Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

ITALIEN/030: Parlamentsneuwahlen - Wird der Professor wieder in den Palazzo einziehen? (Gerhard Feldbauer)


Parlamentsneuwahlen in Italien
Wird der Professor wieder in den Palazzo einziehen?

Von Gerhard Feldbauer, 26. Dezember 2012



Nach der seit Wochen schwelenden Regierungskrise ist der seit dem Sturz des Mediendiktators Berlusconi im November 2011 amtierende Übergangspremier, der Wirtschaftsprofessor Mario Monti, am vergangenen Wochenende zurückgetreten. Die Krise hatte Berlusconi ausgelöst, dessen Volksfreiheitspartei (PdL) Monti im Parlament ihre Unterstützung entzog, so dass er danach keine Mehrheit mehr besaß. Staatspräsident Giorgio Napolitano löste beide Kammern des Parlaments auf und schrieb für 24./25. Februar Neuwahlen aus.

Das Mitte Links-Bündnis aus der sozialdemokratisch orientierten Demokratischen Partei (DP), der Linkspartei Umwelt und Freiheit (SEL) und der Partei der Kommunisten Italiens (PdCI) tritt mit dem DP-Vorsitzenden Luigi Bersani als Spitzenkandidat zur Wahl an. Die zweite KP, Rifondazione Comunista (PRC) bildet zusammen mit der Wertepartei (IdV) ein zweites Mitte Links-Bündnis. Das rechte Lager ist zerstritten und verfügt vor allem durch die einstige Teilnahme an den faschistoiden Regierungen des Mediendiktators über keine einigermaßen ansprechende Führerpersönlichkeit.

So kam man in Berlin und Brüssel frühzeitig auf die Idee, den früheren EU-Kommissionskommissar Monti aufzufordern, als Spitzenkandidat gegen Mitte Links anzutreten. Als treibende Kraft agierte die deutsch-europäische Kanzlerin Merkel, die offen forderte, Monti müsse auch nach den Wahlen im Amt bleiben. Er wird als der zuverlässigste Garant der Durchsetzung des EU-Spar-Kurses und der weiteren Abwälzung der Krisenlasten auf die arbeitenden Menschen gesehen. In Fortsetzung des Sozialabbaus unter Berlusconi, der bereits ein Sparpaket von rund 100 Mrd. Euro verabschiedete, hat Monti bis 2014 bereits weitere 26 Mrd. Euro an Einsparungen vor allem bei Sozialleistungen angekündigt. Er hält ebenso am gewerkschaftsfeindlichen Kurs der Einschränkung von Arbeiterrechten fest. Die Staatsverschuldung, die bei seinem Amtsantritt bei 118 Prozent des BIP lag, ist auf 120 Prozent gestiegen und hat zwei Billionen Euro überschritten.

Montezemolo und Marchione für Monti

Es gibt bisher kaum Beispiele für eine derart offene Regie führender Kapitalkreise wie zu den bevorstehenden Wahlen in Italien. Zunächst lancierte die Nachrichtenagentur ANSA, dass Monti zur Wiederwahl auf einer eigenen Liste kandidieren werde. Als Senator auf Lebenszeit müsste dieser dazu dieses hohe Amt niederlegen, weshalb er postwendend erklärte, er werde sich nicht direkt bewerben, aber den Parteien nach der Wahl zur Verfügung stehen. Als Voraussetzung einer neuen Amtszeit nannte Monti die volle Unterstützung seiner rigiden in Reformen verkleideten Sparpolitik und wandte sich direkt gegen das Festhalten am Kündigungsschutz der größten und der DP nahestehenden Gewerkschaft CGIL. Wohlwollend nahm der noch amtierende Premier die ihm angekündigte Unterstützung seitens führender Repräsentanten des Kapitals entgegen, darunter des Fiat-Erben und Ferrari-Chefs Cordero di Montezemolo, des Präsidenten des Fiat-Auto-Konzerns, Sergio Marchione (der der CGIL in allen Fiat-Betrieben jede Tätigkeit verboten hat), und der Stahlunternehmerin und vorherigen Präsidentin des Industriellenverbandes Confindustria, Emma Marcegaglia. Die genannten sind bereits als Mitglieder einer künftigen Regierung Monti im Gespräch. Der Professor wird ferner von dem früheren Führer der AN-Faschisten Gianfranco Fini unterstützt, der mit Montezemolo im Hintergrund mit seinen vorherigen AN-Anhängern im Januar 2011 eine neue Partei Zukunft und Freiheit (FeL) gründete, und dem Vorsitzenden der Union Demokratischer Christen (UDC), Pierferdinando Casini, wie Fini ein langjähriger Koalitionspartner Berlusconis. Dass Monti gleichzeitig jede Unterstützung Berlusconi oder irgendeine Kooperation mit ihm zurückwies, bestätigt ein weiteres Mal, dass der Mediendiktator, der mit seiner PdL ebenfalls zur Wahl antreten will, vom Kapital endgültig abgeschrieben ist. Obwohl offiziell kein Spitzenkandidat agiert Monti inzwischen jedoch wie der Chef des Wahlbündnisses und führt am Donnerstag bereits Gespräche mit den vorgesehenen Koalitionspartnern. Das illustre Bündnis für Monti nennt sich Zentrumskoalition und behauptet, an frühere Traditionen rechter Zentrumspolitik der Democrazia Cristiana anzuknüpfen.

Hinter den Kulissen finden bereits weitere Postenschacher statt. Gespräche Montis mit Luigi Bersani ließen Beobachter vermuten, dass der Premier bereits an die Zeit denkt, da Mitte Links gewinnen könnte oder auch eine Große Koalition gebildet werden müsste. In Rom war davon die Rede, in einem solchen Fall könnte Bersani Regierungschef werden und Monti bei der im Mai anstehenden Neuwahl des Staatspräsidenten für das höchste Staatsamt kandidieren.

*

Quelle:
© 2012 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Dezember 2012