls zu Zusammenstößen mit den aufgebrachten Fahrern", berichtet Zahidullah Shinwari, Vorsitzender der Industrie- und Handelskammer von Khyber Pakhtunkhwa.

Wie er weiter berichtet, ist Pakistan unter ATTA dazu verpflichtet, die Durchfahrt von Lastwagen mit Waren für die afghanischen Märkte zu gewährleisten. Das landeingeschlossene Afghanistan verfügt über keinen eigenen Seehafen.

Shinawari befürchtet, dass ein fortgesetzter Protest zu einem Mangel auf den afghanischen Märkten führen wird. Doch eine schnelle Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Wie Ishtiaq Urmer, PTI-Sprecher in Khyber Pakhtunkhwa, kürzlich erklärte, wird die Blockade solange fortgesetzt, bis die USA ihre Drohnenanschläge einstellen. "Die USA haben kein Recht, unschuldige Menschen zu töten", erklärte er. "Die Drohnenattacken verstoßen gegen internationales Recht." (Ende/IPS/kb/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/11/aiming-nato-hitting-afghans/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2013