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LATEINAMERIKA/1289: Kolumbien - Paramilitärs gegen Landrückgabepolitik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. August 2011

Kolumbien: Grenzen der "wahren Revolution" - Paramilitärs gegen Landrückgabepolitik

Von Constanza Vieira

Private Palmölplantage auf Kollektivland in Llano Rico - Bild: © Constanza Vieira/IPS

Private Palmölplantage auf Kollektivland in Llano Rico
Bild: © Constanza Vieira/IPS

Bogotá, 5. August (IPS) - Kolumbiens Staatspräsident Juan Manuel Santos hat bei einem Besuch von Apartadó im Bananenanbaugebiet Urabá im Nordwesten des Landes seine Bemühungen um eine Rückgabe von Land an vertriebene Bauern als "wahre Revolution" bezeichnet. Etwa 100 Kilometer von der Stadt entfernt sind 300 Paramilitärs eingetroffen, um sich offenbar dieser "Revolution" zu widersetzen.

In Begleitung einer hochrangigen Delegation, der auch Agrarminister Juan Camilo Restrepo angehörte, war Santos am 3. August nach Apartadó gereist. Dort zog er vier Tage vor dem ersten Jahrestag seiner Regierungszeit Bilanz über seine Landrückgabepolitik. "Wir werden das Angesicht Kolumbiens verändern. Wir vollbringen eine wahre Revolution", sagte der Regierungschef vor Ort.

Bis zum 30. Juli habe man 361.000 Hektar Land an 17.000 Familien zurückgegeben, so Santos. Darüber hinaus wurden Eigentümer von insgesamt 230.000 Hektar Land mit Besitztiteln ausgestattet, die jeden weiteren Landraub im Zuge des blutigen Bürgerkriegs zumindest erschweren sollen.

Unter der Regierung Santos wurden Drogenhändler und Paramilitärs enteignet, die sich 2.535 Hektar Land illegal einverleibt hatten. 14.278 Hektar wurden an Bürgerkriegsflüchtlinge verteilt, 109.197 Hektar an indigene und 6.630 Hektar an schwarze Gemeinschaften.

Zu dem Kollektivland, das der Gruppe der Afrokolumbianer überschrieben wurde, gehören auch die Gebiete südlich von Apartadó an den Ufern der Flüsse Curvaradó und Jiguamiandó. Den Anrainern, die 1996 von den Paramilitärs unter dem Vorwand der Anti-Rebellen-Bekämpfung vertrieben worden waren, gelang es in den letzten Jahren, sich die Rückgabe des Gebietes rechtlich zu erstreiten. Auf ihrem Land hatten sich häufig von Paramilitärs geführte Palmölunternehmen niedergelassen.

Einzelne Parzellen wurden am 3. August an die Dörfer Belén de Bajirá, Pavarandó Grande, Caucheras und Cetino zurückgegeben. Doch Cetino ist der Ort, an dem sich derzeit 300 Paramilitärs aufhalten, um nach Ansicht des Geistlichen Alberto Franco die Landrückgabe zu verhindern.


Militär schaut weg

Wie der Leiter der Interkirchenkommission für Gerechtigkeit und Frieden betonte, die die Landrechtsforderung der lokalen Bevölkerung unterstützt hatte, sind die mit Tarnanzügen bekleideten Männer von Puerto Brisas aus über den Curvaradó-Fluss nach Cetino gekommen, wo die 17. Armeebrigade einen Stützpunkt unterhält. "Ich kann nicht begreifen, wie 300 bewaffnete Männer ein 250 Meter entferntes Militärkommando passieren können, ohne gesehen zu werden", sagte der Priester.

Wie Franco weiter berichtete, hat eine andere Gruppe von Paramilitärs 30 Bündel Kokasamen an mindestens drei Grenzposten vorbei in die Region geschmuggelt, um Koka in den von ihr besetzten Gebieten am Jiguamiandó und an einem Nebenfluss des Curvaradó zu pflanzen. Die Anrainer befürchten, dass beide Gruppen eine bewaffnete Auseinandersetzung simulieren wollten, um die Bauern zur Flucht zu zwingen.

Auch wurden in den letzten eineinhalb Monaten Koka auf einer zehn Hektar großen Fläche Kollektivland angebaut und Chemikalien zur Herstellung von Kokain eingeführt. Franco zufolge gefährdet die Ankunft der Drogenhändler alle Erfolge, die die Menschen vor Ort in dem langwierigen Landrückgabeprozess erzielt hätten.

Wer Widerstand leiste, werde bedroht, berichtet der Priester. Zwei Familien hätten nach Morddrohungen die Region verlassen. Everto González, ein Schwarzenführer der Region, wird seit dem 23. Juli, seit einem verbalen Schlagabtausch mit den Paramilitärs, vermisst.

Der Interkirchenkommission zufolge geht es bei all diesen illegalen Aktivitäten darum, die Rückgabe von Land zu verhindern. "Viele dieser Leute sind der Meinung, dass die Opfer des Bürgerkriegs nicht entschädigt werden müssen", so Franco. "Andere vertreten die Ansicht, dass sie ihre Ländereien nicht zurückerhalten sollten." (Ende/IPS/kb/ 2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2011