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ASIEN/951: Sri Lanka - Neue Regierung will Wiederansiedlung von Kriegsflüchtlingen höchste Priorität einräumen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. August 2015

Sri Lanka:
Warten auf die Rückkehr - Neue Regierung will Wiederansiedlung von Kriegsflüchtlingen höchste Priorität einräumen

von Amantha Perera



Bild: © Amantha Perera/IPS

Seit sechs Jahren herrscht Frieden, doch für mehrere zehntausend Vertriebenen ist eine Heimkehr noch nicht in Sicht
Bild: © Amantha Perera/IPS

JAFFNA, SRI LANKA (IPS) - Nach den Parlamentswahlen am 17. August und sechs Jahren Frieden steht die künftige Regierung von Staatspräsident Maithripala Sirisena unter wachsendem Druck, die Wiederansiedlung von mindestens 50.000 Binnenflüchtlingen voranzubringen.

Die Vertriebenen, die zum Teil seit zwei Jahrzehnten fern der Heimat leben, wollen endlich nach Hause zurückkehren. Obwohl die 28 Jahre währenden Kampfhandlungen zwischen den Regierungstruppen und den separatistischen 'Befreiungstigern von Tamil Eelam' (LTTE) 2009 beendet wurden, wartet Siva Ariyarathnam darauf, dass ihm ein Regierungsvertreter einen konkreten Termin für seine Rückkehr in die alte Heimat nennt.

Zusammen mit seiner Familie hatte er in den 1990er Jahren sein Land in der Northern Province verlassen, nachdem es von Militärs als Strategie zur Bekämpfung der Rebellen beschlagnahmt worden war. Die LTTE hatte sich 1983 erhoben, um für einen unabhängigen Tamilenstaat zu kämpfen.

Die scheidende Regierung hat versprochen, den Vertriebenen ihr Land zurückzugeben. Ein konkreter Zeitplan liegt jedoch nicht vor, wie Ariyarathnam beklagte. "Wissen Sie, wie es sich anfühlt, so lange schon in den Häusern anderer Menschen zu leben? Man fühlt sich wie ein Fremdkörper", erläuterte er im Gespräch mit IPS. "Ich werde alt und möchte wieder mit meiner Familie unter einem Dach leben. Ich möchte in meinem eigenen Haus sterben."

Wie Ariyarathnam ist es vielen Menschen aus dem ehemaligen Konfliktgebiet ergangen, das die Region Vanni, die Halbinsel Jaffna und Teile der Ostprovinz umschließt und von der LTTE seit den Unruhen 1983, die tausende Tamilen aus dem von Singalesen dominierten Süden trieb, als De-facto-Staat geführt wurde.

In den Kriegsjahren waren Vertreibungen durch Regierungstruppen und Rebellen an der Tagesordnung. Die Kosten des Konflikts, der im Mai 2009 mit dem militärischen Sieg der srilankischen Armee über die LTTE zu Ende ging, waren gewaltig: Konservativen Schätzungen zufolge starben insgesamt 100.000 Menschen. Einem Bericht der Vereinten Nationen zufolge wurden allein in der Endphase des Krieges 2008 und 2009 40.000 Zivilisten getötet.


Fast 800.000 Vertriebene bisher heimgekehrt

Nach Angaben des Ministeriums für Wiederansiedlung konnten bis Ende Juni des laufenden Jahres stolze 796.081 Vertriebene in die Heimat zurückkehren. Gleichzeitig wies die Behörde darauf hin, dass noch weitere 50.000 Binnenflüchtlinge in Gastfamilien und dem Thellippali-Flüchtlingszentrum ausharren müssen, weil ihre Dörfer noch immer unter Militärkontrolle stünden. Diese militarisierten Zonen gehen auf die 1990er Jahre zurück, als die Armee Landenteignungen als Strategie durchführte, um die stetig vorrückende LTTE aufzuhalten.

Bis 2009 hatte das Militär in der Tamilenhochburg Jaffna an der Nordspitze des Inselstaates rund 300 Kilometer von der Hauptstadt Colombo entfernt 4.700 Hektar Land konfisziert und zur Palaly-Hochsicherheitszone (HSZ) erklärt. Dort befand sich auch die Parzelle von Ariyarathnam und seiner Familie.

Viele Vertriebene hatten gehofft, nach Kriegsende zügig zurückkehren zu können, doch ließ sich die Regierung des ehemaligen Staatspräsidenten Mahinda Rajapaksa sehr viel Zeit, um die konfiszierten Gebiete wieder freizugeben. Stattdessen wurden der nationalen Sicherheit und der Verstärkung der Truppen im Norden Vorrang gegeben.

Eine neue Regierung unter Führung von Maithripala Sirisena, Rajapaksas ehemaligem Gesundheitsminister, der im Januar überraschend die Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, versprach die Beschleunigung der Landrückgabe. Tatsächlich wurde im April ein über 400 Hektar großes Areal in der Palaly HSZ zurückgegeben. Doch wie hohe Regierungsvertreter gegenüber IPS erklärten, werden die staatlichen Bemühungen durch den Mangel an öffentlichem Land erschwert, auf das die Militärlager umziehen könnten.

"Die Rückkehr der Binnenflüchtlinge steht für uns an oberster Stelle", versicherte Ranjini Nadarajapillai, Staatssekretärin im Ministerium für Wiederansiedlung. "Bis zum jetzigen Zeitpunkt gibt es aber keinen Zeitplan. Alles hängt von den Fortschritten bei der Auflösung der Hochsicherheitszonen ab."

Die schleppende Landreform halte die Vertriebenen in Armut, warnte das 'Internal Displacement Monitoring Centre' (IDMC). Der Arm des norwegischen Flüchtlingsrats mit Sitz in Oslo führt die extrem hohen Armutsraten unter den Vertriebenen auf den mangelnden Zugang zu landwirtschaftlich nutzbarem Land und fehlende Entschädigungszahlungen für den Verlust oder die Zerstörung der für Sicherheits- oder Wirtschaftszonen bestimmten Gebiete während des Krieges zurück.

Ein im Juli vom IDMC verbreiteter Bericht gibt die Zahl der verbliebenen srilankischen Binnenflüchtlinge mit 73.700 an. Die meisten leben in Gastfamilien, während 4.700 in einem Wohlfahrtszentrum in Jaffna, der Hauptstadt der Northern Province, ausharren. Auch die Strategien der ehemaligen Rajapaksa-Regierung, dem Infrastrukturaufbau den Vorrang vor der wirtschaftlichen Entwicklung des Nordens zu geben, haben dem Report zufolge die schwierige Lage der Vertriebenen weiter verschärft. Die Wiederansiedlungsbemühungen der seit Januar amtierenden Sirisena-Regierung wurden ferner durch die achtmonatige Vorbereitung der Parlamentswahlen behindert.


Internationale Hilfe

Wie Nadarajapillai vom Ministerium für Wiederansiedlung erklärte, wird sich die neue Regierung um Hilfe an die internationale Hilfsorganisationen und Geber wenden. Das Büro des UN-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) hilft der Regierung bei der Vorbereitung eines Plans zur Lösung der Vertriebenenkrise, fügte die UNHCR-Vertreterin Dushanthi Fernando in Colombo hinzu.

Doch auf Betroffene wie Ariyarathnam, die bereits das dritte Jahrzehnt ihrer Heimatlosigkeit erleben, machen die vagen Zusicherungen wenig Eindruck. Sie wollen einen Termin für ihre Rückkehr wissen. (Ende/IPS/kb/31.08.2015)


Link:
http://www.ipsnews.net/2015/08/will-new-sri-lankan-government-prioritize-resettlement-of-war-displaced/

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IPS-Tagesdienst vom 31. August 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2015

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