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LATEINAMERIKA/1505: Kuba - Von Punta del Este bis Panama-Stadt, das Ende der Isolation (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. April 2015

Kuba: Von Punta del Este bis Panama-Stadt - Das Ende der Isolation

von Patricia Grogg


Bild: © Public Domain

Ernesto 'Che' Guevara während seiner berühmten Rede am 8. August 1961 vor dem Interamerikanischen Wirtschafts- und Sozialrat in der uruguayischen Stadt Punta del Este
Bild: © Public Domain

Havanna, 9. April (IPS) - US-Präsident Barack Obama war vier Jahre alt, als Ernesto 'Che' Guevara auf einem interamerikanischen Gipfeltreffen zu seiner Kritik an der feindseligen US-Haltung gegenüber Kuba ausholte. Er bekräftigte gleichzeitig die Bereitschaft der kubanischen Regierung seines ehemaligen Waffenbruders Fidel Castro, sämtliche bilateralen Differenzen durch einen Dialog auf Augenhöhe aus der Welt zu schaffen. Zu diesem Zeitpunkt führten Castro und ein US-Gesandter Geheimgespräche.

Mehr als ein halbes Jahrhundert später zeigt sich US-Präsident Obama bereit, sich dieser Herausforderung zu stellen, die Spannungen und Konflikte mit dem karibischen Inselstaat zu lösen und den fragilen Prozess zur Normalisierung der bilateralen Beziehungen zu beginnen. Am 10. und 11. April haben er und Kubas Präsident Raúl Castro Gelegenheit, am Rande der Konferenz der Staats- und Regierungschefs der Amerikas in Panama-Stadt miteinander zu sprechen.

Guevara hatte sich im Auftrag seiner Regierung am 8. August 1961 an die Teilnehmer des Treffens des Interamerikanischen Wirtschafts- und Sozialrats der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gewandt. Zweieinhalb Jahre zuvor, am 1. Januar 1959, hatte die Kubanische Revolution den Diktator Fulgencio Batista von der Macht vertrieben.

Das damalige Treffen in der uruguayischen Urlaubsstadt Punta del Este sollte die vorerst letzte Gelegenheit für Kuba sein, an einem interamerikanischen Forum teilzunehmen. Im Januar 1962 wurden Kubas Teilnahmerechte an der OAS suspendiert - eine Entscheidung, die erst im Juni 2009 wieder rückgängig gemacht wurde.


Regionale Armut nimmt wieder zu

Das Thema der bevorstehenden Konferenz lautet 'Wohlstand mit Gleichheit: Die Herausforderung der Zusammenarbeit in den Amerikas'. Die Zielsetzung wird sich mit offiziellen Dokumenten und formellen Statements allein nicht erreichen lassen, wie ein Bericht der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) über die soziale Lage in der Region nahelegt. Danach ist die Armut zum ersten Mal innerhalb eines Jahrzehnts wieder gestiegen. Zwischen 2013 und 2014 sind drei Millionen Lateinamerikaner in die Armut abgerutscht. Befürchtet wird, dass bis Ende des Jahres 1,5 Millionen hinzukommen werden.

Auf dem Gipfel in Punta del Este hatten die USA die 'Allianz für Fortschritt' gestartet, die von US-Präsident John F. Kennedy (1961-1963) Monate zuvor auf den Weg gebracht worden war, um den Einfluss der Kubanischen Revolution in der Region zu begrenzen. Zuvor, im April 1961, war seine Regierung mit der US-Invasion in der kubanischen Schweinebucht gescheitert.

Der in Argentinien geborene Che Guevara traf sich am 17. August 1961 zu einem vertraulichen Gespräch mit Kennedys Sonderberater für lateinamerikanische Angelegenheiten, Richard Goodwin. Die Zusammenkunft wurde von den kubanischen Medien als erster hochrangiger Kontakt zwischen den Regierungen beider Länder seit dem Abbruch der bilateralen Beziehungen im Januar 1961 dargestellt. Fünf Tage später gab das Weiße Haus eine Mitteilung heraus, in der das Zusammentreffen als "lockeres Cocktail-Party-Gespräch" bezeichnet wurde, in dem Goodwin sich auf die Zuhörerrolle beschränkt habe.

Seither hat es bis zum Rückzug von Fidel Castro 2006 aus der Präsidentschaft zahlreiche Versuche gegeben, um die Beziehungen zwischen beiden Staaten zu verbessern. Doch erst am 17. Dezember 2014 überraschten sein Bruder Raúl und Obama die Welt mit der Ankündigung, dass beide Staaten ihre diplomatischen Beziehungen wieder aufnehmen würden.


Schwindender US-Einfluss in der Region

Der kubanische Politikwissenschaftler und Essayist Carlos Alzugaray sieht in der wachsenden Autonomie der Region einen entscheidenden Faktor für die Annäherung der beiden Ex-Feinde. "Man könnte sagen, dass die USA südlich des Rio Bravo oder Rio Grande an Schubkraft und Spielraum verloren haben", meinte er im IPS-Gespräch.

Seit dem Gipfel der Amerikas 1994 in der US-Stadt Miami hatte sich ein wachsender Unmut unter den lateinamerikanischen Staaten abgezeichnet, mit der US-Dominanz abzufinden. Dieser Unmut spitzte sich im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen der Amerikas (FTAA) zu, das nach mehr als zehnjähriger Existenz an Rückhalt verlor.

Auf dem Vierten Gipfel in der argentinischen Stadt Mar del Plata im Jahre 2005 widersetzten sich das Gastgeberland und andere südamerikanische Regierungen dem Versuch der USA und Kanada, das FTAA durchzudrücken. In südamerikanischen Ländern hatten sich linke und Mitte-Links-Politiker wie der venezolanische Staatschef Hugo Chávez (1999-2013) durchgesetzt, der die Konferenz in Mar del Plata als "FTAA-Grab" bezeichnete.

Im Dezember 2004 warteten Chávez und Fidel Castro mit einer Initiative auf, die heute als Bolivarische Allianz für die Völker unseres Amerikas' (ALBA) bekannt ist und der neben Venezuela und Kuba Nicaragua, Bolivien, Ecuador, Dominica, Antigua und Barbuda, St. Lucia, Grenada and St. Kitts und Nevis angehören.

Drei Jahre später wurde mit dem erklärten Ziel, für regionale Integration, soziale und menschliche Entwicklung, Gleichheit und Inklusion zu sorgen, die Union der südamerikanischen Staaten (UNASUR) gegründet. Mitglieder sind Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Ecuador, Guyana, Kolumbien, Paraguay, Peru, Suriname, Uruguay und Venezuela.

Im Jahr 2011 trafen sich die amerikanischen Staaten mit Ausnahme Kanadas und der USA zur Gründung der Gemeinschaft lateinamerikanischer und karibischer Staaten (CELAC). Kuba wurde als Vollmitglied aufgenommen.

Alzugaray nennt in diesem Zusammenhang die kubanischen Reformen als wichtigen Faktor für den neuen Umgang mit dem Inselstaat. So hat die Regierung von Raúl Castro seit 2008 etliche Schritte zur Modernisierung des sozialistischen Entwicklungsmodells unternommen und "tiefgreifende Veränderungen durchgesetzt, die der wachsenden Präsenz Chinas und vor allem Russlands in der Region Rechnung tragen".


US-Streit mit Venezuela bremst regionale Wiedervereinigung

Doch könnte der Gipfel in Panama, der formell zusammengerufen wurde, um der Forderung der Region nach einem Ende der Ausgrenzung Kubas aus dem 35-Staaten-Block der Amerikas Nachdruck zu verleihen und der die Normalisierung der US-kubanischen Beziehungen voranbringen soll, sein Augenmerk auf die Krise zwischen Washington und Caracas legen.

Obama hatte am 9. März in einer präsidialen Anordnung die Lage in Venezuela, das von dem Sozialisten Nicolás Maduro regiert wird, als "eine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA" bezeichnet und etliche hochrangige Regierungsvertreter des südamerikanischen Landes mit Sanktionen belegt. Auf die Maßnahme reagierte die Mehrheit der lateinamerikanischen Länder ablehnend.

"Kein Land hat das Recht, das Verhalten eines anderen Landes zu verurteilen, geschweige denn eigenmächtig Sanktionen und Strafen zu verhängen", meinte der UNASUR-Generalsekretär und ehemalige Präsident Kolumbiens, Ernesto Samper. Seiner Meinung nach gefährdet der Unilateralismus Washingtons die guten Beziehungen zu den lateinamerikanischen Staaten.

"Unter diesen Voraussetzungen wird es für die USA schwierig werden, eine Strategie zu entwickeln, durch die die Interessen der lateinamerikanischen und karibischen Staaten gewahrt werden und eine natürliche Anpassung an die veränderten Gegebenheiten möglich wird", betonte er.

Nach Meinung des Experten hat Obama mit seiner präsidialen Anordnung im Vorfeld des Gipfeltreffens in Panama-Stadt, auf dem die hemisphärische Wiedervereinigung gefeiert werden soll, einen schwerwiegenden Fehler begangen. "Die Region wird sich mit überwältigender Mehrheit hinter Kuba und Venezuela stellen." (Ende/IPS/kb/2015)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2015/04/de-punta-del-este-a-panama-el-fin-de-la-exclusion-de-cuba/
http://www.ipsnews.net/2015/04/from-punta-del-este-to-panama-the-end-of-cubas-isolation/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2015

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