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ASIEN/979: Vietnam will mit Korruption aufräumen (Gerhard Feldbauer)


Vietnam will mit Korruption aufräumen

Prozess gegen 22 hochrangige Manager staatlicher Erdölkonzerne

von Gerhard Feldbauer, 6. Januar 2018


Laut der Nachrichtenagentur Vietnam News Agency (VNA) beginnt am Montag in Hanoi vor dem Obersten Gericht der Sozialistischen Republik Vietnam (SRV) ein Korruptionsprozess gegen 22 hochrangige frühere Manager staatlicher Unternehmen. Sie werden beschuldigt, schwerste Wirtschaftsverbrechen begangen, Bestechungsgelder in Millionenhöhe kassiert sowie umgerechnet Hunderte Millionen Euro veruntreut zu haben. Zu den Hauptangeklagten gehört ein Trinh Xuan Thanh, früherer Vorstandsvorsitzender des Baukonzerns Petro Vietnam Construction (PVC), einer Tochtergesellschaft des größten staatlichen Erdölkonzerns Petro Vietnam. Laut des Nachrichtenportals VN-Express wird er beschuldigt, u. a. für den Verkauf von Bauprojekten unter Wert rund 500.000 Euro Schmiergelder kassiert und dabei über 100 Millionen Euro des Unternehmens veruntreut zu haben. Angeklagt wird auch der frühere Chef der Petro Vietnam, Dinh La Thang, der Sekretär der Parteiorganisation der Kommunistischen Partei (KPV) von Saigon und Mitglied des Politbüros der KPV, der höchsten Machtinstitution des Landes, war. Er wird u. a. beschuldigt 20 Prozent des Kapitals des Unternehmens als Beteiligung der privaten Ocean Bank überwiesen zu haben, was Verluste des Konzerns von 88 Millionen Dollar verursachte habe.

Der Prozess in Hanoi erregt internationales Aufsehen, weil der 2016 vor seiner Verhaftung nach Deutschland geflohene Trinh Xuan Thanh, wo er politisches Asyl beantragte, laut dem Auswärtigen Amt durch den Geheimdienst der SRV am 23. Juli 2017 entführt und nach Vietnam zurückgebracht worden sei. Ein Auslieferungsersuchen der SRV hatten die deutschen Behörden ignoriert. Laut dem Vietnamesischen Fernsehen VTV vom 3. August 2017 kehrte Thanh freiwillig nach Hanoi zurück und gestand im dem Fernsehauftritt seine Vergehen ein. Er sei aus freien Stücken zurückgekehrt, um sich seiner Verantwortung zu stellen. Vor Beginn des Prozesses ließ Thanh nun am Freitag, wie dpa aus Hanoi meldete, durch seinen Vater erklären, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft nicht zuträfen.

Die Bundesregierung ließ den Chef des Geheimdienstes an der SRV-Botschaft und einen weiteren Diplomaten zur persona non grata, zur unerwünschten Person, erklären, die binnen 48 Stunden das Land verlassen mussten. Außenminister Gabriel fühlte sich persönlich bemüßigt, zu äußern: Die ganze Geschichte erinnere ihn an "finstere Filme aus dem Kalten Krieg". Zwei Gesichtspunkte heben sachkundige Beobachter hier hervor: Die Bundesanwaltschaft nimmt sonst keinen Anstoß daran, dass beispielsweise die CIA die Bundesrepublik als Spielwiese von Operationen benutzt oder der türkische Geheimdienst ungestört sein Unwesen treiben kann, was natürlich gegen internationales Recht wie auch das Grundgesetz verstößt. Im Fall des sozialistischen Vietnams werden die Behauptungen zum Anlass genommen, wegen des Verdachts geheimdienstlicher Agententätigkeit und der Freiheitsberaubung Ermittlungen aufzunehmen. Wer sich nur etwas in der professionellen Arbeit des vietnamesischen Geheimdienstes während des Kampfes zur Befreiung Südvietnams wie später bei der Abwehr unzähliger Angriffe zur Herbeiführung eines "Regime-Change" auskennt, werde ernsthaft bezweifeln, dass er eine derart dilettantische Entführung durchgeführt haben soll. Dazu nur soviel: Vietnam weist die Vorwürfe zurück. Auch die anmaßende Forderung aus Berlin, der Prozess müsse von internationalen Beobachtern überwacht werden, hat Hanoi zurückgewiesen.

Ob die Wirtschaft bei der angekündigten Unterbrechung der als "strategische Partnerschaft" vereinbarten vielseitigen Zusammenarbeit mitziehen wird, ist fraglich. Die BRD war 2016 mit einem Handelsvolumen von acht Milliarden Euro wichtigster EU-Partner Vietnams.

Es ist nicht der erste Korruptionsskandal bei Petro Vietnam. In früheren Prozessen gegen 51 Industrie- und Bank-Manager erhielt nur der vorherige Chef, Nguyen Xuan Son, wegen millionenschwerer Unterschlagungen ein Todesurteil (das noch nicht vollstreckt wurde). Der in dubiose Geschäfte verwickelte Chef der Ocean Bank, Ha Van Tham, wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Mit dem jetzigen Prozess will die vietnamesische Führung offensichtlich den Durchbruch im Kampf gegen die seit Jahren die sozialistische Entwicklung immer stärker belastende Korruption großen Ausmaßes erreichen. KPV-Generalsekretär Nguyen Phu Trong hat den Kampf dagegen sozusagen zur Chefsache erklärt. Es wurde eine Kommission des Zentralkomitees geschaffen, die den Kampf überwachen soll. Auf einer Tagung des Zentralkomitees im Juli 2017 zum Thema erklärte Trong: "Niemand steht über dem Gesetz, und niemand, der in Korruption verwickelt ist, wird verschont werden". Er forderte, gegen Korruption "energischer und effizienter" vorzugehen und die Mitglieder gegen die Ausbreitung von Korruption zu sensibilisieren, um sie einzudämmen.

Anmerkung:

Aufschlussreiche Hintergrundinformationen enthält die Ausgabe 2/2017 des "Kurier Vietnam" der Freundfreundschafts BRD-Vietnam, in der vier Beiträge sich mit dem Thema befassen:

- Kriminalität & Korruption,
- Kampf gegen Korruption,
- SRV & BRD,
- Von der Mücke und dem Elefanten.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Januar 2018

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