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EUROPA/713: Neue Spaltung bei Rifondazione Comunista (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 7 vom 13. Februar 2009
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Neue Spaltung bei Rifondazione Comunista
Revisionisten wollen Partei Die Linke gründen

Von Gerhard Feldbauer


Auf dem Kongress der Kommunistischen Neugründungspartei (PRC) im Juli 2008 erlitt die revisionistische Fraktion unter dem früheren Sekretär Fausto Bertinotti und Nicola (Nichi) Vendola eine Niederlage. Zum neuen Sekretär wurde Paolo Ferrero, ein früherer Stahlarbeiter bei FIAT gewählt (UZ, 24. 10. 08). Der neue Sekretär lud Vendola ein, in der neuen Leitung mitzuarbeiten und die Einheit der Partei zu wahren. Vendola lehnte ab und beharrte auf der Umwandlung bzw. dem Aufgehen des PRC in einer Linkspartei, drohte anderenfalls mit der Abspaltung seiner Fraktion und kündigte die Bildung einer "Rifondazione per la Sinistra" (Neugründung für Die Linke) an. (Liberazione, 30.7.08).

Zunächst lavierte Vendola jedoch und interpretierte seine Konzeption als Herstellung eines breiten Linksbündnisses. Es gehe "um keine Spaltung, sondern vielmehr um eine Erweiterung" der linken Basis. Das Linksbündnis sollte als gemeinsame Plattform für die EU-Wahlen im Juni 2009 verwirklicht werden. Damit sollte die im Politischen Dokument des Parteitages als eine der wichtigsten Lehren aus der Wahlniederlage 2008 festgelegte Linie, dass die Kommunisten allein und unter Hammer und Sichel zur EU-Wahl antreten ausgehebelt werden. Vendola forderte, einen Sonderparteitag einzuberufen. Wie im Wahlkampf 2008 von Bertinotti praktiziert, wollte er eine solche Wahlkoalition erneut als faktische Geburt der "neuen Linken" kreieren, die grundsätzlichen Fragen der Strategie des PRC neu aufwerfen und versuchen, die Mehrheitsverhältnisse zu seinen Gunsten zu verändern. Die Nationale Leitung folgte jedoch Ferrero und lehnte einen Sonderparteitag ab. Nachdem Bertinotti/Vendola mit ihren Manövern nicht zum Ziel kamen, ließen sie die Maske fallen und schritten, entgegen ihren vorherigen Beteuerungen, keine Spaltung zu wollen, zum Bruch mit dem PRC. Bertinotti teilte am 9. Januar mit, "ich erkenne den PRC nicht mehr an", Vendola am 21. Januar, "ich verlasse den PRC", den er als eine "entartete Gemeinschaft" beschimpfte. "Die Linke" soll mit Grünen und Linksdemokraten auf einem Kongress im Juli 2009 gegründet werden. Da der PRC zur Zeit einen Umtausch der Mitgliedskarten durchführt, dürfte die Trennung an der Basis vor allem dadurch erfolgen, dass die Anhänger Vendolas ihre PRC-Mitgliedschaft nicht erneuern ("Liberazione", 10., 22. u. 25.1.09).


PRC bleibt stärkste kommunistische Kraft

Wenn es in etwa bei der Kräftekonstellation auf dem Parteitag im Juli 2008 bleibt, dürften etwa 30 000 bis 40 000 der derzeit zirka 90 000 Mitglieder Bertinotti/Vendola folgen. Der PRC bliebe mit wahrscheinlich wenigstens noch gut 50.000 oder auch mehr Mitgliedern trotz der Verluste die zahlenmäßig stärkste und auch einflussreichste kommunistische Kraft. Er steht vor der wichtigsten politisch-ideologischen Aufgabe, seine kommunistische Identität zu stärken und zur Basis einer Sammlungsbewegung der verschiedenen kommunistischen Kräfte zu Herstellung ihrer Einheit zu werden, wozu mehr als hundert kommunistische Persönlichkeiten, unter ihnen der führende kommunistische Philosoph und Mitglied der marxistisch-leninistischen Strömung um die Zeitschrift "Ernesto", Domenico Losurdo, aufgerufen haben.

Die Situation ist von Schwierigkeiten gekennzeichnet, wie sie wohl in der Geschichte der kommunistischen Bewegung des Landes noch nie existierten. Der Revisionismus Bertinottis hat dazu geführt, dass 2006 aus Protest gegen die erneute Regierungsbeteiligung nochmals etwa 10 000 Mitglieder die Partei verließen und eigene Organisationen bildeten, darunter die Kommunistische Arbeiterpartei (Partito Comunista dei Lavoratori, - PCL) und die Kritische Linke (Sinistra Critica - SC). Ihre nicht unbeträchtliche Basis verdeutlichten die Ergebnisse, die sie im Alleingang bei den Wahlen 2008 erreichten: PCL 0,5 und SC 0,4 Prozent, zusammen annähernd 300 000 Wähler. Es waren Stimmen, die dem PRC fehlten, um die Regenbogenlinke über die VierProzent-Hürde zu bringen. Im PRC selbst bestehen neben Ferreros eigener Mehrheitsfraktion die Gruppen "Ernesto", "Essere Comunisti" und die kleine trotzkistisch beeinflusste "Falce e Martello".


Auseinandersetzungmit Opportunismus

Entscheidend wird sein, dass Ferrero den Effekt der Niederlage des Projekts Bertinottis/Vendolas nutzt und die Auseinandersetzung mit dem Opportunismus beginnt. Im Kampf um die politische Linie der Partei trieb er schlimmste antikommunistische Blüten. Die neue Mitgliedskarte des Kommunistischen Jugendverbandes zeigt ein Bild vom Fall der Berliner Mauer, zu dem die "Liberazione" schrieb: Er "hat auch uns Kommunisten befreit". Im übelsten Stil, den man sonst nur von den rechten Medien kennt, wurde dann der Sieg der Konterrevolution, unter anderem in der DDR, begrüßt, die Befreiung von der "Tyrannei der Einheitsparteien, der Staatsgewerkschaften, der Prawda, der Bürokratie und der Stasi" gefeiert (18. Dez.). Das offenbart, dass sich im PRC unter Bertinotti nie mit den Ursachen der Niederlage des Sozialismus in Europa 1989/90 auseinandergesetzt wurde, keine Analyse der Komplexität des Sozialismus in seiner historischen Rolle, zum Beispiel als Friedensfaktor, seiner Erfolge und Stärken, seiner Schwächen und Defizite erfolgte. Domenico Losurdo schätzte ein, Bertinotti war "nie Kommunist", habe zur kommunistischen Bewegung "nie eine ausbalancierte Bewertung vorgenommen", unternehme nach der Auflösung der IKP 1991 jetzt "den zweiten Versuch, die Kommunistische Partei abzuschaffen" (jW 19./20.04.08).

In der Auswertung des Parteitages agierte die "Liberazione" oft mehr als Sprachrohr der Revisionisten denn der revolutionären Fraktionen. Damit im Zusammenhang dürfte stehen, dass Fererro an Stelle des bisherigen Direktors (unserer Funktion des Chefredakteurs entsprechend), Piero Sansonetti, mit Dino Greco einen angesehenen Vertreter der Gewerkschaftslinken an die Spitze des Parteiblattes berief, der den Fragen des sozialen Kampfes hohe Priorität einräumt. Bertinotti protestierte persönlich gegen die Ablösung Sansonettis. Der neue Direktor muss auch die Existenz des Blattes sichern, das nach der Wahlniederlage fast die Hälfte seiner einst gut 100.000 Abonnenten verloren hat. Hinzu kommt, dass Berlusconi ihm wie auch "Manifesto" als genossenschaftlichen Medien die staatlichen Subventionen (2006 noch 3,7 Millionen Euro) entzogen hat. Das trug zu jetzt 3,5 Millionen Schulden bei. Es ist bereits vom Verkauf der Zeitung die Rede.

Viel wird schließlich davon abhängen, ob es Ferrero gelingt, zur Verwirklichung des vom Parteitag beschlossenen revolutionären linken Programms die Basis zu mobilisieren. Dazu müsste er sich vor allem auf die "Ernesto"-Gruppe stützen. Sie dürfte jetzt zwischen 16 bis 20 Prozent der im PRC verbleibenden Mitglieder repräsentieren und ihr Einfluss ist im Wachsen.

Dann kommt es, wie das Leitungsmitglied, der Philosophieprofessor Alberto Burgio, betonte, darauf an, "auf das Terrain der Arbeit und des sozialen Konflikts zurückzukehren". (Interview für jW, 19.1.). Massendemonstrationen mit Hunderttausenden Teilnehmern, ein Generalstreik und zahlreiche weitere Arbeitsniederlegungen im vergangenen Oktober waren hoffnungsvolle Zeichen dafür, dass dieser Weg eingeschlagen und, wie Ferrero erklärte, "mit dem Rückzug Schluss sei" und man "zum Angriff übergehe" (UZ, 24.10.08). Nur so können die Bedingungen geschaffen werden, den von der rechtsextremen Regierung Berlusconi ausgehenden faschistischen und rassistischen Gefahren Einhalt zu gebieten und die Herrschaft des Mediendiktators zu beenden.


Von unserem Autor ist ein neues Buch erschienen:
"Geschichte Italiens vom Risorgimento bis heute", Papyrossa Köln 2008


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 41. Jahrgang, Nr. 7,
13. Februar 2009, Seite 11
mit freundlicher Genehmigung der Redaktion und des Autors
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2009